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Unterwegs im Darknet
© dpa

Was ist das Darknet?: Die dunkle Seite

Das Darknet ist sowohl Umschlagplatz für beinahe jede Form von illegalen Gütern als auch ein Ort, an dem sich Oppositionelle aus Diktaturen anonym austauschen können.

Wer ins Darknet möchte, braucht eine virtuelle Tarnkappe, um nicht gesehen zu werden. Die anderen Nutzer möchte man schon sehen, aber man muss nicht wissen, wie sie heißen und wer sie sind.

Es gibt keinen Türsteher in den dunklen Räumen, aber eine technische Schranke: Ohne einen Tor-Browser („The Onion Router“) kommt man nicht hinein in die virtuellen Regionen, die unbedarften Suchmaschinennutzern verborgen bleiben. Das Problem hat man jedoch schnell gelöst: Jeder Laie kann sich den sogenannten „Zwiebelbrowser“ herunterladen und sofort loslegen.

Darknet und Deep Web sind die Bereiche des Internets, die von den Suchmaschinen nicht indiziert werden. Was genau dazugehört, ist Ansichtssache: Das Darknet ist eine Teilmenge des Deep Web. Sie verlangt anonymes Surfen und garantiert, dass die Nutzer unsichtbar sind. Das Deep Web bleibt nur für normale Suchmaschinen verborgen.

Man kann Dinge im Darknet finden, indem man Suchmaschinen benutzt, die sich auf die dortigen Inhalte spezialisiert haben, vorausgesetzt, man ist anonym schon „drin“, etwa den Tor Hidden Service. Die Fundstellen sehen dann kryptisch aus, etwa wie grams7enufi7jmdl.onion/ für die Darknet-Suchmaschine Grams.

Der sichtbare größere Teil schwimmt auf dem Wasser

Google, Bing, Baidu, Yandex und andere Suchwerkzeuge haben das Monopol auf „Karten“ digitaler Regionen, lassen aber bestimmte „Straßen“ einfach weg. Der dunkle Teil des Internets ist wie ein umgekippter Eisberg: Der sichtbare größere Teil schwimmt auf dem Wasser, aber darunter verbirgt sich noch mehr. Oft hilft im Darknet noch nicht einmal eine Suchmaschine weiter. dann muss man sich, wie zu Urzeiten des Netzes, auf schlecht gepflegte Linklisten verlassen oder darauf, dass „Freunde“ in Foren etwas zum gesuchten Thema empfehlen.

Nehmen wir mal an, wir brauchten ganz schnell einen syrischen Pass, eine „driver’s license“ für Kalifornien, einen Elektroschocker, der wie ein Smartphone aussieht, ein halbes Kilo schwarzen Afghanen (zum Rauchen), ein bisschen Sprengstoff, eine Rolex, die man von einer echten auf den ersten Block nicht unterscheiden kann. Oder Schadsoftware, die bisher unerkannte Sicherheitslücken im Internet ausnutzt und die man auf fremde Rechner aufspielen könnte, wenn deren Nutzer sich unvorsichtig verhielten, um die Computer als Spam-Schleuder zu missbrauchen.

Wir wären auch bereit, die üblichen Preise des Schwarzmarkts zu bezahlen. Oder – wer es gern weniger kriminell hat: Wir möchten mit Oppositionellen aus Saudi-Arabien reden, etwa über deutsche Waffenlieferungen oder den Krieg im Jemen, ohne dass unsere Gesprächspartner anschließend ausgepeitscht oder geköpft werden, und brauchten ein sicheres Forum dafür.

Für alle diese Zwecke kann man das Darkweb benutzen. Der Reflex, so etwas gehöre doch verboten, verfehlt das Thema: Das Darknet bietet zunächst ganz wertneutral eine höhere Sicherheit an als das offene Internet. Die Anonymität, die man dazu braucht, haben ursprünglich US-amerikanische Militärs entwickelt. Definiert wurde das Darknet 2002 durch Angestellte des Software-Riesen Microsoft: Dort, wo wir nichts gegen Urheberrechtsverletzungen tun können, weil dort alles anonym ist, ist das Darknet.

