Bertelsmann übernimmt Gruner + Jahr komplett: "Der Deal wird folgenreich sein"
Statt Verkauf nun Übernahme der restlichen Anteile an Gruner + Jahr: Bertelsmann wird Alleinherrscher über "Stern", "Brigitte" und "Geo". Auch beim "Spiegel" hat Gütersloh bald noch mehr zu sagen.
Wieder einmal ist es ganz anders gekommen als erwartet: Nachdem noch vor einem halben Jahr in der Medienbranche darüber spekuliert worden war, dass des Hamburger Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr durch eine rigiden Sparkurs für den Verkauf hübscht gemacht werden sollte, hat die Entwicklung nun eine andere Wendung genommen: Bertelsmann als Mehrheitseigentümer von Gruner + Jahr übernimmt nun von der Familie Jahr die restlichen Anteile am Zeitschriftenverlag, zu dem unter anderem „Stern“, „Brigitte“ und „Geo“ gehören. Am Spiegel-Verlag hält Gruner + Jahr zudem eine Sperrminorität, so dass an der Ericusspitze keine Grundsatzentscheidung ohne den Segen aus Gütersloh getroffen werden kann.
Gleiches galt bislang für die Jahr-Familie, die an Gruner + Jahr ebenfalls 25,1 Prozent der Anteile gehalten hat. Die Übertragung der Anteile erfolgt zum 1. November. Darauf haben sich die Gesellschafter verständigt, teilte Bertelsmann am Montag mit. Der Aufsichtsrat von Bertelsmann habe der Transaktion bereits zugestimmt. Zum Kaufpreis machten beide Seiten keine Angaben.
Welche Auswirkungen die Übernahme der restlichen Anteile durch Bertelsmann haben werde, sei frühestens in einigen Wochen absehbar, urteilte der Leipziger Medienforscher Michael Haller. „Einen direkten Zusammenhang mit dem Machtkampf im ,Spiegel‘ sehe ich allerdings nicht“, sagte er dem Tagesspiegel. Ganz sicher aber sei, dass der Deal „für das Portfolio von Gruner + Jahr folgenreich sein wird“.
Der Verlag steckt derzeit in einem Strukturwandel vom klassischen Zeitschriftenverlag hin zu einem digitalen Haus der Inhalte. G+J-Vorstandschefin Julia Jäkel hatte 2013 die Wende geschafft: Nach einem Verlustjahr gab es wieder einen Gewinn von 81 Millionen Euro. Das operative Ergebnis war jedoch rückläufig, ebenso der Umsatz mit 2,07 Milliarden Euro.
Gruner + Jahr baut in Deutschland 400 Arbeitsplätze ab
G+J hatte im August angekündigt, in den kommenden drei Jahren rund 400 Arbeitsplätze in Deutschland zu streichen. Angesichts rückläufiger Marktentwicklungen im Printgeschäft sollen in diesem Zeitraum 75 Millionen Euro eingespart werden. Im Inland waren bei Bertelsmann rund 2400 Mitarbeiter, weltweit mehr als 10 000 Mitarbeiter beschäftigt. Dass Bertelsmann nun die restlichen Anteile übernimmt statt sich von Gruner + Jahr zu trennen, kann entweder darauf hindeuten, dass sich der Zeitschriftenverlag nun tatsächlich auf dem Weg der wirtschaftlichen Erholung befindet. Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Rabe hat die Komplettübernahme „ein weiteres klares Bekenntnis zum Journalismus“ genannt. Bertelsmann unterstütze den Umbau des Hamburger Medienhauses „uneingeschränkt“ und wolle auch in Zukunft die nötigen Mittel dafür bereitstellen. Aber auch eine andere Erklärung halten Beobachter für möglich: Angesichts weiterhin sinkender Auflagen und fallender Anzeigenerlöse sei ein Verkauf von Gruner + Jahr zu einen für Bertelsmann annehmbaren Preis nicht möglich gewesen. Und an einem anderen Minderheitsgesellschafter an Stelle der Jahr-Familie habe man in Gütersloh kein Interesse gehabt. Ohne Kenntnis der Vertragsdetails könne über die Hintergründe der Transaktion jedoch nur spekuliert werden, sagte Medienforscher Haller.
Zeitaufwendige Absprachen mit anderen Eigentümern wird es nun jedenfalls nicht mehr geben. Mit der neuen Eigentümerstruktur könne Gruner + Jahr künftig noch schneller auf digitale Marktveränderungen reagieren, sagte Rabe. Die Zusammenarbeit mit anderen Bertelsmann-Unternehmen könne ausgebaut, Wissen und Ressourcen könnten besser genutzt werden. Winfried Steeger, Geschäftsführer der Jahr Holding GmbH, betonte, Bertelsmann sei „der geeignete Eigentümer, um G+J in eine gute Zukunft zu führen“.
Mitarbeiter um verlegerischen Anspruch in Sorge
Ob diese Zukunft tatsächlich Bertelsmann heißt, wird jedoch von einigen Beobachtern bezweifelt. Dass es jetzt nicht zum Verkauf von Gruner + Jahr gekommen sei, heiße nicht, dass der Plan grundsätzlich aufgegeben worden sei. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, nach Umsetzung der Sparmaßnahmen sei die Braut erheblich attraktiver, wenn nicht Anfang 2015, dann später. Noch größer ist allerdings die Sorge von G+J-Journalisten um den verlegerischen Anspruch nach dem Ausstieg der Jahr-Familie. Die Aussetzung des Henri-Nannen-Preises im nächsten Jahr galt vielen bereits als Menetekel für die neue Macht der Kaufmänner im Verlag.
Kurt Sagatz
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