Höherer Rundfunkbeitrag muss kommen: „17,50 Euro reichen nicht“
Der BR erzielt Überschüsse und braucht trotzdem höhere Beitragseinnahmen. Interview mit Albrecht Frenzel, Vorsitzender der ARD-Finanzkommission
Herr Frenzel, immer wieder klagt der Bayerische Rundfunk - wie andere öffentlich-rechtliche Sender auch - über die äußerst schwierige finanzielle Situation des Senders. Jetzt aber weist der Geschäftsbericht 2018 einen Überschuss von 25,6 Millionen Euro aus. Wie passt das zusammen?
Zum einen machen 25,6 Millionen Euro bei einem Gesamtbudget des BR von rund einer Milliarde EUR gerade einmal zwei Prozent aus - das ist das Mindeste an eiserner Reserve, die man als guter Steuermann braucht, um das Schiff überhaupt manövrierfähig zu halten. Bis 2020 wird der Finanzmittelbestand aber aufgebraucht sein. Hierzu komme ich gleich. Ganz allgemein ist 2018 das zweite Jahr einer vierjährigen Beitragsperiode, für die durchgehend ein Rundfunkbeitrag von 17,50 EUR zugrunde zu legen ist. Dass in der ersten Hälfte der Beitragsperiode Überschüsse entstehen, ist üblich. Diese werden benötigt, um Fehlbeträge am Ende der Beitragsperiode auszugleichen. Insgesamt ist der Überschuss für 2018 also eine Momentaufnahme, ein ausgeglichenes Ergebnis zum Ende der Beitragsperiode wird nur bei einer konsequenten Fortführung der Sparpolitik des Hauses möglich sein.
Liest man weiter, dann beträgt die aktuelle Rücklage bei den Rundfunkbeiträgen gut 127 Millionen Euro. Der BR-Rundfunkratsvorsitzende rechnet deswegen mit einem ausgeglichenen Etat bis zum Ende der Beitragsperiode 2020.
Der BR wird die laufende Beitragsperiode wie gesagt nur dann ausgeglichen abschließen können, wenn er weitere Einsparmaßnahmen umsetzt, einmalig entstandene Haushaltsreste heranzieht und in den laufenden Tarifverhandlungen Vergütungsvereinbarungen trifft, die deutlich unter dem Tarifabschluss der Länder liegen. Ein ausgeglichenes Ergebnis ist zudem nur dann möglich, wenn die Beitragsrücklage, die zwischen 2013 und 2016 angespart wurde, komplett herangezogen wird, und der BR im Übrigen mit seinen - rückläufigen - Beitragserträgen und den sonstigen Einnahmen aus Werbung, Sponsoring etc. auskommt.
Warum kann nach der öffentlich-rechtlichen Logik das Geld nur bis 2020 reichen? Macht der BR für die Jahre nach 2020 bewusst Schulden, um dann einen höheren Rundfunkbeitrag über 17,50 Euro hinaus fordern zu können?
Nein, der BR macht keine Schulden, das ist ihm - mit Ausnahme für von der KEF genehmigte Investitionen - auch staatsvertraglich verboten. Die aktuelle Höhe des Rundfunkbeitrags von 17,50 EUR entspricht aber nicht mehr dem realen Aufwand. Denn bereits heute müssen wir zusätzlich auf die Mittel aus der Beitragsrücklage zurückgreifen, die bis 2020 aufgebraucht sein wird. Rechnet man diese angesparten Mittel auf die Höhe des monatlichen Beitrags um, liegen wir heute schon real bei 18,35 EUR. Darin wäre dann aber noch keinerlei Inflationsausgleich für steigende Gehälter, Honorare, Lizenzkosten etc. enthalten.
Die Gesamterträge des Senders beliefen sich 2018 auf knapp 920 Millionen Euro. Das klingt üppig - wieso aber reicht der Milliarden-Etat nicht aus?
Weil jeder Etat - ob privat oder öffentlich - auf der Einnahmenseite einen Teuerungsausgleich benötigt oder auf der Ausgabenseite Leistungen reduzieren muss. So wie der Tagesspiegel in regelmäßigen Abständen seinen Verkaufspreis erhöht, um sein journalistisches Niveau zu halten, muss auch regelmäßig der Rundfunkbeitrag erhöht werden, will man nicht in sein Angebot einschneiden. Wir sind an der Grenze dessen angelangt, was wir mit Sparen erreichen können, ohne massiv das Programm zu schädigen.
Ulrich Wilhelm, BR-Intendant und ARD-Vorsitzender, wird nicht müde, von Reduzierungen bei den Programmleistungen zu sprechen, wenn es von 2021 an nicht einen höheren Rundfunkbeitrag gibt. Warum muss das den Beitragszahler besorgen? Ist es außerhalb jeder Vorstellung, dass eine Konzentration der Kräfte den Public-Value-Gedanken mindestens so stark fördert wie eine Expansion der Angebote?
Eine Expansion der Angebote kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Die heutige Struktur und das Programmangebot der Öffentlich-Rechtlichen sind von der Politik gewollt und gesetzlich oder staatsvertraglich beauftragt. Die ARD-Anstalten reformieren sich seit Jahrzehnten und sparen heute mehr als je zuvor: Bis 2020 wird die ARD fast 5.000 Stellen seit 1993 dauerhaft abgebaut haben, im BR läuft der größte Umbau und Abbau seiner Geschichte. Expansion gibt es seit Jahren nicht mehr - wenn heute neue Angebote entstehen sollen, muss an anderer Stelle eingespart werden. Die Frage nach der Reduzierung ganzer Programmangebote richtet sich damit an die Landesregierungen und an den Gesetzgeber. Will man am gesetzlichen Auftrag und dem heutigen Zuschnitt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks festhalten, muss man sich auch der Frage ihrer nachhaltigen Finanzierung widmen. Zumindest nach dann zwölf Jahren Beitragsstabilität, ohne Teuerungsausgleich für die Sender.
Zum BR-Programm im Ersten: Der Sender macht keine Talkshow im Ersten, das "Mittagsmagazin" hat der RBB übernommen. Der BR, bei den Erträgen immerhin die Nummer vier im ARD-Rund, ist nicht sonderlich auffällig. Was wird sich ändern?
Der Schwerpunkt des BR liegt auf Information, Kultur und Bildung. So sind wir nicht nur mit erfolgreichen Tatorten aus München und Franken oder dem "Polizeiruf" vertreten, sondern tragen beispielsweise auch die Hauptlast des Bildungskanals ARD-alpha alleine. Denken Sie im Ersten auch an "Report" aus München, den "Weltspiegel" im Wechsel mit anderen Häusern, die vom BR für das Erste produzierten Wahlsendungen oder die von PULS, dem jungen Programm des BR produzierten Formate für funk, dem Content-Netzwerk von ARD und ZDF. Und beim ARD-Mittagsmagazin hatten wir, eben gerade wegen unserer immer geringeren finanziellen Spielräume, leider keine andere Wahl, als die Federführung nach fast drei Jahrzehnten an den rbb abzugeben. Durch die Umstellung von der Rundfunkgebühr auf den geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag haben sich signifikante Verschiebungen bei der Finanzkraft innerhalb der ARD ergeben, so dass sich der BR stärker einschränken muss als andere Sender.
Das Interview führte Joachim Huber
Albrecht Frenzel ist Verwaltungsdirektor des Bayerischen Rundfunks und Vorsitzender der ARD-Finanzkommission.