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Marsh Harbour, Great Abaco
© REUTERS

Die Wut nach dem Sturm: Hilfe auf Bahamas läuft nur schleppend an

In der Karibik steigt nach Hurrikan „Dorian“ die Zahl der Toten. Die Menschen sind verzweifelt – aber auch wütend auf die Regierung.

Vom Paradies ist nichts geblieben. Stattdessen prägt Chaos die Kulisse. Palmen sind ausgerissen und übereinander gestürzt. Boote hat es vom türkisfarbenen Meer ins Inselinnere geworfen. Menschen waten durch die Überschwemmungen, irren zwischen den Überresten ihrer Existenz. „Dorian“ hat ihnen alles genommen auf den Bahamas. Nach dem Hurrikan heißt es jetzt Warten auf Hilfe. Doch die kommt viel zu langsam.

Auch Deutschland hat Unterstützung zugesagt. 70 Soldaten sollen humanitäre Hilfe leisten. Sie sind an Bord des niederländischen Marineschiffs „Johan de Witt“ und waren für ein Manöver in der Region. Am Wochenende sollte das Schiff Ladung und Material erhalten und am Montag auslaufen – eine Woche nach der Katastrophe auf den Inseln zwischen Kuba und Florida.

Abaco hat es am schlimmsten getroffen.
Abaco hat es am schlimmsten getroffen.
© AFP

"Dorian" erreichte fast 300 Kilometer pro Stunde

Das Hauptaugenmerk liege auf der Versorgung der Bevölkerung „mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser und Medikamenten sowie der Herstellung eines Lagebildes bezüglich entstandener Schäden an der Infrastruktur“, schrieb die Bundeswehr. Dorian ist inzwischen entlang der Südostküste der USA Richtung Kanada weitergewirbelt. Der Sturm, den sie in den örtlichen Medien auch „das Monster“ nennen. Er war der schlimmste Sturm auf den Bahamas seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Er hatte die nördlichen Inseln der Bahamas am vorvergangenen Sonntag als Hurrikan der stärksten Kategorie getroffen und war erst am Mittwoch Richtung USA abgedreht. Zwischenzeitlich erreichte er Geschwindigkeiten von fast 300 Kilometern pro Stunde. Es kam zu meterhohen Fluten und großflächigen Überschwemmungen.

Die Schäden machen auch die Rettungsarbeit schwierig. Die Flughäfen sind überschwemmt und die Straßen zerstört. Wege sind vom Schutt und Bäumen unpassierbar. Telefon- und Stromverbindungen sind gekappt. 43 Opfer sind bis jetzt bestätigt. Doch Hunderte Menschen, wenn nicht Tausende werden noch vermisst. Die endgültige Zahl der Toten könnte „niederschmetternd“ sein, sagte Gesundheitsminister Duane Sands.

Menschen versuchen mit Booten auf die sicheren Insel kommen
Menschen versuchen mit Booten auf die sicheren Insel kommen
© AFP

Nach Angaben der Vereinten Nationen bräuchten mindestens 70.000 Menschen dringend Hilfe, um überleben zu können. Auf den Bahamas wohnen insgesamt 350.000 Menschen, verteilt auf 30 Inseln. Das Rote Kreuz schätzt, dass allein auf den Inseln Grand Bahama und Abaco etwa 13.000 Wohnhäuser schwer beschädigt oder zerstört wurden. Das World Food Programme der UN hat acht Tonnen Lebensmittel sofort zugesagt. Auch Teile für provisorische Bauten und Generatoren sollen eingeflogen werden.

Hilfe kommt vor allem international. Die US-Küstenwache fliegt mit Hubschraubern Rettungseinsätze. Auch das Militär ist vor Ort und hilft. Menschen wurden mit Fähren in die Hauptstadt Nassau oder anderswohin in Sicherheit gebracht. Auch private Organisationen haben Boote und Kleinflugzeuge geschickt. Viele wollen weg. Doch sie können nicht. Große Flugzeuge können wegen der Schäden und Überschwemmungen nicht landen. Auf den kleinen ist nur Platz für eine Handvoll der Hundert Wartenden.

Die Menschen auf den Bahamas sind auch wütend. Dem „Guardian“ sagte eine Anwohnerin: „Was wir Mutter Erde antun und wie es in Gegenden wie hier auf uns zurückfällt… Ich fasse es nicht. Mein Herz ist gebrochen. Ich bin geschockt." Und weiter: „Wir sind die größten Opfer des Klimawandels.“ Die Bahamas liegen nur knapp über dem Meeresspiegel. Je weiter dieser steigt, desto mehr verschwindet von ihnen. Und dann kommen noch Stürme wie Dorian hinzu, die jedes Jahr schlimmer werden.

Andere warten am Flughafen.
Andere warten am Flughafen.
© REUTERS

Aufräumarbeiten erledigten die Leute selbst, soweit sie können

Mit den Schäden fühlen sich die Bewohner alleingelassen. Sie werfen der Regierung vor, nicht genug zu tun – vor allem nicht schnell genug. Aufräumarbeiten erledigten die Leute selbst, soweit sie können. Sie beseitigen die Überreste ihrer Häuser und versuchen zu retten, was geht: Habseligkeiten wie Menschen. Ein Freiwilligenhelfer erzählte der „New York Times“, die Feuerwehr sei an seinem Team einfach vorbeifahren, als sie versucht hatten, gestrandete Menschen von den Dächern überfluteter Häuser zu retten. „Sie sagten, sie könnten nichts tun. Wir fragten, was meint ihr, ihr könnt nicht helfen? Ihr solltet die Ersten vor Ort sein!“ Doch auch die Sorge wächst vor dem, was noch kommt. Auf lange Zeit wird einem Teil der Bevölkerung die Lebensgrundlage fehlen. Der Tourismus ist auf dem vergleichsweise reichen Inselstaat die Haupteinnahmequelle.

Die große Zahl der Vermissten schürt auf den Inseln die Angst vor Krankheiten. Wie so oft, wenn Strom und Trinkwasser fehlen und die medizinische Versorgung nicht gewährleistet ist. „Da treiben Leichen im Wasser. Die Leute fangen schon an, krank zu werden“, erklärt ein Anwohner dem „Guardian“. „Es wird hier bald ziemlich verrückt werden.“ Als wären die letzten Tage nicht schlimm genug gewesen.

Anne Armbrecht

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