RBB-Intendanz: Die Doofen und die Fremden
Kein Kandidat aus dem Sender, dafür drei Bewerber von außen: Über die Intendantenfindung im Rundfunk Berlin-Brandenburg kann man sich wundern und freuen.
Es gibt verschiedene Varianten, einen Intendanten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu wählen. Jede hat ihren eigenen Grad an Anstrengung. Beim Südwestrundfunk soll der alte Senderchef auch der neue sein: Peter Boudgoust steht vor seiner dritten Amtszeit, der Wahltermin im Rundfunkrat am 7. Juli ist Formsache. Beim Hessischen Rundfunk war sich das Wahlgremium sofort und unisono einig, Fernsehchef Manfred Krupp als Nachfolger für den ausscheidenden Intendanten Helmut Reitze zu bestimmen. Keine Diskussion, nirgendwo.
Der Rundfunk Berlin-Brandenburg geht einen anderen, ungleich anstrengenderen Weg, der vielleicht sogar ein Irrweg ist. Der Rundfunkrat hatte den Posten öffentlich ausgeschrieben, es gab einen Haufen fragwürdiger und einen Kernsatz ernstzunehmender Bewerbungen. Durch den richtigen Schritt, dass sich die Findungskommission, bestimmt durch den Rundfunkrat, ins Offene hinausgewagt und damit einen offenen Wettbewerb der Besten initiiert hatte, wird das Wahlgremium am 7. April tatsächlich Patricia Schlesinger, Volker Herres und Theo Koll zur Kür bitten.
Na bitte, der RBB, der zu den kleineren Anstalten und damit keineswegs zu den Ansagern im ARD-Rund gehört, stellt sich als so attraktiv dar, dass sich mit Schlesinger eine Kandidatin aus dem NDR, mit Koll ein Kandidat aus dem ZDF und mit Herres der ARD-Programmdirektor um das Intendantenamt bewerben. Alle drei bekleiden Funktionen mit Ansehen, Autorität und Applaus. Sie müssen nicht zur Zweiländeranstalt für Berlin und Brandenburg kommen, sie wollen kommen. Ob es allein der famose RBB ist, der sie zur Bewerbung motiviert, und nicht auch die Aussicht auf einen Chefposten in der Hauptstadt, am Sitz von Regierung und Parlament und überhaupt in Deutschlands place to be, das wollen wir mal unter zulässiger Spekulation abbuchen.
Schlesinger, Herres, Koll – und nicht Claudia Nothelle, Hagen Brandstäter, Reinhart Binder? Nothelle ist Programmdirektorin des RBB, Brandstäter Verwaltungschef und Binder Justiziar des Senders. Keiner der drei hat es auf die Kandidatenliste geschafft. In diesem Für-zu-leicht-befunden-Votum stecken ein Versagen und eine Erwartung. Das Versagen: Weder der scheidenden Intendantin Dagmar Reim noch dem Runkfunkrat scheint es über die Jahre ein dringendes Anliegen gewesen zu sein, dass an den Schaltstellen des Senders herausragende Qualifikation erkannt und gefördert wurde. Knapp 3000 Mitarbeiter im RBB – und alle zweite Liga?
Die Erwartung: Nur eine neue Spitzenkraft aus der Fremde kann die Sendeleistungen hochfahren. Schlesinger, Herres und Koll wird das zugetraut, sie kommen allesamt aus dem (journalistischen) Programmsektor. Natürlich ist es wahr: Warum muss das RRB-Dritte die rote Laterne unter den ARD-Dritten tragen, wo schlägt der Hauptstadtbonus im Ersten durch, wie endlich werden Kulle-Hauptstädter und Stulle-Märker in einem attraktiven Fernsehprogramm versöhnt?
Der Rundfunk Berlin-Brandenburg steht finanziell und strukturell solide da, aber er leuchtet nicht. Er braucht, großes Wort, ein Erweckungserlebnis. Volker Herres, 58, war Fernsehprogrammdirektor beim NDR, dem ARD-Sender für vier Bundesländer zwischen Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, seit 2008 sucht er als Programmdirektor des Ersten die divergierenden Interessen der neun ARD-Anstalten zu einem national erfolgreichen Programm zusammenzufügen.
Theo Koll, der Gentleman aus dem Zweiten, hat die (Fernseh-)Welt gesehen, der 58-Jährige kann über seine Stationen London und Paris neue Ideen einbringen, er hat das Magazin „Frontal 21“ mit geleitet, später das Inlands- und das Auslandsressort im ZDF geführt. Er ist der Überraschungsgast im Bewerbertrio.
In der Ausschreibung des Intendantenamtes stand: „Von den Bewerberinnen/Bewerbern wird ausgeprägte Leitungserfahrung erwartet.“ Auch Patricia Schlesinger, 54, hat das, als Leiterin des Programmbereichs Kultur und Dokumentation im NDR, sie hat „Panorama“ stark gemacht, war Korrespondentin in Washington. Die Kombi aus NDR und Frau war schon bei der Dagmar-Reim-Wahl 2003 zur RBB-Chefin unschlagbar.
Am 7. April sucht das Trio im Rundfunkrat die Entscheidung. Das Gremium hat die Qual der richtigen Wahl. Schön, dass es so weit gekommen ist.
Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels war das Jahr der Wahl von Dagmar Reim mit 2002 statt 2003 angegeben. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.