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Wiederholung nicht möglich. Das Halbfinalspiel zwischen Deutschland und Brasilien ist in den Mediatheken von ARD und ZDF nur noch als Zusammenfassung verfügbar.
© REUTERS

Mediathek von ARD und ZDF: Die Sieben-Tage-Verwirrung

Mehr Ausnahmen als Regeln: Warum die Mediatheken von ARD und ZDF nutzerfreundlicher werden müssen.

Wer das Finale der Fußball-WM am Sonntag nicht verpassen möchte, dem bleibt im Prinzip nur eine Chance: live schauen. Denn in der ARD-Mediathek ist das Spiel anschließend nur 24 Stunden lang abrufbar, danach verschwindet es von der Seite. Dagegen bleiben die WM-Partien ohne deutsche Beteiligung bis 2015 abrufbar. So sieht es Paragraf 4 des Rundfunkstaatsvertrags vor, geschaffen in der Annahme, dass eine längere Verfügbarkeit der deutschen Spiele den Gebührenzahler mehr kosten könnte. „Das stimmt aber nicht“, sagt Klaus-Werner Schulz, Sportrechtebeauftragter der ARD.

Die vom Fußballweltverband Fifa erworbenen Übertragungsrechte erlauben durchaus eine längere Verweildauer, nämlich ebenfalls bis 2015. „Aber diese Rechte können aufgrund der aktuellen Gesetzeslage nicht entsprechend ausgeschöpft werden.“

Was dem Gebührenzahler nützen sollte, verkehrt sich ins Gegenteil

Was dem Gebührenzahler nützen sollte, verkehrt sich damit ins Gegenteil: Der Zuschauer ist der Leidtragende – wie so oft, wenn es um die Mediatheken geht. Zahlreiche Sonderregelungen machen die Nutzung unübersichtlich, für den Zuschauer ist kaum durchschaubar, ob eine Sendung wie die deutschen WM-Spiele nur 24 Stunden, wie der „Tatort“ sieben Tage oder wie die „heute“-Nachrichten des ZDF ein ganzes Jahr abrufbar sind.

Das Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedete jüngst einen Beschluss, wonach die Sieben-Tage-Frist in den ARD-/ZDF-Mediatheken abgeschafft werden soll. „Insbesondere für nachgefragte Sendungen wie die RBB-,Abendschau‘ wäre das ein Fortschritt, die Sender könnten dann frei und ohne Blick auf die sperrigen aktuellen Regelungen ein besseres Angebot machen. Das wiederum trägt auch zur Akzeptanz des neuen Rundfunkbeitrages bei“, heißt es in der Begründung. Der Senat versichert seine Unterstützung. „Wir drängen auf eine Abschaffung der unsinnigen Sieben-Tage-Regel. Der Zuschauer sollte ein Recht haben darauf, die Inhalte, die im Fernsehen gelaufen sind, auch in der Mediathek dauerhaft abrufen zu können“, sagte Senatssprecher Richard Meng.

Das Interesse an den Mediatheken wächst

Das Interesse an den Mediatheken wächst enorm, immer mehr Zuschauer wollen sich nicht an das starre Programmschema halten, sondern die öffentlich-rechtlichen Angebote rund um die Uhr nutzen. Zählte das ARD-Angebot 2013 noch durchschnittlich rund 73 Millionen Klicks, sind es 2014 bisher schon rund 104 Millionen im Schnitt pro Monat, eine Steigerung, die nicht allein auf die WM zurückzuführen ist, teilt ARD mit. Ähnlich sieht es beim ZDF aus. Im WM-Monat Juni stieg die Zahl der Klicks auf 75 Millionen von 46 Millionen im Vorjahresmonat.

Allein eine Abschaffung der Sieben-Tage-Frist zu fordern, reicht allerdings nicht weit genug. Denn alle Telemedienangebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio sind im Rahmen der „Dreistufentests“ von den Gremien der Anstalten genehmigt. Dies bedeutet, dass unterschiedliche Verweildauer der jeweiligen Programminhalte zum Zuge kommen. Heißt auch: Die Sieben-Tage-Regelung spielt danach praktisch keine Rolle. Jeder Sender trifft für seine Programme höchst unterschiedliche Regelungen. Die tatsächliche Grenze markieren lediglich das Urheberrecht und damit die Kosten für den jeweiligen Rechteerwerb. Doch das soll sich nun ändern: Immer mehr Länderparlamente – Rundfunk ist Ländersache – fordern ein Ende des Wirrwarrs. Die Rundfunkkommission will im Herbst die gültige Regelung novellieren.

