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Bloß nicht füttern. Beim Baby-led Weaning soll das Kind ganz allein essen, sobald es etwas in die Hand nehmen kann.
© imago/K-P Wolf

Kolumne: Der Kinderdok: Iss doch, wenn du willst!

Dass ihr Kind verhungern könnte, beschäftigt viele Eltern. Dabei wissen bereits Säuglinge, wann sie genug haben. Eine topmoderne Fütterform aus England setzt genau dort an.

Kürzlich fragte mich eine Mutter, warum ihr Kind nicht so schön esse wie andere. Dass ihr Kind verhungern könnte, beschäftigt viele Eltern. Ein Ur–Instinkt, der sich kaum abschalten lässt. Aber eigentlich holen sich Kinder immer das, was sie brauchen, in der Menge wie in der Ausgewogenheit. Oder anders gesagt: Vor einem vollen Teller mit gesundem Essen wird kein Kind verhungern.

Bereits Säuglinge wissen genau, wann sie genug haben, wir müssen lediglich die kleinen Zeichen deuten lernen: Wenn der Mund verschlossen bleibt, das Köpfchen weggedreht wird, dann ist das Stillen oder Flaschenfüttern zu Ende, meldet sich das Kind wieder, gibt es Milch.

Das setzt sich in der Beifütterkost fort und wenn das Kind später allein isst. Kein Zwang beim Essen, keine Spielchen, bei dem ein Löffelchen für diesen und ein Löffelchen für jenen verfüttert wird. Essen ist keine Belohnung oder Bestrafung, auch kein Mittel gegen Langeweile. Essen ist Spaß.

Top modern daher: Das Baby-led Weaning (übersetzt: das vom Kind geführte Abstillen), eine Trendfütterform aus England. Das ist ein Gegenvorschlag zum althergebrachten Beifüttern mit Löffelchen, zuerst Gemüse, dann Kartoffeln, dann Obstbrei bis zur Familienkost, schön brav eine Stufe nach der anderen. Fremdbestimmt.

Der gesunde Mittelweg klappt am besten

Beim Baby-led Weaning soll das Kind ganz allein essen, sobald es etwas in die Hand nehmen und zum Mund führen kann, also ab dem sechsten Monat. Es wird nichts gefüttert, nur das Kind entscheidet, wann und was es isst, es ernährt sich mit Fingerfood. Kann man machen. Grundvoraussetzung fürs Gelingen ist allerdings, dass das Kind bis dato eine normale Entwicklung durchlaufen hat und dass die Eltern gesundes und ausgewogenes Essen anbieten. Denn zum Kühlschrank laufen wird ein Kind in diesem Alter wohl noch nicht.

Studien dazu gehen auseinander: Die einen mahnen Mangelernährung an, die anderen sehen bereits eine globale Wende in den Fütterempfehlungen. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte warnt reflexartig. Wie üblich, klappt der gesunde Mittelweg am besten.

Essen soll nicht zum Kampf ausarten

Das Grundprinzip der Essensbeschaffung bei Kindern ist in jedem Fall: Die Eltern bieten gesunde Kost an, und das Kind entscheidet, wie viel es essen möchte. Oder anders gesagt: Die Eltern bieten keinerlei ungesundes Zucker- und Fettzeug an und entscheiden auch nicht darüber, wie viel das Kind essen muss.

Das klappt bei der Löffelkost, ob im neuen Trend oder nicht, beim Kleinkind, das selber isst, wie auch beim Teenager. Bei Letzterem gibt es eine Erweiterung des Grundprinzips: Die Eltern kaufen gesunde Kost ein, die der Teenager im Kühlschrank finden kann, wann immer er Hunger hat.

Essen soll nicht zum Kampf ausarten. Es braucht keine Trickserei, keinen Stress und keine Diskussion. Essen ist Erziehung, Eltern können Vorbilder dabei sein im allerpositivsten Sinne: dem Vermitteln von Freude am Leben.

Unser Kolumnist betreibt eine Praxis in Süddeutschland, bloggt unter kinderdok.blog und schreibt alle vier Wochen an dieser Stelle.

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