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Mein Mann, dein Mann. Helga Beimer (Marie-Luise Marjan) und Anna Ziegler (Irene Fischer)
© WDR

"Lindenstraße"-Urgestein Irene Fischer im Interview: „Den Teufel würd’ ich tun“

Nach zwei Jahren Pause kehrt "Lindenstraße"-Urgestein Irene Fischer als Anna Ziegler in die ARD-Serie zurück. Die Schauspielerin und Autorin über Depressionen, US-Serien und die Lust am Rauchen.

Frau Fischer, Sie kommen als Anna Ziegler ja rechtzeitig zurück in die „Lindenstraße“.

Wieso?

Anna Zieglers Mann, Hans Beimer, sieht nicht gut aus, scheint krank zu sein.
Ja, ihre Tochter Sarah hat sie darum gebeten. Da bahnt sich möglicherweise etwas an. Das war von Anfang an so konzipiert, gerade auch, weil Anna Ziegler damals mit ihrem Abschied von Hans Beimer unpopulär gehandelt hat.

Was Nicht-„Lindenstraße“-Gucker vielleicht noch mehr interessiert: Sie haben danach über zwei Jahre vor der Kamera pausiert, Ihre Krankheit, Ihre Depression und den Brustkrebs dabei öffentlich gemacht. Warum?
Ich bin sehr bei der Lebenshilfe engagiert und sammele in Lesungen Geld. Dann wurde ich von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gefragt, ob ich Botschafterin werden möchte für Menschen mit Behinderungen, auch krankheitsbedingte Behinderungen. Es wäre total verlogen gewesen, zuzusagen, ohne öffentlich zu machen, dass ich selber unter Depressionen leide.

Woher kamen Ihre Depressionen?
Es ist mir wirklich schwergefallen, darüber zu reden. Sie wurden durch eine Narkose ausgelöst, sie waren keine Reaktion auf ein schreckliches Ereignis. Nach einer Narkose stand ich richtig neben mir und habe ewig nicht herausgekriegt, was mit mir ist. Ich bin glücklich verheiratet, habe den schönsten Job der Welt. Das war nicht zu verstehen.

Und dann?
Mein Bruder riet mir, mich in der Psychiatrie abchecken zu lassen. Natürlich hatte ich genau die Reaktionen, die ein solcher Ratschlag bei allen auslöst: „Wie bitte? Nur weil ich extreme Schlafstörungen habe, bin ich doch noch lange kein Fall für die Psychiatrie!“ Ich bin dann aber doch hin, die Diagnose war relativ einfach. Bestärkt hat mich in meinem Entschluss, dass sich ein sehr guter Bekannter, Familienvater von drei Kindern in der Pubertät, das Leben genommen hat. Kein Mensch wusste von seinen Depressionen.

Was hätte er tun sollen?
Es hat keinen Zweck, immer zu versuchen, diese Krankheit zu verheimlichen. Was für eine Energie dabei draufgeht. Eine Energie, die man im Grunde ja gar nicht zur Verfügung hat.

Wie beim Fall Robert Enke.
Genau. So etwas darf nicht passieren. Deshalb habe ich mich in der Kombination mit diesem Antidiskriminierungsjob mit meiner Depression, ja, geoutet. Ich sagte: Ich bin eine von euch. Das mit der Depression geht auch nicht vorbei. Ich werde lange Medikamente nehmen.

Hat sich in der öffentlichen Wahrnehmung, in der Akzeptanz in Sachen Depressionen nach dem Selbstmord von Robert Enke 2009 nicht etwas geändert?
Nicht wirklich. Wenn mich jemand fragen würde, ob er seine Depressionen bei einem Bewerbungsgespräch angeben solle, würde ich sagen, den Teufel würde ich tun, nein, mach das nicht. Die Leute denken automatisch, dass man nicht mehr so belastbar ist. Dabei gilt Depression längst als Volkskrankheit.

Sie können diese Themen ja nun auch in die Serie bringen. Schreiben Sie eigentlich lieber die Drehbücher zur „Lindenstraße“ oder bevorzugen Sie das Spielen?
Das hält sich die Waage. Ich schreibe für mein Leben gerne, aber es ist ein sehr einsamer Job, der viel Selbstdisziplin erfordert. Nach einem langen Dreh sehne ich mich allerdings auch wieder nach meinem Schreibtisch, nach meiner Ruhe.

Als Autorin einer deutschen TV-Serie müssen Sie doch sehnsüchtig all die tollen US-Serien bewundern.
Ja, wenn wir so etwas hier umsetzen könnten, wenn wir ein bisschen mehr Spielraum hätten. Ich war Fan der ersten Staffeln von „True Blood“, dann von „Game Of Thrones“, aber das ist mir jetzt doch zu blutig geworden. Ganz großartig ist „True Detective“. Alleine wie Matthew McConaughey da raucht!

In der „Lindenstraße“ wird nun nicht mal mehr Silvester gefeiert. Die Feier-Folge fiel zuletzt Sparzwängen zum Opfer, erstmals in fast 30 Jahren.
Ich weiß nur, dass in diesem Jahr und in 2016 jeweils 48 Folgen geplant sind. Und ich finde, dass wir uns mit der Quote sehen lassen können. Logisch, dass wir nicht mehr so viele Zuschauer haben wie noch vor Jahren. Aber auf drei Millionen Zuschauer müssen Sie am frühen Sonntagabend erst mal kommen.

Irene Fischer, 55, Autorin der „Lindenstraße“. Spielt seit 1987 die Anna Ziegler (r.). In der nächsten Folge (Sonntag, ARD, 18 Uhr 50) kehrt die ewige Rivalin von Mutter Beimer (Marie-Luise Marjan) nach zwei Jahren in die Familienserie zurück.

Markus Ehrenberg

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