Bedenken gegen Spotify abgelegt: Böhmermann und Schulz wechseln die Seiten
Kommerz-Streaming statt Öffentlich-Rechtlich heißt es künftig für den Radio-Podcast von Jan Böhmermann und Olli Schulz. Vor drei Jahren bezeichneten sie Spotify noch als "Scheiß-Plattform".
Jan Böhmermann und Olli Schulz hatten bislang keine gute Meinung über den Streaming-Dienst: „Spotify ist so eine Scheiß-Plattform, wo der Künstler keine Kohle bekommt“, sagten sie vor drei Jahren in ihrer RadioEins-Sendung am Sonntagnachmittag. Just mit dem Radioformat „sanft und sorgfältig“, das zuletzt auch auf You FM vom Hessischen Rundfunk, Bremen Vier von Radio Bremen, N-Joy vom Norddeutschen Rundfunk und Puls vom Bayerischen Rundfunk sowie als Podcast lief, ziehen der Komiker und der Musiker nun zu Spotify um.
Der Streamingdienst finanziert sich sowohl über Abogebühren als auch über Werbeeinnahmen. Weltweit hat Spotify nach inoffiziellen Zahlen inzwischen an die 100 Millionen aktive Nutzer, davon über 30 Millionen zahlende Abonnenten. Der Podcast von Böhmermann und Schulz wird sowohl von den Abokunden als auch von den Nutzern des werbefinanzierten Angebots abzurufen sein. „Wir glauben nicht an die reine Premium-Strategie mit ausschließlich zahlenden Kunden“, heißt es von Spotify. In der Musikwelt wird über diese Frage kontrovers diskutiert. Erfolgreiche Musiker wie Taylor Swift oder Adele lehnen es ab, mit ihren Songs auf Streamingdiensten gelistet zu werden, die auch einen kostenlosen, aber werbefinanzierten Zugang anbieten. Der Podcast von Böhmermann und Schulz wird zwar exklusiv für Spotify produziert, er soll aber sowohl für Abokunden als auch im werbefinanzierten Bereich zur Verfügung stehen.
Die Entscheidung für Spotify ist für Böhmermann und Schulz ein echter Systemwechsel. Statt öffentlich-rechtlich auf einer allgemein und kostenlos zugänglichen UKW-Frequenz und über den Internetstream der Sender sind die beiden also künftig bei einem kommerziellen Streamingdienst beschäftigt. „Die Tinte unter der Vereinbarung ist sozusagen trocken“, bestätigte ein Sprecher des aus Schweden stammenden Unternehmens dem Tagesspiegel. Ansonsten steht bislang nur fest, dass das Podcast-Format in wenigen Wochen starten soll. „Details zu Startzeitpunkt, Inhalten und dem weiteren Konzept werden in den nächsten Wochen bekannt gegeben“, sagte der Sprecher. Ob es neben dem Podcast von Böhmermann und Schulz weitere deutsche Sendungen geben wird, mit denen Spotify im Rahmen einer Content-Offensive um neue Kunden wirbt, wollte das Unternehmen nicht kommentieren. Am Montag hatte Böhmermann zudem mitgeteilt, dass das „Neo Magazin Royale“ am 12. Mai fortgesetzt wird.
RBB: Wir hatten keine Chance zum Mitbieten
Fest steht dagegen, dass die Entscheidung pro Spotify und gegen die Fortführung von „sanft und sorgfältig“ auf RadioEins und den angeschlossenen ARD-Wellen „völlig unabhängig“ von den Geschehnissen rund um das Erdogan-Gedicht des „Neo Magazin Royale“-Moderators gefällt wurde. Sie hätten schon seit Längerem darüber nachgedacht aufzuhören.
„Wir sind von dieser Entscheidung überrascht und bedauern sie sehr. Nun müssen wir uns erst einmal sammeln“, hatte RBB-Sprecher Justus Demmer dem Tagesspiegel gesagt und zugleich angekündigt, dass der Sender in Kürze erklären werde, wie es auf dem Sendeplatz weitergehen soll.
Offenbar ging es beim Wechsel zu Spotify vor allem um Geld, sehr viel Geld. „Wir hatten nicht einmal die Chance mitzubieten“, sagte der RBB-Sprecher weiter. Am Montagabend hatte sich ein „sehr trauriger“ RadioEins-Programmchef Robert Skuppin über den Sender zum Weggang der beiden geäußert. „Die Entscheidung von Jan Böhmermann und Olli Schulz hat sich schon länger abgezeichnet. Wir wussten, dass sie Verhandlungen geführt haben“, sagte er auf RadioEins – ohne jedoch mitzuteilen, dass es um den Wechsel zu Spotify ging. Vom RBB hieß es dazu: „Wir bieten mehr als nur Geld, bei uns gibt es zudem eine Redaktion, eine Produktion und das Sendungsumfeld.“
Das Verhältnis von Musikern und Spotify ist übrigens keineswegs grundsätzlich schlecht. „Wir haben kein Problem mit dem Streamingdienst“, heißt es beim Musikrechteverwerter Gema. „Das sind Profis, die wissen, dass sie mit Musik Geschäfte machen und haben ihre Verantwortung für die Urheber akzeptiert.“