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60 Jahre Römische Verträge. Ein Jubliäum zum Feiern, keine Frage, aber wie?
© Arte

MEDIA Lab: Ach, Europa

60 Jahre Römische Verträge: Stephan Russ-Mohl möchte weniger EU-Selbstdarstellung, sondern mehr Mittel für Journalismus

Viel Fantasie braucht es nicht, um sich vorzustellen, wie sich die EU demnächst selbst feiern wird: Im März vor 60 Jahren wurden die Römischen Verträge besiegelt. Allein aus diesem Anlass werden die Brüsseler Eurokraten Millionen Steuergelder für Werbung und PR europaweit verpulvern. Um nicht falsch verstanden zu werden: Einmal abgesehen vom Wuchern der Brüsseler Bürokratie und vom Schlingern des Euro, ist der Prozess des europäischen Zusammenwachsens eine beispiellose Erfolgsgeschichte.

Genau das möchte aber nach dem Brexit auch im kontinentalen Europa ein wachsender Teil der Wählerschaft nicht mehr wahrhaben – womöglich ja auch deshalb, weil europaweit die Regierungen unter Einschluss der EU zu viel Geld in Selbstdarstellung investieren. Damit untergraben sie aber letztendlich die Glaubwürdigkeit des Journalismus, statt mit dafür zu sorgen, dass unabhängige, gut ausgestattete Redaktionen sie mit der nötigen Distanz und Kompetenz begleiten und auch zu kritisieren vermögen.

"Digital News Initiative", ein Projekt von Google

Ich frage mich zum Beispiel, weshalb die „Digital News Initiative“ – ein europaweiter Wettbewerb um die besten Ideen und Projekte, wie der Journalismus digital überleben kann – nicht von der EU, sondern von Google veranstaltet wird. Es irritiert mich auch, dass die EU so wenig in Aus- und Weiterbildung investiert, die Journalisten dabei helfen könnte, das hochkomplexe europäische Projekt ihren Publika mit Fachwissen zu erschließen. Und es ist mir unbegreiflich, weshalb der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit all den Milliarden an Gebühren es immer noch nicht schafft, attraktive Programme auf die Beine zu stellen, die mehrsprachig in ganz Europa ausgestrahlt werden.

Wenn wir trotz aller Widrigkeiten am Europäischen Projekt festhalten wollen, braucht dieses mehr Rückhalt in der Zivilgesellschaft. Ihn könnte ein kritisch-distanzierter „europäischer“ Journalismus generieren helfen, der sich nicht einfach als Sprachrohr der EU versteht, sondern ihren Institutionen immer wieder auf die Finger guckt. Würden die Eurokraten solch kritische Stimmen als „Freunde und Helfer“ statt als Gegner begreifen, könnte dies nicht nur Europa, sondern auch die in Europa vielerorts massiv bedrohte Presse- und Meinungsfreiheit festigen helfen.

Stephan Russ-Mohl

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