Mehr Mediathek, mehr Information: ARD baut das Erste großflächig um
Lange wurde um Details des neuen Programms des Ersten gerungen. Zu kurz gesprungen, lautet die Kritik aus Berlin.
Die Intendanten und Intendantinnen der ARD haben am Freitag den großflächigen Umbau des Programms verabschiedet. Alle ARD-Gemeinschaftsangebote sollen so aufgestellt werden, dass sie sich ergänzen und zusammen an Jung und Alt richten, heißt es in einer Mitteilung.
Das umfangreiche Reformprojekt wurde gemeinsam von ARD-Programmdirektorin Christine Strobl, ARD-Chefredakteur Oliver Köhr und Florian Hager, Channel Manager ARD Mediathek auf den Weg gebracht. Nun wurde es nach vorheriger Beratung mit den ARD-Gremienvorsitzenden von den neun Intendanten und Intendantinnen einstimmig verabschiedet. Die Programmreform soll schrittweise – beginnend mit dem Jahr 2022 – umgesetzt werden.
Als übergeordnetes Ziel des digitalen Umbaus wird eine Schärfung des Profils genannt, um damit ein attraktives mediales Angebot für die gesamte Bevölkerung zu schaffen. Im Zentrum der Offensive stehen die ARD-Mediathek mit vielen eigenen und auch neuen Programminhalten sowie die Profilierung des Programms des Ersten unter anderem mit dem Montag als neuen Informationstag der ARD. Ein Teil der Änderungen waren bereits zuvor durchgesickert und auch kritisiert worden.
In der ARD Mediathek sollen der Mitteilung zufolge regelmäßig eigene Programmhighlights angeboten werden, die sich an den Erwartungen der Nutzerinnen und Nutzer für dieses Medium ausrichten. Die Stichworte dazu lauten: zielgruppenspezifisch und divers. Geplant sind „spannende Dokumentationen, besondere Filme und attraktive Serien“.
"Keine Reform, sondern ein Reformpaket"
„Unser Auftrag ist es, Programm für alle zu machen. Was wir gemeinsam beschlossen haben, ist keine Reform, sondern ein ganzes Reformpaket, auf dem Weg zu einem relevanten Inhalte-Netzwerk“, sagte der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow. Die ARD kündigt monatlich exklusive Premieren von relevanten Doku-Serien geben, unter anderen „Bastards“ über ein deutsch-iranisches Wrestling-Team, „Auf dem Weg“ über acht Jugendliche mit Down-Syndrom, die gemeinsam auf eine außergewöhnliche Abenteuer- und Erlebnisreise gehen, eine True-Crime-Reihe über die legendäre Polizeidirektion 65 auf der Reeperbahn der 1970er Jahre, die „Nazijäger“, eine spannend erzählte Geschichte der echten „Inglourious Basterds“ und ein Porträt eines interkulturellen Fußball-Teams in Deutschland.
Zudem werden regelmäßige Dokumentationen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Ausland, Geschichte, Religion, Kultur und Sport gezielt für die Mediathek und ein jüngeres Publikum geplant und produziert.
Jährlich soll es mindestens 25 Premieren von eigenproduzierten und internationalen fiktionalen Serien-Highlights geben, wie „Santa Fu“, eine reale Gefängnisgeschichte unter der Regie von Kida Khodr Ramadan, oder „Lamia“, eine Coming-of-Age-Geschichte über eine junge deutsche Muslimin und ihre Familie. Erfolgreiche Serien wie „All You Need“ oder „Beforeigners“ werden mit neuen Staffeln fortgeführt.
Ausgebaut wird auch das Genre Comedy: Carolin Kebekus erhält zusätzlich zu ihren 16 Shows pro Jahr einen exklusiven Platz in der Mediathek. Mit Tahnee ist eine neue Personality-Show geplant. Comedy-Serien wie „How to Dad“ oder „Marzahn, mon amour“ verstärken ebenfalls das Angebot.
