RTL Nitro zeigt "Tutti Frutti"-Comeback: Die Billig-Nummer
Geht das? Funktioniert die 2.0-Version von "Tutti Frutti"? Die Erinnerung an 1990 funktioniert, die Gegenwart nicht
Wenn RTL Nitro es ernst damit meint, dann fielen die Mauer und die Hüllen zeitgleich. Für den Sender jedenfalls gibt es einen unabweisbaren Zusammenhang zwischen dem Weltereignis in Berlin und der Erotikgameshow im Kommerzsender, damals 1990. Die Beweisführung wackelt, macht nix, die ganze Show wackelt ja auch. RTL Nitro hielt es für eine tolle Idee, "Tutti Frutti" ins Comeback zu schicken. Am Freitag um 22 Uhr 05 also gibt es die "2.0-Version der legendären TV-Show" (Pressemappe-O-Ton).
Nach wenigen Minuten Sichtung kommt eine Frage herauf, die über 90 Minuten nicht wieder abtauchen will: War das eine gute Idee? Antwort: Was daran kann eine gute Idee sein? Vielleicht die "Es war einmal..."-Perspektive. Wer 1990 bis 1992 die drei Staffeln und 150 Ausgaben gesehen hat und jetzt Ausschnitte davon sieht, der erinnert sich, wie es war und wie er damals als Zuschauer war - das vielleicht heimliche Gucken, die Schielen nach den nackten Brüsten, ein sexistisches Spiel ohne Regeln, das möglichst viel nackte Haut produzieren sollte. Hugo Egon Balder moderierte souverän eine offenbar sinnlose Fernsehsendung mit durchschnittlich vier Millionen Zuschauern. Mit "Tutti Frutti" holte das (kommerzielle) Fernsehen nach, was das Kino mit den Lederhosen-Rammeleien schon erledigt hatte.
So stilsicher wie "Modern Talking"
"Tutti Frutti" bei RTL war die deutsche Version des italienischen Originals "Colpo Grosso". "Tutti Frutti" war so stilsicher wie "Modern Talking". Übertriebenes Outfit, eingängig, nur Gefühl, kein Gedanke, Augenfutter, ernstgemeint bei aller Karikatur. Sechs Frauen, benannt nach Früchten, bildeten das Cin-Cin-Ballett. Balder, die Assistentin Monique Sluyter, das Roulette, die Bademäntel, die Slot-Maschine hielten die Erotikshow für den Mittelstand am Laufen.
Hugo Egon Balder ist bei der Neuauflage nicht mehr dabei. Ob er geahnt hat, was da kommen wird? Dem früheren "Tutti Frutti" konnte man alles übelnehmen, beim Comeback kommt ein entscheidender Minuspunkt hinzu: Es ist billig gemachtes Fernsehen, die ironische Pointe, auf billig gemachtes Fernsehen, entfällt.
Warum billig? Die ganze Produktion findet in einem Berliner 08/15-Club statt. Keine Showtreppe, ein Kinder-Roulette, die Eurogirls in eine Sitzgruppe zusammengepfercht, der eine Moderator, Alexander Wipprecht, trägt einen brauen Businessanzug, der andere, Jörg Draeger, trägt Smoking. Beide studieren ihre Kärtchen, als müssten sie sich orientieren, in welcher Show sie sich gerade befinden. Die Sendung wirkt, als sei sie im Husch-Husch-Verfahren aufgezeichnet worden. Getreu dem Rechnungs-Motto: Viel Minuten Fernsehen für wenig Geld.
Bei Mario Barth platzt gleich der Reißverschluss
Mag jeder Zuschauer für sich entscheiden, ob dieses Format auch 2016 noch funktioniert. Ich glaube nicht. Dieses Hi-Hi-Hi, wir machen da was Verruchtes, diese Pennäler-Vorfreude auf Nacktes. Es ist peinlich, weil Draeger/Wipprecht so tun, als würden Sie mit einer Fernsehshow-Sensation dealen. Und dann Mario Barth, der so tut, als würde ihm der Reißverschluss platzen. Mann!
"Tutti Frutti" reloaded geht nicht als 2.0-Version. Was geht, ist die Erinnerung an eine Fernsehsendung von 1990. Was ein wenig verblüfft: Wie Menschen altern, mal so, mal so.
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