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Mööp, möööp. Berlin leuchtet, auch nachts am Wasser - in diesem Fall am Osthafen.
© picture alliance / dpa

Lichtdesigner Andreas Boehlke: Ob Spree oder Ku'damm: Der Erleuchter von Berlin

Andreas Boehlke bringt Wurstwaren zum Strahlen und Schiffe bei der "Aquarella" zum Tanzen. Und bald ist auch noch Wannsee in Flammen.

Direkt im Eingangsbereich sind drei kugelförmige Strahler über den Schnittblumen installiert. Die drehen sich ruckartig um die eigene Achse, werfen rote, grüne, blaue Lichtkegel an die Deckenplatten. „Ich wollte hier was Außergewöhnliches machen“, sagt Andreas Boehlke, den Kopf im Nacken. Er meint das Lichtdesign einer Supermarktfiliale in der Knesebeckstraße nahe dem Kurfürstendamm in Charlottenburg. Wurst und Fleisch müsse man zum Beispiel vorsichtig rot bestrahlen. Damit gelte es, die Frische zu unterstützen, aber nur zart, ohne zu übertreiben. Für die Obst- und Gemüseabteilung empfiehlt er schlichtes Naturweiß.

Mit Beleuchtung kennt er sich aus: Andreas Boehlke ist Lichtdesigner. Wann immer in Berlin irgendetwas beleuchtet werden soll, rufen sie ihn an. Sei es ein Apfel bei Kaiser’s oder die Oberbaumbrücke. Andreas Boehlke beleuchtet den Ku’damm zu Weihnachten, die ganze Stadt zum Festival of Lights. Am Wochenende lässt er für „Aquarella“ wieder Schiffe auf der Spree tanzen.

Und jetzt steht Andreas Boehlke, graues Haar, pinkfarbene Krawatte, passendes Einstecktuch, randlose Brille, in diesem Supermarkt und sieht eher aus wie der Filialleiter als wie ein Lichtkünstler. Wie passt das zusammen?

Vater, Großvater - auch sie waren Elektriker

Andreas Boehlke grinst. Eine Ausbildung zum Elektroinstallateur hat er gemacht – wie schon der Vater und der Großvater. Vor 33 Jahren lernte er in der Firma „Boehlke Beleuchtungstechnik“, die sein Opa gegründet hatte. 1995 übernahm er das Geschäft. „Die Möglichkeiten, mit Licht zu spielen, waren früher noch viel eingeschränkter“, sagt er. Die Firma beleuchtete zunächst vor allem Messestände. 2004 organisierte Boehlke erstmals das Berliner „Festival of Lights“. Er und seine Partner bestrahlten Gebäude, Plätze und Sehenswürdigkeiten in der Stadt, ließen zum Beispiel die Siegessäule leuchten und das Brandenburger Tor.

Für Boehlke aber war der Funkturm in Charlottenburg das Herzstück – den verkleidete er mit 255 blau leuchtenden Röhren. „Oh, wir brauchen so was gar nicht, aber bitte, machen Sie ruhig“, hätten die Messebetreiber im Vorfeld gesagt. Am nächsten Tag habe der Turm jede Titelseite der Stadt verziert. „Das war das größte Kompliment“, sagt der Designer. Der blaue Turm sei seine Visitenkarte geworden. Also machte er weiter – und entdeckte weitere Facetten seines Berufs. „Ich habe ein Handwerk gelernt“, sagt Boehlke. „Und das habe ich kreativ und lichttechnisch ausgebaut.“ Schon im Kunstunterricht habe er es genossen, mit Farben und Formen zu spielen. Dann kam das technische Verständnis dazu – und ein Auge, das richtige Licht am richtigen Ort zu platzieren.

Schön hell hier, Herr Boehlke, oder?
Schön hell hier, Herr Boehlke, oder?
© promo

Inzwischen rückt Boehlke mit 25 Mitarbeitern neben den Messeständen auch Geschäfte, Plakate, Fassaden ins rechte Licht. Und in der Weihnachtszeit formen Boehlkes Mitarbeiter Rentiere aus Lichterketten, hängen Sterne an den Hauptbahnhof und knipsen Weihnachtsbäume an.

