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Außen ein Block, innen Rock. Das Hard Rock Hotel in Davos.
© Promo

„Hard Rock Hotel in der Schweiz“: Klampfsport im Schnee

Davos steht für Geld und Gipfel. Doch statt diskret kann es jetzt auch laut. Zu Besuch in Europas erstem Hard Rock Hotel.

Das erste Klischee kommt den Berg nicht hoch. Der Porsche hat keine Winterreifen aufgezogen, fast 400 PS verpuffen nutzlos. Die Kutsche etwas weiter die Straße runter bringt ein paar Touristen dagegen sicher und in dickes Fell gekuschelt um die Kurve. Auch bei Pferdestärken gilt: Qualität geht vor Quantität.

Ausgerechnet Davos. Dieses diskrete Kaff in den Schweizer Alpen, wo sich sehr reiche Menschen zum Skifahren treffen, oder um die Weltwirtschaft zu lenken. Hier steht Europas bislang einziges „Hard Rock Hotel“ der gleichnamigen Café-Kette, in denen laute Touristen fettige Burger bestellen und Selfies vor E-Gitarren machen. So weit die Vorurteilslage. Kann das gut gehen?

Check-in. Die Mitarbeiter an der Rezeption tragen Namensschilder in der Form eines Plektrums, neben dem Vornamen steht da auch die jeweilige Lieblingsband notiert – von ZZ Top bis Eminem. An der Wand hängen ein paar Gitarren, die Gäste sich aufs Zimmer liefern lassen können wie andernorts Clubsandwiches. Einige der Instrumente sind gerade nicht verfügbar – ausgeliehen für ein Fotoshooting mit Instagrammern.

Eine Fender Telecaster ist noch übrig, kein billiges Einsteigermodell und gut gepflegt. Ein winziger Verstärker mit Kopfhörern hilft, die Nachbarn nicht mit verzerrten Riffs zu belästigen. In die Bettwäsche sind kleine Gitarren eingestickt, auf Wunsch kann man an der Rezeption ebenfalls einen Plattenspieler bestellen. Was es nicht gibt, ist ein Fernseher. Macht nix, das Zimmer liegt im Erdgeschoss. Ihn vom Balkon zu werfen, wäre nicht sonderlich spektakulär.

Man könnte stundenlang weiterklampfen, aber erst mal lohnt sich eine Runde durch Davos. Gut 10 000 Einwohner leben hier, verglichen mit den üblichen Alpendörfern eher das Flair einer Stadt. Wo, wenn nicht auf der Promenade, treffen sich die Reichen und Schönen und Mächtigen? Nun, schön sind sie hier, doch falls reich oder gar mächtig, lassen sie es sich nicht anmerken. Sie sehen zwar auch nicht aus wie Rocker, doch statt edlem Schmuck liegen in den Schaufenstern Skischuhe und Funktionsjacken. Ziemlich entspannt. Die meisten Autos sind keine protzigen Sportwagen. Und praktisch alle haben Winterreifen.

Der Burger ist schwarz, das soll so sein

Zurück ins Hotel, Mittagessen. Die Speisekarte im Restaurant „Sessions“ hat die Form einer Schallplatte, die Gerichte tragen die Namen berühmter Rockmusiker, deren Leibspeisen das angeblich seien, etwa „Ariana Grande’s American BBQ Platter“. Bei einigen wird sich das bald eventuell ändern müssen, manches Management mag offenbar seine Stars nicht mit Spare Ribs und Mac ’n’ Cheese verbunden sehen.

Die Wahl fällt auf den Burger. Das Brot ist schwarz, zum Glück gefärbt und nicht verbrannt. Die ersten Bissen schmecken gut, bis die jungen und schönen Influencerinnen und Influencern am Nebentisch ihre Salätchen bekommen und man an der Wand das Hemd eines späten Elvis in einer Glasvitrine entdeckt, aus dem sich ein Après-Ski-Zelt nähen ließe. Der Hunger weicht dem schlechten Gewissen.

Das Shirt ist nicht die einzige Sehenswürdigkeit, 25 solcher Memorabilien beherbergt das Davoser Haus. Thomas Caduff arbeitet fürs Hotel und lädt zu einer Führung ein. Hinter dem Empfang hängt ein Engelskostüm von Björk, Madonna und Lady Gaga haben hier Bühnenoutfits abgegeben, die neben besagtem Shirt des King noch viel zierlicher aussehen.

Showfenster. Im Hotel sind mehrere Popstar-Memorabilia ausgestellt.
Showfenster. Im Hotel sind mehrere Popstar-Memorabilia ausgestellt.
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US-Rapper Will.I.Am brachte einen Schal persönlich vorbei, als er wegen des jährlich im Januar stattfindenden Weltwirtschaftsforums in der Stadt war. Die Gitarre von George Harrison buhlt im Duo mit der von Bruce Springsteen im Restaurant um Aufmerksamkeit, das Keyboard von Depeche Mode lagert einsam in einer Vitrine im Keller. Vielleicht, weil die Musiker selbst darauf versehentlich mit „Depehhe Mode“ signierten.

Angefangen hatte der Mythos „Hard Rock“ 1971. Zwei Amerikaner betrieben ein Café in London, Eric Clapton war dort regelmäßiger Gast. Irgendwann überließ er den Betreibern eine seiner Gitarren – angeblich, um damit seinen Stammplatz zu markieren. Wenig später kam „The Who“-Gitarrist Pete Townshend vorbei, fand, dass er da nicht hintenanstehen dürfe und schenkte ebenfalls eine Klampfe her. Heute sind die 25 Exponate im Davoser Hotel nur ein Bruchteil der Sammlung, die etwa 70 000 Ausstellungsstücke umfasst.