Forderung nach breit gestreutem Kulturbegriff
Doch es gibt auch Kritik an dem Paket, unter anderem aus Berlin. „Regionale Anbindung nur über Krimis (Schwarzwald/Spreewald/Erzgebirge etc.) herstellen zu wollen ist abwegig, „Kultur als Kitt der Gesellschaft“ funktioniert nur, wenn der Kulturbegriff breit gestreut ist“, sagte Dieter Pienkny, Vorsitzender des RBB-Programmausschusses und stellvertretender Vorsitzender des RBB-Rundfunkrates, dem Tagesspiegel „Mit ,TTT - Titel Thesen Temperamente' springt die ARD zu kurz. Warum nicht „Kulturzeit“ von 3Sat als nachahmenswert benennen? Und dass „die Jugend“ auf die Mediathek abfährt, halte ich für ein Gerücht: die holen sich einen Podcast, eine App der ARD oder schauen (Beispiel RBB-Serie „Streetphilosophy“ auf Arte) die Serie vorab auf Youtube, sagt Gremienmann Pienkny.
Mit Blick auf den Informationsauftrag der ARD ist der Umbau des Montags die größte Änderung. Der Tag soll zum neuen Informationstag im Ersten werde. Um 20:15 Uhr werden neben dem Naturfilm hochwertige Dokumentationen und Reportagen aus den Bereichen Politik, Kultur, Wirtschaft, Religion, Geschichte und Sport platziert. Nach „hart aber fair“ und den „Tagesthemen“, dem neuen Wissensformat und filmischen Dokumentationen aus der Themenwelt des „Weltspiegels“ werden die Doku-Reihen aus dem Themenfeld Geschichte und die „ARD Story“ weiterentwickelt und durch das multimediale Reportageformat „Rabiat“ zu einem umfassenden Informationspaket ausgebaut, heißt es dazu in der Mitteilung.
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Ein neues Wissensformat wird für den Montagabend um 22:50 Uhr und die ARD Mediathek entwickelt und mit neuen filmischen Reportagen aus der Themenwelt des „Weltspiegels“ wird ein neuer Schwerpunkt am Montagabend im Ersten geboten. Sandra Maischberger lädt am Dienstag und Mittwoch Gäste aus unterschiedlichen Lebensbereichen zu einem neuen, vertiefenden Gesprächsformat ein.
„Wir wollen informieren, das Geschehen in der Welt und zu Hause beleuchten, faszinieren, unterhalten, zum Nachdenken anregen und unsere Themen und Geschichten bestmöglich an unser Publikum bringen. Nur so können wir auch in Zukunft relevant sein und im Ersten und in der ARD Mediathek ein attraktives Angebot für alle schaffen“, sagt dazu ARD-Programmchefin Christine Strobl.
Neuer Sendeplatz, aber gleicher Sendetag: Der „Weltspiegel“ bleibt im Sonntag
Die Berichterstattung aus der Hauptstadt und dem Ausland wird am Sonntagabend auf über 80 Minuten ausgeweitet und bildet einen neuen journalistischen Schwerpunkt im Ersten. Nach der „Tagesschau“ wird der „Bericht aus Berlin“ um 18 Uhr auf 30 Minuten verlängert. Die Themen aus dem Ausland werden direkt anschließend im „Weltspiegel“ auf einem neuen Sendeplatz um 18:30 Uhr vertieft, die Sendezeit wird dazu auf 45 Minuten verlängert.
Unter dem Label ARD investigativ sollen einmal im Monat spannende Dokumentationen in der ARD Mediathek angeboten werden. Sie entstehen in den ARD Kompetenzzentren für Qualitätsjournalismus, den Redaktionen der politischen Magazine „Fakt“, „Kontraste“, „Monitor“, „Panorama“, „Report Mainz“ und „Report München“. Sie werden den von diesen Magazinredaktionen durchgehend bespielten Sendeplatz am Dienstag und Donnerstag im Ersten komplettieren.
Beim Sport soll es mehr Vereinsfußball aus der 2. Liga am Sonntagabend direkt vor der „Tagesschau“ mit regelmäßigen Topspielen aus den internationalen Fußball-Ligen bereichern das Programmangebot geben. Und im Bereich Kultur soll es die Übertragung regelmäßiger Live-Kulturevents geben, so das Waldbühnen-Konzert der Berliner Philharmoniker und das Deutsche Chorfest in Leipzig in enger Verknüpfung mit dem neuen Kulturnetzwerk der ARD.