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Einer macht, der andere wacht. Dinnertafel 2018 in Davos mit US-Präsident Donald Trump (links) und Forumschef Klaus Schwab (hinten rechts).
© SWR/World Economic Forum 2018

Arte-Doku zum Weltwirtschaftsforum: Der globale Dorfpolizist

„Der Ort, wo sich all die Bösen treffen“? Eine Arte-Doku über das Weltwirtschaftsforum Davos und dessen Gründer Klaus Schwab.

Global village – dieses geflügelte Wort aus der Feder des Medientheoretikers Marshall McLuhan interpretierte Klaus Schwab auf seine Weise. Seit nunmehr 50 Jahren versammelt der Wirtschaftswissenschaftler Staatsoberhäupter und Entscheidungsträger aus der Industrie im beschaulichen schweizerischen Skiort Davos, den er so buchstäblich zu einem „globalen Dorf“ machte.

Eine Arte-Dokumentation blickt erstmals hinter die Kulissen des alljährlich stattfindenden Weltwirtschaftsforums, das in diesem Jahr vom 21. bis zum 24. Januar dauert [„Das Forum – Rettet Davos die Welt?“ Arte, Dienstag, 20 Uhr 15].

Zu Beginn schweben die Hubschrauber der Mächtigen über Bergketten ein, fast so wie in einem James-Bond-Spektakel. Im Wechsel mit den bühnenreifen Auftritten der Regierungschefs konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf den deutschen Forumsgründer Klaus Schwab. Der 81-jährige Ökonom kümmert sich persönlich um praktisch alles, vom Briefpapier für ein Schreiben an Angela Merkel bis hin zu Fragen der Sitzordnung beim Dinner.

Die persönliche Bekanntschaft seines Vaters mit Ludwig Erhard sensibilisierte den inzwischen emeritierten Professor, Fachgebiet Unternehmenspolitik, für die soziale Marktwirtschaft. Unternehmen, so seine Devise, müssen auch in die Pflicht genommen werden.

Dank dieses Credos hat der feinfühlige Diplomat Weltgeschichte mitgeprägt. Unter seiner Ägide wurde 1988 die Zypernkrise beigelegt. 1990, zweieinhalb Monate nach dem Berliner Mauerfall, führten Hans Modrow und Helmut Kohl in Davos ein wegweisendes Gespräch über die Wiedervereinigung Deutschlands.

Machtlos war die Diplomatie jedoch im Jahr 2001. Der Film erinnert an die verfehlte Begegnung zwischen dem damaligen israelischen Außenminister Shimon Peres, der PLO-Chef Yassir Arafat in Davos demonstrativ die Hand reichte und von diesem mit einer aggressiven Brandrede brüskiert wurde. Acht Monate später steuerten islamistische Attentäter Flugzeuge ins World Trade Center.

Der Beginn eines Dialogs zwischen den Generationen?

Marcus Vetter, mehrfach preisgekrönter Dokumentarfilmer, interessieren solche Schlüsselmomente der Weltpolitik nur am Rande. Sein Film, der Schwab über zwei Jahre bei den Vorbereitungen des WEF von 2018 und 2019 begleitet, bezieht eine globalisierungs- und kapitalismuskritische Position. So attackiert er Schwab rüde wegen der Beziehungen des Forums zum Glyphosat-Hersteller Monsanto.

Davos, so stellt es der Film dar, ist „der Ort, wo sich all die Bösen treffen“. Dies sind die Worte von Mike Townsley, Kommunikationschef von Greenpeace, deren Executive Director Jennifer Morgan in diesem Film gefühlt ebenso viel Redezeit bekommt wie Schwab.

Morgans Strategie: „Klaus Schwab sollte definitiv aufgerüttelt werden.“ Dieses Ansinnen unterstützt der Film, indem er die Rede der Klimaaktivistin Greta Thunberg, die am Rande des WEF 2019 einen eher bescheidenen Auftritt hatte, zum dramaturgischen Höhepunkt werden lässt.

Der Appell der schwedischen Umweltaktivistin an Journalisten wird mit Schmalzgeigen überhöht. Dagegen sind bei der später folgenden Ansprache des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro unheilsträchtige Töne zu hören.

„Das Forum – Rettet Davos die Welt?“ ist ein heterogener Film. Mit einem kleinen Drehteam ist der Regisseur zwar immer wieder dabei, wenn Klaus Schwab Donald Trump, Emmanuel Macron oder Theresa May empfängt. In den bilateralen Treffen zwischen dem Forumsgründer und den Staatschefs wurde er meist „nach wenigen Minuten gebeten zu gehen, und ich konnte nur das Anfangsgeplänkel übers Wetter einfangen“.

In einigen Momenten immerhin hält der Film das Versprechen eines Blicks hinter die Kulissen der Macht. So wendet sich Al Gore einmal zwischen Tür und Angel an die Delegation von Jair Bolsonaro. Auf dem spiegelglatten Parkett der internationalen Diplomatie lässt der brasilianische Rechtspopulist den früheren US-Vizepräsidenten und Klimaaktivisten jedoch nicht ganz so gut aussehen.

Am Ende ist die Kamera dabei, wenn Klaus Schwab einen Brief an die über 60 Jahre jüngere Greta Thunberg schreibt. Der Ökonom lädt sie offiziell zum Forum 2020 ein. Ist das der Beginn eines Dialogs zwischen den Generationen?

Manfred Riepe

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