Offene Briefe an die Intendanten: ARD-Mitarbeiter laufen Sturm gegen Umbaupläne
Das Programm des Ersten soll erneuert werden. Die eigenen Mitarbeiter fürchten um das Grundgerüst des Senders.
Bei der Direktorenkonferenz der ARD, die an diesem Dienstag und Mittwoch stattfindet, handelt es sich um ein ganz reguläres Treffen, das schon seit Monaten in den Terminkalendern der Teilnehmer steht.
Doch auch wenn diese „Videoprogrammkonferenz“ keine Sonder- oder gar Krisensitzung ist und die üblichen Themen vom Programm bis zur Finanzierung auf der Tagesordnung stehen, wird ein Punkt dennoch besonders großen Raum einnehmen: der digitale Umbau mitsamt den von ARD-Programmchefin Christine Strobl, Mediatheken-Chef Florian Hager und ARD-Chefredakteur Oliver Köhr geplanten Veränderungen bei den politischen Magazinen und dem „Weltspiegel“.
Die durchgestochenen Pläne haben unter den Beschäftigten der ARD hohe Wellen geschlagen. Inzwischen wurden mehrere Offene Briefe an die Intendanten gerichtet. Zunächst artikulierten die Auslandskorrespondenten der ARD ihre Bedenken gegen eine Verschiebung des Sendeplatzes des „Weltspiegel“.
Um den Montag zum „relevanten Informationstag“ umzubauen, soll das Auslandsmagazin des Ersten vom angestammten Sonntag auf den Montagsplatz im Anschluss an die „Tagesthemen“ rücken, so hatte Strobl die Strategie erklärt.
„Die Verschiebung des seit 58 Jahren eingeübten ,Weltspiegel‘-Sendeplatzes ist eine drastische Schwächung der Auslandsberichterstattung im Ersten“, fürchten die Korrespondenten ebenso wie Zuschauerverluste in der „Todeszone“ nach den „Tagesthemen“. Nach allem, was man jahrelang von der Medienforschung gehört habe, suchen die Zuschauer zu so später Uhrzeit keine Magazinform mehr.
Den Programmauftrag beschädigen
Kurz vor der Direktorenkonferenz haben nun 80 Autoren und Autorinnen unter anderem der Magazine „Fakt“ (MDR); „Kontraste“ (RBB), „Monitor“ (WDR), „Panorama“ (NDR) aber auch der „Story im Ersten“ nachgelegt und laufen ebenfalls Sturm gegen die Umbau-Pläne. Die geplanten Einschnitte im Bereich investigativer, politischer Berichterstattung der ARD würden den „Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und seine Bedeutung im Bereich Information“ erheblich beschädigen“, heißt es in dem Offenen Brief.
Die Reduzierung der Magazine-Sendeplätze, zu denen auch „Report Mainz“ und „Report München“ gehören, von 90 auf 66 Sendungen im Jahr entspräche einer Kürzung um fast 30 Prozent. Zudem würde die Dokureihe „Die Story im Ersten“ abgeschafft. Das führe zu „einer Beschneidung der eigenen publizistischen Bedeutung“, die „das Programm entwerten und den Programmauftrag zuwiderlaufen würde“.
Strobl, Hager und Köhr begründen den digitalen Umbau mit dem Ziel, das Erste einerseits für jüngere Zielgruppen, andererseits für zusätzliche Milieus attraktiver zu machen. Mit einem reinen Umbau des linearen Programms könne dies nicht erreicht werden. Um mit den Streamingdienste konkurrieren zu können, müsse das Abrufprogramm in der Mediathek attraktiver werden.
Dabei hätten die Medienforscher der ARD ausgerechnet, dass gemessen am Zeitvolumen derzeit zweimal mehr Magazin-Sendungen als Dokumentationen in der Mediathek zu finden seien. Auf der anderen Seite würden die Dokumentationen in der Mediathek doppelt so stark genutzt wie die Magazin-Beiträge. Zugleich wird betont, dass kein Magazin eingestellt werde, sondern im Gegenteil die politische Berichterstattung ausgebaut werden und einen neuen Schwerpunkt für investigativen Journalismus erhalten soll.
Kollisionskurs mit dem ZDF
Der Umbau des Programms macht jedoch bei Magazinen und Dokumentationen nicht Halt. Und auch nicht davor, sich an erfolgreichen Ideen der Konkurrenten zu orientieren. Selbst wenn es sich um das ebenfalls öffentlich-rechtliche ZDF handelt. So könnte es am Dienstag nach den „Tagesthemen“ vom kommenden Jahr an einen ARD-Talk in Konkurrenz zu Markus Lanz geben. In dem Format sollen Menschen und nicht ein Thema im Vordergrund stehen. „Wir befinden uns in Gesprächen mit Sandra Maischberger“, sagte Programmchefin Strobl in einem dpa-Gespräch und fügte an, dass es sich dabei nicht um eine zusätzliche Talksendung handeln solle.
Für den Freitag existieren ebenso Pläne, mit denen das Erste das ZDF angreifen würde. „In der Tat suchen wir ein neues Comedy-Format, das auch die regionale Verankerung der ARD im Blick hat, und Freitag ist ein denkbarer Tag“, kündigte ARD-Chefredakteur Köhr an.
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Der Channel-Manager der ARD-Mediathek berichtet zudem von Gesprächen mit Carolin Kebekus. Ein neues politisches Comedy-Format für den Samstag wird gesucht. „Auch in der Unterhaltung sind starke Protagonistinnen wichtig, insgesamt muss unser Angebot diverser werden. Wir brauchen Persönlichkeiten, die das verkörpern – egal an welchem Platz in der ARD“, weiß Florian Hager.
Welche Chancen haben die Kritiker innerhalb der ARD, diese Entwicklung abzuwenden? Eine abschließende Entscheidung über den digitalen Umbau des ARD-Programms gibt es bislang nicht. Fest steht derzeit nur, dass das neue Programmschema Anfang kommenden Jahres greifen soll.
Allerdings sind die Pläne bereits sehr detailliert und weit über das Entwurfsstadium hinaus, auch wenn noch von Leitplanken gesprochen wird, die den Weg in die digitale Zukunft des Ersten vorgeben. Den neuen ARD-Intendanten wurde das Papier von Christine Strobl, Florian Hager und Oliver Köhr bereits vorgestellt. Dem Vernehmen nach haben sie diese Pläne abgenickt.