Kalifornien: Die schönsten Strände in San Diego
Porsches, Batikshirts, Chihuahuas. In San Diego gibt es für jeden Geschmack den passenden Platz am Pazifik. Vier Miniaturen über das Strandleben.
Stand-up-Paddeln in Coronado
Vicki Carson könnte bei einer polynesischen Feuerzeremonie mitmachen. Barfuß schlendert die 37-jährige Blondine über den heißen Asphalt, geht zu ihrem Van, dem mit Chihuahua-Maskottchen an der Antenne, holt ihr Surfboard heraus und trägt es hinunter zur Bucht von San Diego. „Ich habe den ganzen Sommer über kaum Schuhe an“, sagt Carson, die in Coronado Surfunterricht gibt und Stand-Up-Paddleboards verleiht.
Das Leben von Vicki ist der Strand – und in welche kalifornische Stadt würde dieses Leben besser hineinpassen als in San Diego? Knapp 1,4 Millionen Menschen wohnen in der Stadt, direkt an der Grenze zu Mexiko gelegen, im Osten von der Wüste begrenzt und im Westen vom Pazifik. Über 110 Kilometer Küste verfügt das San Diego County, es gibt mehr als ein Dutzend Strände im Stadtgebiet, an jeden schließt sich ein eigenes Viertel an – und die Halbinsel Coronado gehört zu den beliebtesten.
Der gleichnamige Ort bewahrt sich seine Unabhängigkeit von der Metropole, die 500 Meter weiter auf der anderen Uferseite mit Wolkenkratzern prahlt. Fähren tuckern vom Convention Center hinüber, als Vicki Carson das Brett ins Wasser lässt. Gerade ist sie von der Orange Avenue zurückgekommen, der Hauptstraße. Jeden Morgen holt sie dort ihre Tagesration am Kaffeewagen, füllt die Thermoskanne auf, bevor die Touristen kommen.
Tom Cruise wurde hier gesichtet
Die eine Hälfte von Coronado sieht aus wie von Ralph Lauren erfunden. Weißgetünchte Häuser im Kolonialstil, getrimmte Vorgärten, kein Laub liegt auf Straßen, Rasen oder Plätzen, so, als hätte ein göttlicher Laubbläser alles gesäubert. Männer in gestreiften Hemden fahren in SUVs vorbei, plötzlich steht man in einer Hotellobby mit einer Kassettendecke aus Eiche. Der Eingang gehört zum Hotel del Coronado, einem weißen Schlösschen mit Türmen, Erkern und roten Dachziegeln. „The Del“, wie die Einheimischen das Wahrzeichen nennen, wurde vor mehr als 130 Jahren eröffnet und in den 1950er Jahren als Kulisse für den Film „Manche mögen’s heiß“ berühmt. Obwohl die Handlung in Florida spielte, drehte Billy Wilder die Außenaufnahmen mit Marylin Monroe am Pazifik.
Auf der dem Ozean zugewandten Seite der Halbinsel surft Carson privat, weil es dort höhere Wellen als in der Bucht gibt. Manchmal knattern tarnfarbene Hubschrauber über die Badegäste hinweg, denn die andere und sehr gut abgesperrte Hälfte von Coronado gehört dem Militär. Es unterhält dort eine der größten Marinebasen des Landes. Vicki Carson erzählt, dass Tom Cruise gerade gesichtet wurde, weil Hollywood die Fortsetzung von „Top Gun“ vor Ort dreht. Viele Einwohner sind Armeeangehörige, auch Carsons Vater war früher Militärpilot.
Inzwischen steht die Sonne im Zenit, die Surflehrerin sitzt an einem Picknicktisch und empfängt Kunden. Von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends bietet sie Kurse an, 16 Boards sind rund um die Uhr auf dem Wasser, während die Chefin Papierkram erledigt und in Pausen Bücher des Alltagsphilosophen Malcolm Gladwell liest. Sie trägt einen Poncho aus Leinen, darunter Leggings, auf dem Kopf einen Strohhut mit breiter Krempe und wohnt auf einem Boot in der Bucht. Jeden Morgen paddelt sie von dort fünf Minuten zur Arbeitsstelle. Abends könnte es etwas länger dauern: Nach dem Surfen am Coronado Beach legt sie noch einen Boxenstopp ein. „Für ein Bier in der Coronado Brewing Company.“
„Das war früher die Hippie-Gegend“
Ocean Beach: Das alternative San Diego
Nur ein paar Kilometer Luftlinie trennen Coronado und Ocean Beach. Oder: OB, wie ihn die Einwohner von San Diego abkürzen. Doch um von der gepflegten Halbinsel in das etwas abgerockte Viertel zu gelangen, muss man einen Bogen fahren, erst über eine kilometerlange Brücke, dann an Downtown und am Flughafen vorbei, einen Hügel hinüber, hinter dem eine andere Welt beginnt: die des alternativen San Diego.
