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Gesundheitsminister Pangiotis Kouroumplis ist 63 Jahre alt.
© dpa

Gesundheitsminister Panagiotis Kouroumplis: "Die griechischen Bürger tragen keine "Verantwortung"

Der neue griechische Gesundheitsminister vom Linksbündnis Syriza, Panagiotis Kouroumplis, geboren 1951, spricht mit dem Tagesspiegel über die Koalition mit den Rechtspopulisten und das Verhältnis zu Deutschland.

Herr Kouroumplis, in Deutschland und anderen europäischen Ländern ist man über die Wahl Ihres Koalitionspartners überrascht bis irritiert – Syriza gilt als linke Partei, die Unabhängigen Griechen als Rechtspopulisten. Wie begründen Sie diese Entscheidung?

Der Vorsitzende der Unabhängigen Griechen, Panos Kammenos, war viele Jahre lang ein führendes Mitglied bei Nea Dimokratia. Er ist also ein Konservativer und keineswegs ein Rechter oder ein Extremist. Außerdem verlaufen die Fronten in Griechenland nicht mehr zwischen links und rechts. Es geht darum, ob man die Schulden in der aktuellen Form für tragbar hält oder nicht. Die beiden ehemaligen Regierungsparteien Pasok und Nea Dimokratia konnten sich auf den Tod nicht leiden, sie haben trotzdem zusammengearbeitet, weil sie mit dem Troika-Programm einverstanden waren. Wir – Syriza und Unabhängige Griechen – halten die Schulden so nicht für tragbar und wollen gemeinsam neu verhandeln.

Sie glauben also nicht, dass es abgesehen von diesem Thema viele Konflikte geben könnte?

Selbst wenn, dann werden sie nicht entscheidend sein.

Ihr neuer Koalitionspartner ist in der Vergangenheit auch durch anti-deutsche Äußerungen aufgefallen.

Die Angst vor anti-deutschen Ressentiments ist bei den Unabhängigen Griechen genauso unbegründet wie bei Syriza. Es gibt keine ideologische Position gegen die Deutschen, es gibt lediglich einige Punkte auf der Agenda, die Deutschland nicht gefallen. Dazu gehört das Thema Kriegsreparationen und Zwangskredite. Da haben die Unabhängigen Griechen eine klare Meinung und die unterstützen wir. Deutschland sollte sich dem Thema stellen und sich an den Verhandlungstisch setzen. Unser Plan ist aber nicht, in Europa eine anti-deutsche Front aufzubauen. Ganz und gar nicht.

Sie selbst haben im Alter von zehn Jahren Ihr Augenlicht durch eine deutsche Granate verloren, ein Blindgänger aus dem zweiten Weltkrieg. Ist das Thema Kriegsschuld auch ein persönliches für Sie?

Als Mitglied des griechischen Parlaments habe ich das Thema vor drei Jahren auf die politische Agenda gehoben. Es geht uns alle an. Aber ich habe keine negativen Gefühle gegenüber der aktuellen deutschen Regierung oder dem deutschen Volk, das ist mir sehr wichtig. Ich habe viele deutsche Freunde. Und ganz Europa sollte es als ein gutes Zeichen sehen, dass Alexis Tsipras einem blinden Mann zutraut, ein wichtiges Ministerium zu leiten. Das ist sehr fortschrittlich und in Griechenland einzigartig.

Syriza will die Schuldenzahlungen aussetzen oder zumindest neu verhandeln. Wie erklären Sie das dem deutschen Steuerzahler?

In Deutschland wird viel Falsches über die Eurokrise berichtet. Es wird so dargestellt, als seien die Griechen an ihrem Elend selbst schuld. Ich bestreite nicht, dass die politischen und wirtschaftlichen Eliten dafür Verantwortung tragen. Aber nicht die griechischen Bürger, die jetzt dafür bezahlen müssen. Selbst der internationale Währungsfonds hat bestätigt, dass die Austeritätspolitik das falsche Rezept gegen die Krise war. Gerade Deutschland hat zudem viel an den griechischen Schulden verdient, wir haben für das Geld deutsche Waffen gekauft – wobei es gerade mit deutschen Firmen große Korruptionsskandale gab. Und die deutschen Exportunternehmen generell haben viel nach Griechenland verkauft, während hier die kleinen und mittleren Unternehmen bankrott gegangen sind. Das ist auch ein wichtiger Teil der Wahrheit.

Was sind die wichtigsten Maßnahmen, mit denen Sie und die neue Regierung Griechenland aus der Krise führen wollen?

Steuervermeidung und Steuerflucht sind zwei Übel, die wir unmittelbar angehen werden. Da hat die vergangene Regierung nichts gegen unternommen – und wurde dafür von der Troika nicht einmal gerügt. Ich habe gute Gründe anzunehmen, dass es eine  Abmachung mit den Oligarchen, den Superreichen, gab, sie nicht anzutasten. Das wird sich jetzt ändern. Auch im Gesundheitsbereich gibt es große Pharmazieunternehmen, die kaum Steuern zahlen. Doch das dringendste Problem ist die große Anzahl an Menschen ohne Zugang zum Gesundheitssystem. Ein Drittel der Griechen ist inzwischen ohne Versicherung. Das kann nicht so bleiben.

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