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Die Gäste in der TV-Rund von Anne Will
© Schreenshot ARD

TV-Kritik zu Anne Will: Die Gier der Masken-Union? Scholz schweigt und genießt

Die Talkrunde bei „Anne Will“ brachte eine neue Erkenntnis: Nicht auf den Kanzler, auf die Handlungsfähigkeit des Staates kommt es an.

Selten wohl hat es an einem TV-Wahlabend bei Anne Will so eine taktisch bestimmte Besetzung gegeben. Olaf Scholz, der Kanzlerkandidat der SPD, war gesetzt, klar. Schließlich können die Sozialdemokraten, anders als die Union, darauf verweisen, dass sie ihre Führungsfrage in Richtung Bundestagswahl geklärt haben.

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Und dass voraussehbar zumindest Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz keine Schlappe einfahren würde, machte für ihn das Risiko kalkulierbar, zu kommen. In Baden-Württemberg ist die  SPD ein verlorener Haufen, das wusste man vorher.

Für die Grünen stellte sich nur die Frage: Wer aus dem Spitzenduo ist dran? Habeck oder Baerbock? Baden-Württemberg würde ein Triumph für Winfried Kretschmann werden, der Ausgang in Rheinland-Pfalz schien ebenfalls kalkulierbar.

Aber dann die CDU! Thomas de Mazière, der frühere Innenminister, ein Pflichtmensch, von dem klar war, dass er diesen für die CDU absehbar verheerenden Abend nicht nur ertragen und erdulden, sondern nötigenfalls auch zurückkeilen  würde. Armin Laschet hatte man da nicht schicken können. Dass die CDU in beiden Bundesländern im Graben landen würde, war absehbar. Hätte man da den neuen Vorsitzenden ins Messer laufen lassen dürfen? Natürlich nicht.

Als geradezu segensreich erwiesen sich die beiden Gäste, die nicht aus den politischen Lagern kamen. Die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch und die Spiegel-Redakteurin Christine Hoffmann stellten, von Anne Will gut flankiert, jene Fragen, die mal SPD-Mann Scholz, mal Unions-Protagonist de Maizière nicht so recht erfreuten. Robert Habeck hatte es da besser, die Regierungszeit der Grünen in Berlin liegt zu lange zurück, als dass die Sündenregister noch allen präsent wären.

Nehmen wir Ursula Münch, in Richtung Olaf Scholz: Mit extremen Positionen gewinnt man keine Wahlen, es kommt nicht auf die linken Positionen der SPD-Führung an, sondern auf die Glaubwürdigkeit der Menschen an der Spitze. Die persönlichen Wahlerfolge von Winfried Kretschmann und Malu Dreyer belegen das.

Oder, Christine Hoffmann, an de Maizières bemühte Verteidigung der Gewinn-orientierten, freiberuflichen MdB‘s adressiert: Bundestagsabgeordneter, das ist ein Vollzeitjob - wie man daneben noch sechsstellige Beträge verdienen kann, sei nicht nur eine Frage, es ist ein immenser Schaden für die Demokratie.

Die Gier jener Unions-Abgeordneten, die sich am Geschäft mit den Masken eine goldene Nase verdienen wollten, machten alle Gesprächsteilnehmer als ganz wesentlichen Grund für die Verluste der CDU aus. Olaf Scholz, der sich über weite Strecken in der Rolle des Zuhörers und Genießers zu gefallen schien, ließ sich an dieser Stelle verführen, etwas über das Anrüchige kommerzieller Interessen von Abgeordneten zu sagen.

Er handelte sich damit den an diesem Abend wohl bemerkenswertesten Konter von Thomas de Maizière ein. Der entgegnete Scholz nur unterkühlt, von einer Partei, deren ehemaliger Bundeskanzler sich von Russland bezahlen lasse, nehme er keine Ratschläge in der Sache entgegen.

Moderatorin Anne Will
Moderatorin Anne Will
© ARD Das Erste/NDR/Wolfgang Borrs/obs

Was haben wir gelernt, nach einer Stunde? Die Vertrauenskrise der Politik ist eine Krise der Exekutive, obwohl die in der Corona-Bekämpfung ja eine entscheidende Rolle hat. Denn es zeige sich nun, dass man zwar einzelnen Politikern lange durchaus etwas zugetraut habe (Merkel, Spahn), wobei das inzwischen auch vorbei und einer der Gründe für die Stimmenverluste der CDU sei.

Aber an der Handlungsfähigkeit des Staates selbst zweifelten immer mehr Menschen – egal ob bei der Beschaffung oder Verteilung des Impfstoffes, bei der rechtzeitigen Organisation von Masken oder der flächendeckenden Einrichtung von Testmöglichkeiten. Überall erlebe man den Staat selbst als handlungsunfähig. Da ist es am Ende zweitrangig, ob die CDU und die Grünen nun zwischen Ostern und Pfingsten ihre Kanzlerkandidatenfragen klären – die Deutschen wollen gut regiert werden. Dass sie inzwischen nicht mehr glauben, dass die AfD da eine Alternative sei, war eigentlich das wirklich positivste Ergebnis dieses Wahltages.

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