Öffentliche-Wlan-Hotspots: BGH bestätigt Ende der Störerhaftung
Unterlassung nein, Sperranspruch ja: Der Bundesgerichtshof hat erstmals nach dem Wegfall der Störerhaftung über die Haftung bei öffentlichen Wlan-Hotspots geurteilt, aber einige wesentliche Fragen unbeantwortet gelassen.
Gerade jetzt im Sommer freut sich der digitale Zeitgenosse, wenn er draußen in seinem Lieblings-Café das offene Wlan zum Surfen im Web nutzen kann. Der Betreiber des Cafés, der sein Wlan für die Allgemeinheit öffnet, muss künftig nicht mehr dafür geradestehen, wenn jemand seinen Anschluss für illegale Uploads von Musik, Filmen oder Spielen missbraucht, hat der Bundesgerichtshof am Donnerstag entschieden und damit die Abschaffung der sogenannten Störerhaftung bestätigt. Allerdings kann der Rechteinhaber – in diesem Fall am Computerspiel „Dead Island“ – verlangen, dass bestimmte Inhalte gesperrt werden, um eine neuerliche Urheberrechtsverletzung zu verhindern. Um welche Inhalte genau, das sagt der BGH nicht, und hinterlässt damit nach Ansicht von Experten einige äußerst missliche Fragen.
Mit dem Urteil hat der Bundesgerichtshof die seit Oktober 2017 geltenden Änderungen des Telemediengesetzes inklusive der gelockerten Störerhaftung bestätigt und die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Das Verfahren wird an das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückverwiesen. Es muss jetzt entscheiden, welche Vorkehrungen Hotspot-Betreiber treffen müssen. Die Abmahnkosten muss der beklagte Betreiber des Wlan-Hotspots dennoch zahlen, da 2013 noch das alte Telemedienrecht galt. Mit dem Europarecht sei das neue Telemediengesetz vereinbar, weil den geschädigten Firmen immer noch die Möglichkeit bleibe, den Wlan-Betreiber gerichtlich zur Sperrung bestimmter Inhalte zu verpflichten.
Für den Düsseldorfer IT-Rechtsexperten Michael Terhaag ist das Urteil in der Ablehnung des Unterlassungsanspruchs überaus eindeutig und rigoros. Das Geschäft der Abmahnanwälte ist nach seiner Ansicht damit endgültig vorbei. Die Umsetzung des Sperranspruchs dürfte allerdings in der Praxis schwierig werden. „Wenn man sich in Cafés künftig doch wieder für die Wlan-Nutzung registrieren oder der Betreiber Hausregeln erlassen muss, wäre dies ein Rückschritt in die Steinzeit.“
Diese Einschätzung wird vom Berliner Anwalt Ehssan Khazaeli von der Kanzlei Werdermann/von Rüden geteilt. „Die Entscheidung ,Dead Island‘ könnte der Anfang vom Ende öffentlicher Internetzugänge sein“, befürchtet er. Können Betreiber von offenen Wlans nicht nachweisen, welche Schutzmaßnahmen sie ergriffen haben, können sie sie zumindest auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen werden. „Gerade in stark frequentierten Cafés sind Rechtsverletzungen durch Tauschbörsen nichts ungewöhnliches. Ausländische Touristen nutzen diese Programme wie selbstverständlich, weil sie in ihren Heimatländern nicht verfolgt werden.“
Was wird aus dem Tor-Netz?
Das Urteil hat zudem eine Bedeutung für das so genannte Tor-Netz. Es stellt einerseits den Zugangspunkt zum Darknet dar, andererseits dient es Journalisten und Oppositionellen in totalitären Staaten zur anonymen Nutzung des Internets. Das Tor-Netz besteht aus einer Vielzahl von zufällig hintereinander geschalteten Servern. Internet-Anfragen über das Tor-Netz können so nicht bis zum einzelnen Nutzer verfolgt werden, die dadurch anonym bleiben. Der Beklagte im Rechtsstreit um „Dead Island“ hatte einen so genannten Exit-Node betrieben, diese bilden den Übergang zum Internet und sind mit ihrer IP-Adresse sichtbar. Das BGH-Urteil schränkt den Spielraum der Exit-Node-Betreiber wegen des Sperranspruchs zwar ein, macht den Betrieb jedoch nicht unmöglich.
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Die deutsche Sektion der Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen betreibt ebenfalls einen Tor-Server mit einer Schnittstelle zum offenen Internet. Im vergangenen Jahr wurden die Kapazitäten ausgebaut, um noch mehr Anfragen gleichzeitig zu ermöglichen und so die Anonymität der Nutzer zu erhöhen. Mit dem Betrieb des Tor-Servers wolle man letztendlich den journalistischen Quellenschutz und die journalistischen Recherchemöglichkeiten stärken, erläutert ROG-Deutschlandchef Christian Mihr die dahinter stehende Absicht.
Das Urteil des Bundesgerichtshof bedeutet nach Mihrs Einschätzung eine erhebliche Rechtsunsicherheit für die Betreiber von Tor-Servern. Was muss gesperrt werden? Wer entscheidet darüber? Und wie verhält es sich, wenn deutsche Rechteinhaber ausländische Tor-Netz-Betreiber in die Pflicht zur Sperrung nehmen wollen? fragt Mihr. Seine Organisation lehnt es ab, prophylaktisch bestimmte Seiten zu sperren, da auch bei Filesharing-Servern nicht alle Angebote illegal sein müssen, Stichwort: Whistleblower. Entscheidend werde sein, wie die Rechtsprechung nach dem BGH-Urteil ausfallen wird, sowohl bei Wlan-Hotspots als auch bei Tor-Servern.
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