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Alles easy: Rapper Cro gibt sein Album-Debüt

Stuttgart ist wieder auf der deutschen Hip-Hop-Landkarte. Dafür sorgt 20 Jahre nach "Die Da!" von den Fantastischen Vier ein junger Schwabe, der sich Cro nennt und eine Pandamaske trägt.

Er hat im Netz bereits für so viel Wirbel gesorgt, dass sein schwarz-weißes Fell nun auf Magazincovern glänzt und sich eine Reihe großer Plattenbosse über die Abfuhr ärgert, die er ihnen trotz hoch dotierter Angebote gegeben hat.

Auslöser der Aufregung ist ein einziger Song. Er heißt „Easy“, basiert auf einem smarten Sample von Bobby Hebbs „Sunny“ und ist ein absoluter Ohrwurm. In den Singlecharts stieg er auf Platz zwei ein, das Video wurde auf Youtube knapp 22 Millionen Mal angeklickt. Auch Jan Delay war begeistert und bezeichnete Cro als „die Zukunft des deutschen Hip-Hop“. Für dieses Lob bedankte sich der Newcomer auf ungewöhnliche Weise: Er schenkte dem Hamburger Näselsänger die Goldene Schallplatte, die ihm für „Easy“ verliehen worden war.

Dass in dem Mann mit der Maske mehr steckt als dieser eine Geniestreich, deuteten schon die Mixtapes an, die er 2011 auf seine Website gestellt hatte. Jetzt liefert er mit „Raop“ auch den Beweis in Albumform ab. Es ist kurzweilig, voller Hits, ein Gute-Laune-Macher. Schon die Mischung aus Lässigkeit und Angeberei, mit der er sich im knapp dreiminütigen „Intro“ vorstellt, ist große Klasse. Er kombiniert Kopfnicker-Beats mit einem sanften Drei-Akkord-Hook, gesungenen und gerappten Passagen. Und um gleich mal klarzumachen, dass er sein Geschäft versteht, haut er auch ein paar Zeilen in Doubletime raus, in zweifacher Geschwindigkeit.

Bildergalerie: Musiker mit Masken

„Raop“ bedeutet Rap plus Pop, womit das Konzept von Cro, der eigentlich Carlo Waibel heißt und sein Alter mit Anfang 20 angibt, treffend beschrieben ist. Der Popanteil drängt sogar in den Vordergrund, was vor allem an den radiotauglichen Refrains liegt. Die von einer hüpfenden Bassline und Achtziger-Synthies getragene Single „Du“ hat das Zeug zum Sommerhit. Dass von den Refrainzeilen nur die ersten zwei textlich etwas taugen, macht gar nichts, weil Cro sie wunderbar mitreißend vorträgt. Den Rest erledigt die Musik.

Zu den originellsten Reimemachern gehört der Stuttgarter nicht.

Dass die Texte quasi überstrahlt werden, geschieht oft auf „Raop“. Und das ist ganz gut so, denn zu den originellsten Reimemachern gehört der Stuttgarter nicht. In „Meine Zeit“ radebrecht er: „Und deine Freundin heißt Ecca/Will ja nicht meckern, aber sie sitzt auf meinen Sweater/Und sie schluckt nach ihrem Doppel-Whopper/Noch mal locker 23 Kühe/Und nen halbes Dutzend Trecker.“

Dafür kommt Cro völlig ohne Machogehabe, Gangstergetue oder frauenverachtende Sprüche aus. Er reiht sich damit in den Trend der Post-Aggro-Berlin-Ära ein, bei dem die Rapper stärker auf emotionale Themen setzen und sich nicht mehr als harte Straßentypen inszenieren. Der Berliner Materia mit seinem nachdenklichen Zeitlupenflow war einer der Pioniere, im letzten Jahr folgte Casper, der seine heiseren Wutraps gern von Emogitarren begleiten lässt.

Hinzu kommt, dass Cro unglaubwürdig wirken würde, wenn er über Stress im Getto rappen würde, denn er stammt aus einem bürgerlichen Elternhaus und bezeichnet seine Kindheit als glücklich. Er bekam Klavierunterricht, der Bruder zeigte ihm Gitarrenakkorde, der Vater ließ ihn seine Rockplatten hören.

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Berührungsängste mit anderen Stilen hat Cro nicht. Er mischt die verschiedensten Einflüsse in seinen Feel-Good-Sound. So klaut er in „Wir waren hier“ bei Iggy Pops „The Passenger“, und beim Refrain von „Geile Zeit“ muss man sogar an Die Prinzen denken. Vorbilder wie Freundeskreis, Beginner oder die Fantastischen Vier sind ebenfalls erkennbar. Cros Lust am Genre-Hopping zeigt sich auch optisch. Er orientiert sich ähnlich wie Caspar an der Indie-Rock-Szene und trägt wie dort üblich eng anliegende Jeans. Seine Tour hat er „Hip Teens Wear Tight Jeans“ genannt – vor fünf Jahren wäre ein solches Auftreten im Metier der baggy pants und Kapuzenpullis tragenden Hip-Hopper noch undenkbar gewesen.

Mit Mode kennt sich Cro sowieso aus. Schon in der Schulzeit besserte er sein Taschengeld mit selbstgestalteten T-Shirts auf. Später startete er neben seiner Ausbildung zum Mediengestalter ein kleines Modelabel, das es immer noch gibt. Die Musik war für ihn lange nur ein Hobby, zum Spaß stellte er seine Songs als Download ins Netz. Der Rapper Kaas hörte sie begeistert, suchte per Twitter nach Cro und nahm ihn für sein Label Chimperator unter Vertrag. Die Idee mit der Pandamaske im Video zu „Easy“ entstand, weil Cro im Netz keine Bilder von sich gepostet hatte.

Sie ist also kein Sido- oder Daft-Punk-Zitat, auch das umgedrehte Kreuz zwischen den Augen hat keine tiefere Bedeutung. Cro genießt einfach die Anonymität, die ihm die Kostümierung in der Öffentlichkeit ermöglicht. Irgendwann wird er die Maske wohl abnehmen. Im Internet findet man mit ein bisschen Mühe ohnehin schon ein maskenloses Foto von ihm. Einen Grund zum Verstecken hat Cro jedenfalls nicht: Falls ihm für sein Modelabel mal ein T-Shirt-Model fehlt, kann er locker einspringen.

Cro: „Raop“ erscheint bei Chimperator/Groove Attack.

Nadine Lange

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