„The highest Jackpot on the Darknet“

Das Darknet ist der Traum eines jeden, der glaubt, Angebot und Nachfrage und der Markt würden alle Probleme lösen, ganz gleich, ob die Ware legal oder illegal sei. Was es sonst nirgendwo frei gibt, kommt hier zuallererst. Grams bietet schon die Sucheingabe „Cannabis“ beim Start an, und als Werbung wird „the highest Jackpot on the Darknet“ angepriesen. Es fehlt für die richtige Stimmung nur noch eine einschlägige Parole wie „Sie haben eine Trilliarde Dollar gewonnen, klicken Sie hier!“ Wer nach „Freedom of Speech“ sucht, erhält zum Beispiel „Move Offshore Change Your Identity And Never Pay Tax Again“. So kann man die Welt sehen, man ist dann aber eine Minderheit. Es klingt ein bisschen retro wie beim Bildschirmtext im Fernsehen: „Kredit für alle ohne Schufa!“ Wer’s glaubt, wird selig. Und wenn es nicht funktionierte, gäbe es diese Angebote nicht.

Aber bekomme ich wirklich Sprengstoff frei Haus geliefert, wenn ich den im Darknet bestelle? Die Antwort ist nicht einfach. Im Prinzip ja, wenn man dem Zulieferer traut und wenn man in der Lage ist, mit Bitcoins zu bezahlen, einer anonymen Währung, die auch die Deutsche Bundesbank akzeptiert. Die Polizei, die im Cyberspace ermittelt, hat festgestellt, dass sich ein Markt für Handlanger gebildet hat, die Tarnadressen zu Verfügung stellen oder sich selbst als Mittelsmänner für fragwürdige oder illegale Transaktionen.

Die virtuelle Tarnkappe lüftet sich

Doch wie kann man einem Händler über den Weg trauen, der sich nicht zu erkennen gibt und von dem man nicht weiß, ob die bestellte Ware wirklich geliefert wird und den man im Zweifelsfall auch nicht verklagen könnte? Das Darknet funktioniert nicht anders als der normale und offene Internethandel: Anbieter werden durch Mundpropaganda empfohlen und müssen sich einen „guten“ Ruf bei den Kunden erarbeiten. Das funktioniert: Ross Ulbricht, der Gründer der Drogenhandelsplattform Silk Road, der zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, setzte, obwohl das eher ein Einzelfall ist, im Monat rund zwei Millionen Dollar um.

Wer sich nicht wirklich auskennt mit der Technik, macht Fehler – und die virtuelle Tarnkappe lüftet sich. Selbst wenn man den Handel mit Verbotenem mit Bitcoins abwickelt – illegale Substanzen oder Waffen müssen irgendwie zum Kunden gelangen. Sie können nicht digitalisiert werden. Das ist ein Vabanquespiel. Nicht zufällig findet man oft in den Darknet-Foren unter dem altmodischen Begriff „Warez“ (Computerjargon für Schwarzkopien) Links zu Lehrfilmen über die Postkontrolle beim Zoll.

Eine Website, die „Deutschlands Darknet-Festnahmen im Überblick“ kartografiert, listet diejenigen Fälle auf, bei denen Ermittler mit ganz normaler Polizeiarbeit gegen den Handel mit illegalen Dingen im Darknet erfolgreich waren. Dort wird die Klientel so angesprochen: „Die Chancen stehen nicht schlecht, dass deine Eltern oder die lokale Kripo noch nie vom Deep Web gehört haben.“ Das bedeute aber nicht, dass man dort alles ungestraft und auf Dauer tun könne.

Es ist im Darknet offenbar wie im wirklichen Leben – und wie Bertolt Brecht sinngemäß schrieb: Nur Kleinkriminelle versuchen eine Bank auszurauben, wer im großen Stil plant, gründet eine Bank.

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