Die Privatsender sind gegen eine Änderung der Fristen

Einfach wird das nicht. Es gibt offenbar mehr, als die Interessen der genervten Beitragszahler zu berücksichtigen. Claus Grewenig, Geschäftsführer des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) sagte zu den Erfahrungen der Privatsender mit der Sieben-Tage-Frist: „Die zeitbeschränkte Online-Auswertung von Sendungen ist gerade bei audiovisuellen Inhalten ein übliches Modell – nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa.“ Bezogen auf ARD und ZDF sei die Regelung ein sorgfältig austarierter Kompromiss des EU-Wettbewerbsrechts, um den Interessen der Beitragszahler, aber auch dem privaten Markt angemessen Rechnung zu tragen.

Ob die Regelung fallen solle? „Die Debatte um Beschränkungen durch die Sieben-Tage-Regel ist eine Phantomdebatte, da sieben Tage nicht die Regel sind. Vor Entscheidungen sollte die Politik dringend eine faktenbasierte Analyse sowie eine unabhängige Evaluierung durchführen.“ Aktuell will der VPRT-Chef an der bestehenden Regelung nichts geändert sehen – „mangels Bedarf.“ Jede Anstalt könnte schon heute die eigenen Inhalte weitreichender auswerten. Die Fristen sind laut VPRT unerlässlich, um den Eingriff von ARD und ZDF auf den Online-Markt in engen Grenzen zu halten, zumal der Funktionsauftrag nach wie vor nicht präzise definiert sei.

Filmwirtschaft fürchtet Einbußen im DVD-Geschäft

Manuela Stehr, Präsidentin der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (Spio), schlägt in die gleiche Kerbe: „Wir haben großes Verständnis für das Anliegen der öffentlich-rechtlichen Sender, ihre Mediatheken gut zu füllen und damit online ein attraktives Angebot zu schaffen.“ Allerdings sei die Spio strikt dagegen, bei Produktionen, die von den Sendern nur teilweise finanziert würden, über die bestehende Sieben-Tage-Regelung hinauszugehen. Denn insbesondere bei Kino-Koproduktionen führe die Nutzung in den Mediatheken, die nicht extra vergütet werde, zu Einschränkungen in der DVD- und vor allem Video-on-Demand-Auswertung.

Stehrs Haltung ist unmissverständlich: „Zur Finanzierung von deutschen Filmen sind die Einnahmen aus dem VoD-Geschäft aber zwingend erforderlich – gerade angesichts der Umsatzrückgänge im DVD-Geschäft. Wenn nun ARD und ZDF Kinofilme in ihre Mediatheken stellen, möglicherweise noch umsonst, wird eine kommerzielle Auswertung unmöglich, die Vergütung der an Herstellung und Vertrieb Beteiligten entfällt, die Refinanzierbarkeit der Filme wird erheblich behindert. Wo aber keine Refinanzierungschance, da auch keine Finanzierung zur Herstellung von deutschen Kinofilmen.“

Gabriele Schade, die Vorsitzende des MDR-Rundfunkrates, erinnerte an den Gremienbeschluss vom Dezember 2011: „Der Rundfunkrat empfiehlt bei einer Novellierung eine Abwägung zwischen der tatsächlichen Erreichung des intendierten Ziels – dem Wettbewerbsschutz, der Wirkung für die Nutzer und dem administrativen Aufwand für die Sender – vorzunehmen.“ Die Verweildauern sollten überdacht und die gebührenfinanzierten Inhalte allen dauerhaft zugänglich gemacht werden. Prinzipiell sei die Frage zu stellen, ob analoge Kriterien wie Verweildauer oder Vorhaltefrist zur Steuerung eines digitalen Mediums wie dem Internet geeignet seien. Deshalb, so Schade, müsste der „Wurf der Veränderung“ größer gemacht werden. Wenn schon Reform, dann aber richtig. Sonja Álvarez, Joachim Huber

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