Beleuchtung in Restaurants: Licht auf den Tisch!
Manche Restaurants quälen Gäste mit Funzeln, bei anderen illuminieren Designer den Raum. Wie Kulinarisches perfekt inszeniert wird.
Das beliebteste Grundmodell des romantischen Abendessens? Ist natürlich das Candlelight-Dinner. Es gehört zum Pauschalpaket jedes besseren Hotels und ziert jeglichen Liebesfilm. Eine aktuelle Umfrage will herausgefunden haben, dass 43 Prozent aller Frauen Kerzenschein im Restaurant lieben, aber nur 28 Prozent der Männer. Man wird allerdings unterstellen dürfen, dass es bei dieser Art Dinner weniger um das Essen als die Zweisamkeit geht – und dass es keinen von beiden besonders interessiert, was da eigentlich auf dem Teller liegt.
Es ist der Grundwiderspruch zahlreicher moderner Restaurants. In der grell wie ein Laboratorium ausgeleuchteten Küche arbeiten die Köche mit höchster Konzentration daran, Tellergemälde anzurichten. Sie ordnen die Elemente mit der Pinzette an, der Teller wird noch mal akkurat kontrolliert – und taucht dann in die Dunkelheit des von Funzeln notdürftig erhellten Gastraums ab. Dort findet die rituelle Erklärung statt, die mangels sichtbarer Details ins Leere geht, ärgerlich vor allem deshalb, weil die Gäste schon kaum die Speisekarte lesen konnten. Ihre Rache ist kühl und zweckmäßig: Sie holen das Handy heraus, benutzen es als Taschenlampe, fotografieren auch gleich den Teller und können zumindest später darüber nachdenken, wie es ihnen gefallen hat.
Zweifellos ist die Kerze der Prototyp der Restaurantbeleuchtung, schon deshalb, weil sie länger existiert als die Glühbirne. Deshalb haben Generationen von Pizzeria-Gästen klaglos hingenommen, dass die mit Kerzenwachs bekleckerte Chianti-Flasche zwischen ihnen zu nervigen Popeleien animierte. Sie ist längst verschwunden, abgelöst vom Ikea-Teelicht, das auf dem Tisch herumflackert und keine andere Funktion hat, als Romantik zu simulieren und ab und zu einen Jackenärmel in Brand zu setzen.
Dennoch ist elektrisches Licht natürlich nötig. Im Rückblick waren die deutschen Restaurants der späten Nachkriegszeit meist vom zentralen Deckenauslass her in mehr oder weniger diffuses Licht getaucht. Diesem ungemütlichen Grundprinzip folgten die Tropfkerzenflaschen, bis in den Achtzigern die Halogen-Seilsysteme auftauchten und eine Art goldene Ära der Restaurantbeleuchtung begründeten. Konzentriertes Licht auf jedem Teller! Harmonische, gedimmte Raumausleuchtung! Diese Systeme sind später an ihren technischen Schwächen zugrunde gegangen, aber der Grundgedanke, dass Essen beim Essen sichtbar sein sollte, kam mit ihnen in die Welt zurück.
Die Lichtdesigner zogen daraus eine wichtige Konsequenz: Man möge sie doch bei der Planung eines Restaurants beteiligen, bevor die entscheidenden Strippen gezogen werden. Denn nur dann ist es möglich, die Tische passgenau zu beleuchten und flexibel zu reagieren, wenn mal was verschoben wird.
Zu welchen geradezu lichten Höhen sich genau geplantes Lichtdesign aufschwingen kann, lässt sich in Berlin im „Facil“ besichtigen. Der eigentlich kühl-kantige Glaskasten hat präzise auf jeden Tisch fokussierte Halogenstrahler, die für die perfekte, jedoch nicht grelle Ausleuchtung der Teller sorgen, während rundherum andere Lichtquellen, auch draußen im Bambus vor den Glaswänden, den Hintergrund erhellen, so, dass die Tische nicht wie isolierte Lichtinseln wirken, sondern harmonisch eingebunden sind.
Allgegenwärtig: die Teelichter
Im Berliner „Reinstoff“ beschritten die Designer einen anderen Weg: Der schwarze Raum im Raum ist von oben durch eine Vielzahl von Punktlichtquellen erhellt, die eine kleine Kuppel über den Tischen bilden, aber die Köpfe der Gäste weitgehend aussparen. So wird das oft erwähnte Problem gelöst, dass Frauen jenseits der 30 angeblich keine Ausleuchtung der Falten wünschen.
Nun war das „Facil“ ein Millionenobjekt und das „Reinstoff“ sicher nicht billig. Doch Geld allein macht nicht glücklich. Gerade neue Hotels tun sich oft schwer damit, ihre nicht genau auf einen Zweck zugeschnittenen Räume für gehobene Gastronomie angenehm zu gestalten.