In der Supermarktfiliale ragen in verschiedenen Winkeln rechteckige Bildschirme von der Decke. Sie wechseln ganz langsam im unterschiedlichen Rhythmus ihre Farbe. Kunst im Supermarkt. „Keine konzentrierte Gradlinigkeit, sondern ein schwebendes Schachbrettmuster“, erklärt Boehlke. Das Konzept ist verrückt, im Rahmen der Spielregeln, versteht sich. „Ich konnte zum Beispiel keine Ladenbereiche dunkel lassen.“ Schließlich müssen die Kunden die Waren sehen. Beim Beleuchten von Gebäuden ist Boehlke freilich freier. „Da kann ich mich austoben, mich auch mal über Grenzen hinwegsetzen“, sagt er. Auch wenn man dabei nie die Ehrfurcht vorm Gebäude verlieren dürfe.

"Die Schiffe tanzen sogar Walzer"

Für Aquarella lässt der Lichtdesigner zusammen mit der Reederei Riedel Schiffe erleuchten. „Ein Schiffsballett“, sagt Boehlke strahlend und zeichnet die Choreografie auf eine Serviette. „Die Schiffe tanzen sogar Walzer.“ Dazu gibt es Musik, Feuerwerk, Licht- und Lasershow.

Wenn Menschen seine Kunst gar nicht wahrnehmen oder kitschig finden, sei das in Ordnung, sagt er. Nur eines ärgert den Designer: Wenn man ihm vorwirft, seine Arbeit sei Energieverschwendung. Licht schaffe schließlich nicht nur Sicherheit, sondern auch Atmosphäre, schimpft er. „Beleuchtung ist wichtig.“ Und seine Kunst spare häufig sogar Strom. Um zu beleuchten, Akzente setzen zu können, müsse man das Grund- und Umgebungslicht ja erst einmal ausschalten. Mit seiner Arbeit ist Boehlke auf die Dunkelheit angewiesen. „Bei Sonnenschein kann ich nichts beleuchten.“

Und trotzdem, oder gerade deswegen, fühlt sich Andreas Boehlke im Dunkeln eher unwohl. Bei völliger Finsternis, sagt der Lichtdesigner, könne er nicht einschlafen. „Ich brauche immer ein Grundlicht.“

Aquarella, 29./30. August. Abfahrten an der Hansabrücke, am Haus der Kulturen der Welt und an der Moltkebrücke. Tickets für Erwachsene ab 39,50 Euro, ermäßigt 19,75 Euro (zzgl. Menü 22,90 Euro). Weitere Infos unter: www.aquarella-berlin.de

Festival of Lights und Wannsee in Flammen

Im Oktober finden wieder gleichzeitig das Festival of Lights und das Festival „Berlin leuchtet“ statt. Vom 10. bis zum 19. Oktober werden das Brandenburger Tor, der Fernsehturm, der Berliner Dom, der Funkturm und viele weitere Bauwerke und Plätze abends erleuchtet. Internationale Künstler präsentieren zum Festival of Lights Lichtinstallationen und -projektionen an Häuserfassaden. Es wird wieder Touren geben, die mit Bus, Velotaxi, Kutsche oder Schiff die einzelnen Gebäude verbinden. Zum Begleitprogramm gehören auch die „Nacht der offenen Türen“ und das Musikfestival „Jazz in den Ministergärten“ in den Landesvertretungen. Am 10. und 11. Oktober findet wieder „Lumissimo“, das Konzert mit Lasershow, im Berliner Dom statt.

Bereits am 2. Oktober beginnt das Lichtkunstfestival „Berlin leuchtet“bei dem mehr als 70 Objekte angestrahlt werden. Anlässlich der zwanzigjährigen Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Peking liegt in diesem Jahr ein besonderer Schwerpunkt auf der chinesischen Lichtkunst. Mehr Informationen gibt es unter festival-of-lights.de und berlin-leuchtet.com.

Und weil wir gerade bei Wasser und einer Lichtschau sind - das Feuerwerksfestival "Wannsee in Flammen" findet am 19. und 20. September statt; dann macht sich die Karawane mit etlichen Schiffen (die ersten sind längst ausverkauft) über Havel zum Wannsee, wo tausende Berliner in der Dunkelheit warten (auf Schiffen und am Ufer). Und dann wird das Feuerwerk in den Himmel gejagt. Mehr Details finden Sie unter diesem Link.

Milena Menzemer

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