An der Newport Avenue bekommen Besucher eine Ahnung davon. Tattoostudios, Glasperlenshops und ein uralter Plattenladen, in dem Kassetten für drei Dollar pro Stück verkauft werden. „Das war früher die Hippie-Gegend“, erzählt Maribeth Mellin, eine Reisebuchautorin, die seit 1976 in OB wohnt. Sie zeigt auf ein besonders großes Geschäft, „The Black Bead“, das Epizentrum aller Alternativaktivitäten. Das Sortiment reicht von Lavalampen über psychedelische Poster und Batikkleidung bis hin zu Fachbüchern über den richtigen Anbau von Marihuana. Für gesundheitliche Zwecke, versteht sich. „Wir waren eine Gemeinschaft von Stonern“, sagt Mellin über ihre Nachbarn.
Die besser verdienenden Angestellten auf der anderen Seite des Hügels fanden OB lange „dubios“, wie die etwa 60-Jährige erzählt. Oben vom Hang beäugten die alteingesessenen Familien, was unten am Strand die Hippies, Künstler und Homosexuellen trieben. Manche Straßenzüge teilte Mellin damals in „Kriegsgebiete“ auf, weil Drogendealer hier ihre nicht immer piekfeine Kundschaft empfingen. Ocean Beach hatte lange den Ruf, eher ein Räubernest als ein Ausflugsziel zu sein.
Mehr als 30 Jahre später lebt der Hippie-Geist nur ansatzweise auf dem knappen Quadratkilometer fort. Ein Hostel an der Newport Avenue ziert ein buntes Peace-Logo auf dem Dach, ein bemalter Bulli aus den 60er Jahren steht auf einem Parkplatz, der Duft von Marihuana weht über die Strandpromenade, wenn man sich abends unter eine der Palmen legt.
Heute fahren die Einwohner aus San Diego gern an den Strand, um bei „Third Corner“ ausgesuchte Weine zu probieren und mit ihren Kindern die heranrauschenden Wellen am alten Pier zu beobachten. Ocean Beach hat eine Wandlung vollzogen: vom Aussteigerhort zum Familienstrand. Dabei hat das Viertel seinen Charakter bewahrt, wie Maribeth Mellin findet. Eben noch keine Craft-Bierläden an der Promenade, dafür frittierte grüne Tomaten, wie sie Maribeth Mellin in der „OB Surf Lodge“ genießt und dabei die untergehende Sonne betrachtet.
Pacific Beach galt als Spaßbad der Metropole
Es ist ganz einfach. Man setzt sich morgens auf eine der Bänke aus Beton, gleich rechts vom Stelzenpier in Pacific Beach, sieht die Jungs mit den Vans voller Surfbretter anrollen, schaut auf den Ozean hinaus, und dann hört man John. Zuerst nur seinen dröhnenden Husten, der wie ein Störfeuer selbst durch Kopfhörer dringt, dann seine raue Stimme. John, nur John, er schüttelt die Hand, die ergrauten Locken flattern im Wind.
„Weißt du, das war früher ganz anders hier“, sagt er, 65 Jahre alt, kurze Hose, ärmelloses T-Shirt und Harley-Davidson-Basecap. John erzählt von den 70er und 80er Jahren und zeigt auf den Strand, wo sich junge Männer in Wetsuits hineinquetschen. Tagsüber sprangen die mutigsten der Kerle vom Pier mit den knarzenden Holzdielen, das Surfbrett in der Hand, auf die Wellen. „Abends saßen wir am Lagerfeuer, brachten Hühnchen mit, tranken Bier, klar, manchmal rauchten wir Haschisch, und dann verbrachten wir die Nacht da unten.“ Für beides, Alkohol am Strand und Sprünge vom Pier ins Wasser, drohen heute saftige Geldstrafen.
Pacific Beach galt lange als Spaßbad der Metropole, mehr Studenten als im südlichen Ocean Beach, mehr Bars, weniger Kriminalität und elterliche Aufsicht. Denn die lebten woanders, bestimmt nicht in den Bungalows, die sich drei oder vier Kommilitonen teilten.
