Start in das Superwahljahr 2021: Das Rennen um die Führung in der Ampel ist eröffnet
Die Landtagswahlen im Südwesten zeigen: Die CDU hat kein Abo aufs Kanzleramt. Das Rennen um die Ampel ist eröffnet. Ein Kommentar.
Jetzt geht’s los, aber wirklich. Das Superwahljahr hat begonnen, und wie. Klar ist, dass noch längst nicht alles klar ist. Also die Union stellt noch nicht den nächsten Kanzler, was keine Binsenweisheit ist, eben weil noch einige Monate ins Land gehen bis zur Bundestagswahl und da viel passieren kann. Allein schon, dass sich die Unionsspitze noch entscheiden muss: „Was nun, Herr Laschet?“, aber auch „Was nun, Herr Söder?“ Wer zu lange zögert, den bestraft das Leben, hier in Form der Partei und der Wähler.
Um im Jargon der C-Parteien zu bleiben: Gottgegeben ist die weitere Regentschaft nicht. Zumal die beiden Landtagswahlen zeigen, wie wichtig Führungspersonen sind. Mehr denn je müssen sie Führungspersönlichkeiten sein, Leute, denen sie zutrauen, gut zu regieren, bei denen sie sich angenommen und aufgehoben fühlen. Der letzte Punkt ist übrigens nicht zu unterschätzen, auch das zeigen Malu Dreyer – sie besonders – und Winfried Kretschmann. Nah bei de Leut‘, wie Dreyers Vorgänger Kurt Beck immer sagte, ist nah am Wahlsieg.
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Da ist etwas erheblich anders als früher geworden, als in erster Linie Parteien gewählt wurden, sogar Programme, und die Spitzenkandidaten ein, zwei Prozentpunkte brachten. Deshalb holte die SPD beispielsweise unter Helmut Schmidt nicht die absolute Mehrheit, obwohl drei Viertel der Deutschen Schmidt direkt zum Kanzler gewählt hätten. Heute stürzt die SPD in Rheinland-Pfalz nur deshalb nicht ab, weil es Malu Dreyer gibt.
Wer genau hinschaut, sieht: Die Partei holt bei den Jungen und Jüngeren bei Weitem nicht genug. Der Fortschritt ist kein Genosse. Und der Trend, ist der es? Er kann es noch werden, tatsächlich, auf den Bund bezogen. Denn jetzt einmal von der Union, von CDU und CSU, abgesehen – daneben beginnt der Kampf um eine andere Mehrheit Mitte-Links: der Kampf um die Ampel. Rot, Grün, Gelb als Koalitionspartner, so wie in Mainz – bloß steht im Bund die Reihenfolge noch nicht fest. Oder halt: die dritte Stelle, die schon.
Die FDP wird weder SPD noch Grüne überholen, aber sie hat sich stabilisiert, das immerhin haben Christian Lindner und Wolfgang Kubicki geschafft. Bürgerrechte und Grundgesetz, Wirtschaft und Corona, die Themen passen, die Positionen auch. Was man bei Grünen und Sozialdemokraten noch genauer herausfinden muss.
Vor allem für die Grünen wird es nach den beiden Auftaktwahlen ernst: Sie stehen gut da, schneiden gut ab – da muss man sich Gedanken über eine Kanzlerkandidatin oder einen Kanzlerkandidaten machen. Salopp gesagt: Ausweichen ist nicht mehr. Robert Habeck oder Annalena Baerbock – Winfried Kretschmann wollte schon länger, dass die Sache geklärt wird, und der weiß nun wirklich, wie Grün Wahlen gewinnt.
Bei der SPD fällt Häme leicht, zu leicht. Denn die Wahlergebnisse zeigen nicht das ganze Bild. Die SPD hat sich immerhin schon länger auf Olaf Scholz festgelegt, und schlecht ist das nicht. Partei und Kandidat haben Zeit, sich aneinander zu gewöhnen, sodass der Spitzenkandidat auch wirklich ein Kanzlerkandidat wird. Wofür Scholz allerdings auch einiges tun muss, wenn er sich nicht selbst schlagen will. Lässt er andere neben sich gelten? Mag er Menschen, nicht nur sich selbst?
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Andererseits kann Scholz mit dem Ruf dessen, der es kann, also regieren, punkten. Und darum geht es nicht zuletzt für die Sozialdemokraten: Bei der Bundestagswahl stärker als die Grünen zu werden. Der Stärkste nämlich führt logischerweise die Koalition, die Ampel als andere Machtoption. Ausgeschlossen ist das nicht. Drei Prozentpunkte rauf oder runter – das kann schneller gehen als gedacht. Die Frage wird sein: Wem trauen die Menschen zu, es zu können, das Kanzleramt?
Jetzt geht’s los, das skandierten sie, als der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Rudolf Scharping Mitte der 90er Jahre nach der Macht im Bund griff. Viele hatten nicht daran geglaubt – aber viel hat nicht gefehlt. Damals war Helmut Kohl Langzeitkanzler. 2021 ist das Amt vakant, Langzeitkanzlerin Angela Merkel tritt nicht mehr an. Und klar ist, dass längst nicht alles klar ist.