Ein Beispiel ist das Sylter „Budersand“, eines der schönsten deutschen Designhotels. Sternekoch Jens Rittmeyer muss sein Essen im selben Raum servieren, in dem morgens das Frühstücksbuffet steht. Und der wird abends im Wesentlichen durch ein paar modische Neo-Kronleuchter hoch oben unter der Decke illuminiert. Sie verbreiten einen diffusen Lichtnebel, der ein leises Gefühl des Unwohlseins vermittelt. Seltsamerweise brüsten sich Designer immer noch mit Entwürfen, bei denen sie irgendwas Großes, Modisches unter die Decke hängen und dazu mit Wandlampen in Kopfhöhe eine anstrengende Grundhelligkeit erzeugen.
Oft ergibt sich unzureichende Beleuchtung einfach aus Geldmangel. Wer eine gut abgehangene Neuköllner Kneipe zum Hipster-Treffpunkt umbiegen will, hat in der Regel kein nennenswertes Budget für den Umbau der Beleuchtung. Meist liegen oben in der Mitte der Decke die Kabel, an die, in ironischer Absicht, ein getrödelter Kronleuchter geschraubt wird, gern aus dem Palast der Republik oder ähnlich obskuren Quellen. Sein Licht ist scheußlich und muss maximal gedimmt werden, womit wenig gewonnen ist: Aus Verzweiflung hängen die Betreiber dann irgendwo eine LED-Kette auf oder teilen Teelichter aus, was meist nicht einmal ausreicht, um die Speisekarte ohne Taschenlampe zu lesen. So hat sich ein bestimmter Berliner Stil herausgebildet, der sich in Szeneläden wie dem „Industry Standard“, der „Kantine Kohlmann“ oder dem „Wilhelmine-Speisesaal“ zeigt.
Eine ganz andere Sache sind die neuen asiatischen Restaurants. Ihre jungen Betreiber haben mit den Laubsägearbeiten ihrer Elterngeneration auch gleich die monotone Lichtstimmung abgeschafft, wie sie in Klassikern wie dem „Good Friends“ oder dem „Hot Spot“ noch zu besichtigen ist. Das Berliner Architektenbüro „ett la benn“, das auf solche Projekte („Yumcha Heroes“, „Good Time Grill“) spezialisiert ist, hat mit der Kreuzberger „Long March Canteen“ ein Referenzobjekt geschaffen. Hier ging es darum, die Illusion eines asiatischen Nachtmarktes unter freiem Himmel zu erzeugen. Der Raum blieb also dunkel, leise Lampen und Wandleuchten dienen nur als Blickfang. Das Licht auf dem Tisch kommt aus versteckten Glasfasern an der Decke, die aus der Museumstechnik stammen. Hauptsache ist aber die Dim-Sum-Küche, aus der permanent Dampf aufsteigt, dessen Wolken von oben effektvoll illuminiert werden.
Am schönsten: Tageslicht
Für Oliver Bischoff, einen der drei ett-la-benn-Partner, kommt es entscheidend darauf an, dass das Lichtdesign von Anfang an als integrierter Teil der Planung begriffen wird, bei der Raum, Küchenrichtung und gewünschte Stimmung zu einem gemeinsamen Ganzen zusammengeführt werden. Im Idealfall, um damit eine Geschichte zu erzählen wie in der Long March Canteen.
An dieser Stelle muss auch geklärt werden, ob die Küche offen gehalten und somit zum Teil der Inszenierung wird. Häufig, so sagt Bischoff, sei es aber so, dass sich erst der Küchenchef seine Wünsche erfülle, bis das Budget erschöpft sei – und dann gebe es eben kein Geld mehr für stimmige Beleuchtung. „Viele Wirte sind Seiteneinsteiger“, sagt er, „die die Probleme der Gastronomie unterschätzen und kein Gefühl für die Bedeutung des Lichts haben“.
Die Energiesparlampen, die schon manches Hotel ruiniert haben, sind für Lichtdesigner kein Thema. Bischoff lehnt sie rundweg ab, erklärt auch das Thema Halogen für erledigt und setzt auf moderne LED-Technik, die allerdings noch ihre Tücken hat. Das größte Problem liege darin, dass die Leuchten selbst und die notwendige Hintergrundtechnik noch nicht zusammenfinden, weil sie von verschiedenen Herstellern kommen. Das erzwinge dann kostspielige Individuallösungen. Aber auf lange Sicht werde die LED-Technik völlig neue Möglichkeiten eröffnen.
Das unproblematischste Licht überhaupt braucht keinen Designer: das Tageslicht. Jeder liebt es auf der Terrasse ebenso wie im Restaurant, und die Aufgabe des Architekten besteht allenfalls darin, Blendungen zu vermeiden. Ins abendlich dunkle Restaurant lässt es sich aber nicht hineintragen – daran sind seinerzeit schon die Schildbürger gescheitert.
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