Gelber Mittelmeer-Skorpion: Im Schatten der Schwarzen Witwe
Nur wenige Aquarium-Besucher schenken ihm Beachtung. Dabei ist dieser Mittelmeer-Skorpion vielleicht der letzte, den man im Zoo sehen kann.
Das Alcatraz des Zoo-Aquariums befindet sich im zweiten Stock. Ein Terrarium, das besonders sicher verschlossen ist und von einer Kamera an seiner Decke überwacht wird. (Die Linse kann man von außen nicht sehen, und sie filmt auch keine Besucher, wie der Zoo versichert.) „Achtung giftig“ steht darüber. Vier zusätzliche Glaswürfel im Innern beherbergen vier auf den ersten Blick unauffällige Tiere, darunter eine Schwarze Witwe – und einen weniger bekannten, aber auch ziemlich gefährlichen Vertreter aus der Klasse der Spinnentiere: den Gelben Mittelmeer-Skorpion, einen der giftigsten Skorpione der Welt.
Gerade mal ein paar Zentimeter ist das Tier groß. Sein lateinischer Name lautet Leiurus quinquestriatus – letzteres bedeutet fünfgestreift und steht für die fünf Längsstreifen auf seinem Rücken. Auch die charakteristische, prächtige Färbung in strohgelb bis gelborange zeichnet den Skorpion aus.
Trotzdem steht er hier im Gemeinschafts-Terrarium im Schatten der Schwarzen Witwe. Für sie interessieren sich die meisten Besucher. Und dann diese Fototapete, die auf der Rückwand klebt! Sie zeigt einen Eukalyptuswald. Das ist der Lebensraum der Witwe, nicht seiner. Gelbe Mittelmeer-Skorpione sind in trockenen Regionen daheim, in den Wüsten und Halbwüsten Nordafrikas oder der arabischen Halbinsel. Nachts gehen sie auf Nahrungssuche, tagsüber verstecken sie sich in Felsspalten und selbstgegrabenen Höhlen.
Das Exemplar im Zoo sitzt regungslos in einer Ecke des mit Steinen bedeckten Bodens. Die Mitarbeiter des Aquariums haben eine Glasscheibe über ein paar Steine gelegt, die dem Skorpion die Möglichkeit geben soll, sich wie in der Natur zu verkriechen und trotzdem gesehen zu werden. „Das nimmt er aber nicht so richtig an“, erzählt Tierpfleger Shahin Tavangari. Auch die Beleuchtung von oben mögen die Tiere nicht, aber ohne würden die Besucher ins Dunkle blicken. Einsamkeit ist dagegen kein Problem für den Gelben Mittelmeer-Skorpion. „Es gibt Skorpion-Arten, die in Gruppen leben, diese hier sind absolute Einzelgänger.“
Er kann schon in einer Pfütze ertrinken
Und sie können schnell aggressiv werden, wenn man ihnen zu nahe kommt. Dann stechen sie mit ihrem Giftstachel zu. Die Toxine, die die „Deathstalker“ – so ihr englischer Name – produzieren, sind nicht nur zur Verteidigung, sondern auch zum Erlegen von Beute gedacht. Die Tiere verspeisen Mäuse, Echsen, Heuschrecken, Käfer und sogar andere Skorpione. Selbst für Menschen, vor allem für Kinder, kann ihr Sekret tödlich sein, wenn kein Arzt hilft. Manche der Toxine lösen Krämpfe der Brust- und Atemmuskulatur aus, andere greifen das Herz an.
Für die Skorpione selbst existieren noch profanere Risiken. Der Wassernapf im Terrarium ist winzig. „Schon in einer Pfütze könnten die Tiere ertrinken“, erklärt Pfleger Tavangari.
Ob ihr Exemplar Männchen oder Weibchen ist, haben die Tierpfleger nie untersucht. Pläne für eine Zucht gibt es nicht. Privatleuten ist die Haltung von gefährlichen Tieren in Deutschland mittlerweile verboten. Dieser Gelbe Mittelmeer-Skorpion, der schätzungsweise ein paar Jahre alt ist und damit nur noch ein paar vor sich hat, ist deshalb vielleicht der letzte, den man überhaupt im Zoo sehen kann. Also nichts wie hin. Um die eigene Unversehrtheit muss man dank Alcatraz nicht fürchten.
GELBER MITTELMEER-SKORPION IM ZOO
Lebenserwartung: Etwa zehn Jahre
Interessanter Nachbar: Fauchschabe