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Kriminalhauptkommissar Raczek (Lucas Gregorowicz, re., im Bild mit Christoph Luser, li., und Robert Gallinowski) kam bei den polnischen Zuschauern gut an.
© rbb/Conny Klein

Der neue "Polizeiruf 110": „Alles erinnert an die DDR“

Das Schwächste sei das Drehbuch: Dennoch gab es überwiegend vorwiegend positive Kommentare in Polen zum neuen RBB-„Polizeiruf 110“. Ein Mann könnte zur Entdeckung werden.

Zwischen vier amerikanischen Thrillern, einem polnischen Klassiker und dem ersten deutsch-polnischen „Polizeiruf 110“ des Rundfunks Berlin-Brandenburg konnten die TV-Zuschauer der sechs wichtigsten polnischen Fernsehsender am Sonntagabend wählen. Dabei hatte der auf TVP1, dem Ersten Programm des polnischen Staatsfernsehens, 75 Minuten später als in der ARD ausgestrahlte Fernsehkrimi „Telefon 110: Na granicy“ (deutsch: „Polizeiruf 110: Grenzgänger“) bestimmt einen Vorteil.

Mit einer Flut von Diskussionen in den Internetforen und sozialen Netzwerken wurde dies indes nicht belohnt. Gerade einmal 375 Aufrufe hatte der entsprechende Facebook-Eintrag von TVP1 am Montagmittag. Dazu kamen vier „Likes“ und kein einziger Kommentar. Vergleicht man dies mit der beliebten polnischen TV-Krimiserie „Pater Matthias“ (polnisch „Ks. Mateusz“), so ist dies nichts.

Dennoch ging die 355. Folge des ursprünglichen DDR-Klassikers an den Polen nicht spurlos vorüber. „Die deutsche Kultserie ist zurück!“, twitterte TVP1 am Sonntag und erntete auf diesem Netzwerk tatsächlich einen Kommentar. „Die PiS wird begeistert sein, denn alles erinnert an die DDR“, kommentierte ein gewisser Zbyszek in der gegenwärtig innenpolitisch aufgeheizten Situation nach dem massiven Rechtsruck durch den Wahlsieg der Kaczynski-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS).

Doch eine Diskussion über die immerhin im polnisch-deutschen Grenzgebiet zwischen Frankfurt an der Oder und Slubice angesiedelten „Polizeiruf 110“ konnte er selbst mit dieser Twitter-Provokation bis Montagmittag nicht anstoßen.

Talent in einer drittklassigen Nebenrolle

Unter polnischen TV-, Theater- und Filmfreunden hatte im Vorfeld die Besetzung durch die zwei bekannten polnischen Schauspieler Robert Gonera (Inspektor Karol Pawlak) und Danuta Stenka (Marta Nowak, Mutter des Opfers) für einiges Interesse gesorgt. Gonera hatte zuvor in Polen viele Polizeirollen gespielt, ist jedoch als Schauspieler nach einem versuchten Seitenwechsel als Filmproduzent etwas in Vergessenheit geraten. Auch Stenka ist aus TV-Polizistinnenrollen bekannt.

Die Besetzung als Nebendarstellerin in „Polizeiruf 110“ wurde teils als verschenkte Chance kritisiert. Ins gleiche Horn stößt auch der polnische Fernsehfilmkritiker Krzystof Polaski in der bisher ersten Rezension von „Telefon 110: Na Granicy“ im Falle von Klaudiusz Kaufmann (Polizeikommissar Wiktor Karol). Leider sei Kaufmanns Talent in einer drittklassigen Nebenrolle versenkt worden, schrieb Polaski auf dem Onlineportal der polnischen Fachzeitschrift „Telemagazyn“.

„Telemagazyn“ hat der in Deutschland hochgelobten und heiß diskutierten neuen Folge von „Polizeiruf 110“ fünf von zehn Punkten gegeben. „Wenn ihr prüfen wollt, wie Lucas Gregorowicz (Kriminalhauptkommissar Adam Raczek) polnisch spricht und wie die Deutschen Polen sehen, schaut euch das nur an“, ermuntert Filmkritiker Polaski.

Entdeckung der neuen Grenz-Serie

Immerhin würden hier polnische und deutsche Polizisten „ohne Komplexe“ auf Augenhöhe zusammenarbeiten, lobt das Magazin. Auch das hochaktuelle Thema Flüchtlinge würde in dem Krimi aufgegriffen – auch wenn es sich anstelle von Syrern um Tschetschenen handle. Die polnische Fachzeitschrift zeigt sich überrascht, dass der neu dazu gekommene polnischstämmige Deutsche Schauspieler Gregorowicz in der neuen Folge von „Polizeiruf 110“ die altgediente Maria Simon (Kriminalhauptkommissarin Olga Lenski) an die Wand spiele. Simon wirke verglichen mit Gregorowicz geradezu fahl. „Gregorowicz könnte zur Entdeckung der neuen Grenz-Serie werden“, prophezeit das polnische „Telemagazyn“.

Als besonders stark werden die Bilder, unter anderem der deutsch-polnischen Universität „Viadrina“, der Verzicht auf deutsch-polnische Vorurteile im Drehbuch und die Nebenrolle der polnischen Theater-Schauspielerin Barbara Wysocka (Ela Nowak, Schwester des Opfers) hervorgehoben.

„Das Schwächste ist indes das Drehbuch“, schreibt Polaski im „Telemagazyn“ und kritisiert vor allem die plumpen Retrospektiven, die Vorhersehbarkeit der Handlung und das dramatische Ende. „Banalität verfolgt Banalität“, lautet das vernichtende Urteil über das neuste Werk des in Köln aufgewachsenen Danzigers Jakob Ziemnicki.

Die Ehre sowohl der Deutschen wie der Polen bei dieser Koproduktion zu retten versuchte am Montagmittag TVP1-Vizedirektor Andzej Godlewski, ein ausgewiesener Kenner beider Länder: „Mehr deutsch-polnische Inhalte hatte kein Krimi zuvor“, antwortete er allen Kritikern auf Twitter.

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