"Polizeiruf 110": Alles, was rechts ist
Partei für Freiheit und Sicherheit, Blut-und-Boden-Bullerbü, NSU: Der „Polizeiruf 110“ in Rostock wühlt sich durch Dunkel-Deutschland.
Wichtiger Tipp für unsere Freunde an den Empfangsgeräten: Bitte dreht nicht an den Helligkeitsreglern! Das ist sinnlos beim „Polizeiruf 110: In Flammen“. Er fängt dunkel an, er bleibt über 90 Minuten dunkel und er endet dunkel.
Aber so muss es wohl sein, wenn die öffentlich-rechtliche ARD in die braune Ursuppe taucht . Der Krimi mit den LKA-Beamten Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Alexander Bukow (Charly Hübner) spielt ja nun mal in Rostock. Die Stadt liegt in Mecklenburg-Vorpommern, ein Bundesland, das, stellt man den Betrachtungswinkel nur radikal genug ein, durchaus als Teil von „Dunkeldeutschland“ gelten darf.
König und Bukow bekommen es also mit einer rechtspopulistischen Partei zu tun, die hier Partei für Freiheit und Sicherheit (PFS) heißt und natürlich AfD heißen könnte. Völkische Siedler mit Blut-und-Boden-Ideologie plus Adolf-Hitler-Bildnis in der Chefkate, eine rechtsradikale Untergrundzelle – natürlich fehlt auch die NSU-Spur nicht. Drehbuchautor Florian Oeller bekräftigt, seine Recherchen in den Vierten-Reich-Exerzitien von Meck-Pomm hätten ergeben, dass „jedes Motiv und jedes Milieu seine Verankerung in der Realität hat“.
Die PFS will natürlich demokratisch sein, ihre Kandidatin für das Rostocker Oberbürgermeisteramt, Sylvia Schulte (Katrin Bühring) mit Augen so blau wie jene von Frauke Petry schürt aber mit strammen Parolen – „Es ist Euer Land, holt es Euch zurück!“ – Ängste und Abgrenzung. Die Anhänger jubeln, nichtsahnend, dass Sylvia Schulte nur Stunden später auf einem Acker verbrannt wird.
Sofort sind LKA und Verfassungsschutz zur Stelle und ermitteln in der rechtsradikalen Szene. Sehr unterschiedlich tun sie das, Katrin König und Alexander Buckow. Die studierte König kommt aus einem linken, intellektuellen Milieu, sie argumentiert politisch, polemisiert kompromisslos gegen die „besorgten Bürger“. Buckow ist der Straßenköter, kommt aus einfachen Verhältnissen, er kennt die Menschen besser. Die PFS-Wähler stoßen bei ihm auf Verständnis. Das macht das Verhältnis zwischen den beiden Polizisten nicht einfacher, das überdies angespannt ist. König hat ein Disziplinarverfahren wegen Körperverletzung im Amt am Hals, Bukow hängt mit drin, er hat sie mit einer Falschaussage gedeckt.
Vollgepumpt mit rechtsradikalen Phänomenen
Mit deutlich schlechter Laune, zugleich mit der geforderten Professionalität ackert sich das Duo durch den Mordfall, der wiederum mit allen erdenklichen Phänomenen vom rechtsradikalen Rand aufgepumpt ist . Dieser „Polizeiruf 110“ ist sowohl Themenfilm als auch Krimi. Zuweilen scheinen Autor Oeller und Regisseur Lars-Gunnar Lotz selber nicht zu wissen, welcher Seite sie mehr Gewicht geben wollen. Sie möchten zeigen, was nicht sein sollte, was aber ist, der Zeigefinger bleibt unten (wenn ihn nicht gerade König steil nach oben reckt).
Damit die unübersichtliche Gemengelage noch undurchsichtiger wird, setzt Autor Oeller einen bemerkenswerten Kontrapunkt: Karim Jandali (Atheer Adel) arbeitete als persönlicher Referent für Sylvia Schulte. Der Syrer fällt in einer rechtspopulistischen Partei sowieso auf, dass er zudem einen Flüchtlingsstatus hat, lässt die Ermittler staunen. Jandali, stattlich attraktiv, war mit seiner Vorsitzenden intim, jetzt sitzt er als Hauptverdächtiger beim Verhör. Das ist eine brillante Szene wie manch andere auch, obgleich dieser „Polizeiruf 110“ nicht über 90 Minuten brillant geraten ist.
Beim Verhör setzt König auf die „gekränkte Männerseele“, Schulte soll sich von Jandali getrennt haben, Bukow wirbt für „das erlösende sich Öffnen der Pupillen, wenn man die Wahrheit gesagt hat“. Beide Momente eindringlich inszeniert und von einer Schauspielklasse, die den Rostocker Krimi wie stets vor viele ARD-Krimis setzt. Gut, dass Atheer Adel als Karim Jandali, Patrick von Blume, der den Blut-und-Boden-Vorsteher spielt, und Michael Wittenborn als PFS-Chef die Kapazität haben, gegen Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner zu bestehen. Ein „Solo für Zwei“ wäre in diesem ambitioniert-überladenen Fernsehstück der falsche Gestus.
Die Hektik, dieses Hin- und Herfallen zwischen den Perspektiven legt sich bis zum Schluss nicht, sondern kulminiert im Finale, bei der Aufklärung des Mordes an Sylvia Schulte. Das wirkt so herbeigezwungen, dass der Rezensent sich an seinem Gerät versichern musste, auch wirklich den richtigen „Polizeiruf 110“ vor Ohr und Augen zu haben.
„Polizeiruf 110: In Flammen“, ARD, Sonntag. 20 Uhr 15