Der Vibe-Manager kümmert sich um die Musik im Haus

Thomas Caduff erzählt das alles mit dem Stolz eines Fans. Der 32-Jährige hört auf die Berufsbezeichnung Vibe-Manager. Das heißt, er ist so was wie DJ, Tourmanager und Roadie in einem. Die Playlists an der Bar und im Restaurant erstellt er persönlich, außerdem kümmert er sich um die Livemusik, die es jede Woche gibt. Meist Schweizer Bands, das ist erstens logistisch einfacher und zweitens lockt es auch die Einheimischen ins Hotel. Denn ohne die ist ein Hotel zum Scheitern verurteilt, lautet die Philosophie des Hauses.

Bevor Caduff an diesem Abend weiter muss, um der Rockband beim Soundcheck an der Bar zu helfen, will er noch unbedingt seinen ganzen Stolz präsentieren: die „Chapel“. Das Haus war früher ein Sanatorium, steht unter Denkmalschutz. Davos ist ein bekannter Luftkurort wegen seiner Lage in über 1500 Meter Höhe. Tuberkulose-Patienten kamen zuhauf hierher. Nachzulesen in Thomas Manns „Zauberberg“ und in Max Frischs „Stiller“.

Zum Klinikgebäude zählte auch eben jene Kapelle. Messen werden hier keine mehr gehalten, stattdessen finden immer mal wieder Konzerte statt. Heute nicht, aber Caduff will wenigstens einmal die Audioanlage präsentieren. Und tatsächlich – die Akustik ist brillant, die Atmosphäre bei warmem Licht, hohen Decken, dunklem Holz und rotem Teppich fast festlich. Angemessen für ein Hotel, in dem man sich fühlt, als wohne man im Resonanzkörper einer Gitarre.

Für Liebhaber und Musik-Nerds wird es hier nie langweilig, und es ist auch nicht so aufdringlich wie in manchen der Touristencafés andernorts, wo man es selbst als Fan lauter Töne kaum länger als zwei Stunden aushält, ohne mit Reizüberflutung das Weite zu suchen. Noch ein Vorteil: Die Musik in Bar und Restaurant ist zwar nicht unbedingt voller Neuentdeckungen, aber immerhin läuft nicht alle zwei Stunden „Smoke on the Water“.

Die Ruhe beim Schneeschuhwandern tut gut

Trotzdem, Zeit für ein Solo: Am nächsten Morgen freut man sich auf ein bisschen Ruhe. Weder Musikhotel noch Skipiste scheinen dazu geeignet zu sein, eine Schneeschuhwanderung kommt wie gerufen. Die Saison ist noch jung, die Pfade kaum ausgetreten. Vorbei an Tannenwäldern, über Loipen und durch frische Tiefschneefelder geht es raus aus dem Tal.

Je höher man kommt, desto stiller wird es, desto besser auch der Blick auf den Ort. Kaum Fachwerkhäuser, keine Spitzdächer. Wegen der hohen Lage und der damit verbundenen Kälte wäre die Gefahr von herabstürzenden Eiszapfen zu groß. So etablierte sich das, was in der Architektur „Davoser Flachdach“ heißt. Für Laien sieht das aus wie jedes andere Flachlandflachdach, dank einer speziellen Stützkonstruktion hält es jedoch auch meterhohen Schneelasten stand.

Tee und Nüsschen vor einer alten Holzhütte geben Energie für den Abstieg. Einige neonbunte Langläufer kreuzen den Weg, im Tal wird’s langsam trubelig, Après-Ski geht los. Je lauter der Schlager aus der Partyhütte dröhnt, desto mehr freut man sich auf die Dauerbeschallung im Rockhotel. Die Zehen sind mittlerweile eisig, Zeit, sich aufzuwärmen im „Rock Spa“. Das stellt sich dann allerdings als moderner, ziemlich gewöhnlicher Wellnessbereich heraus. Nur mit mehr Influencern am Pool.

Live is Life. Am Wochenende treten Bands aus der Umgebung an der Hotelbar auf.
Live is Life. Am Wochenende treten Bands aus der Umgebung an der Hotelbar auf.
© Christian Vooren

Entspannung der besonderen Art verspricht dagegen die „Rhythm & Motion Signature Massage“. Währenddessen hängt einem überm Kopf eine Art Käseglocke, aus der Musik kommt. Die Liege selbst vibriert zum Bass. Anfangs ist das gewöhnungsbedürftig, am Ende ziemlich erholsam. Den Teil dazwischen hat man leider verschlafen. Fade-out.

Tiefenentspannt will man am liebsten nur noch ins gitarrenbestickte Bett gleiten wie der Antitypus eines Rockstars, verlässt dann aber doch noch mal das Hotel, nimmt die Seilbahn hoch zur Schatzalp – ebenfalls ein ehemaliges Sanatorium, das heute Käsefondue in rustikal gemütlichem Holzhüttenambiente serviert –, marschiert mit einer Fackel auf dem Wanderweg den Berg hinab und direkt an die Hotelbar. Dort trifft man dann tatsächlich noch auf einige Einheimische, die wegen der Bluesband gekommen sind. Oder wegen des Biers. Es scheint jedenfalls, als würden Davos und Hard Rock sich doch nicht ausschließen.

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