John guckt aufs Wasser. Jungs liegen auf ihren Brettern, lesen die herankommenden Wellen wie andere Menschen Fahrpläne und springen im richtigen Moment auf das Board, um sich von den Kämmen ein Stück weit tragen zu lassen. John, der als Handwerker arbeitete, schaut auf die Küste nach links, wo Pelikane über das Wasser fliegen und die Gischt sich an einer Klippe bricht. „Es gibt keinen schöneren Ort auf der Welt.“
In den 80er Jahren begann der endgültige Aufstieg zum Partyviertel. Auf der Garnett Avenue, eine der Hauptstraßen, staute sich freitagabends der Verkehr. An jeder Ecke gab es ein Lokal, vor den Türen standen Menschen an, auf der Straße Autos Stoßstange an Stoßstange. So erzählt es John. PB, natürlich kann man auch dieses Viertel auf zwei Buchstaben zusammenstauchen, wurde zum lauten Bruder von OB.
Die Lässigkeit der vergangenen Tage hat sich erhalten. Flip-Flops und kurze Hosen sieht man überall. Auf der gut zwei Kilometer langen Promenade laufen Jungs oben ohne vorbei, in den Restaurants sitzen Familien in Freizeitkleidung. Allerdings hat sich der Altersdurchschnitt gewandelt, viele Studenten können sich die Gegend nicht mehr leisten. Und John, der Fliesenleger, hat vor kurzem seine Firma verkauft.
Gleichberechtigung am Pazifik
Die Diven von La Jolla
„Eine Diva verrät weder ihr Alter noch ihr Gewicht.“ Sagt Coco Tihanyi und zieht ihre Lippen zu einem Schmunzeln zusammen, das eine Spur Zurechtweisung enthält. In La Jolla, dem nördlichsten Strandviertel, haben die Frauen das Sagen. Mit ihrer Zwillingsschwester Izzy hat Tihanyi 1996 die erste weibliche Surfschule gegründet: Surf Diva.
Die Idee kam ihnen, als sie erfuhren, dass Frauen kaum Surfbretter kauften, weil niemand ihnen den Sport beibrachte. Zum ersten Kurs kamen eine Handvoll Bekannte, zum zweiten doppelt so viele, zum dritten drei Mal mehr. Heute beschäftigen die Diven 60 Surflehrer, nicht nur Frauen, und verkaufen im Laden an der Avenida de la Playa eine dazugehörige Modelinie mit Basecaps, T-Shirts und die sogenannten „rash guards“, Spandexshirts, die vor Sonnenbrand schützen.
Diva Coco erzählt in ihrem Büro, dass die Zwillinge das erste Mal mit sechs Jahren auf einem Brett standen. „In den 70er Jahren“, so viel lässt sie durchblicken. Schwimmen, Tauchen, Surfen, das gehörte zu ihrer Jugend wie bei uns Fuß- und Handball. Als die Mädchen älter wurden, bemerkten sie, dass die Jungs sie mit abfälligen Bemerkungen triezten. „Get out of here!“ Am Pazifik war die Gleichberechtigung noch nicht angekommen, also kämpften die Schwestern dafür.
Ein Spaziergang zwischen zwei Welten
La Jolla selbst spielt sich manchmal wie eine Diva auf. Eine mit gespaltener Persönlichkeit. Unten am Strand liegt La Jolla Shores, das mit den altrosa Waschbetonbänken wie ein in die Jahre geratenes Ferienresort aussieht. Oben auf einem Kliff befindet sich das Village, das eine Miniversion von Beverly Hills sein möchte. Porsche Cayennes, Dog Walker, Dachterrassenyoga. Luxuslabel haben ihre Boutiquen im Zentrum eröffnet, und im Hotel „La Valencia“ feiern Hochzeitsgäste vor pink getünchtem Kolonialchic.
Eigentlich verbindet die beiden Teile nichts: außer einem Küstenwanderweg. Ein 45 Minuten-Spaziergang zwischen zwei Welten – vorbei an einer Seelöwen- und Kormorankolonie. Die Robben liegen dicht an dicht, satte Plumpssäcke, über die der Geruch von Vogelkot zieht. Ob sich „Grace & Frankie“ daran stören? Die Heldinnen der Netflix-Produktion, zwei taffe alte Damen, leben in La Jolla. Die Hauptrollen spielen Jane Fonda und Lily Tomlin, zwei Hollywood-Diven.
Coco Tihanyi geht die Treppe aus ihrem Büro hinunter ins Geschäft. Die Flip-Flops klatschen auf den Boden. Hellblau leuchtet der Lack auf den Zehennägeln. Eine Diva eben.
Reisetipps für San Diego
Hinkommen
Mit British Airways über London oder mit Lufthansa über Frankfurt, Tickets kosten ab 740 Euro.
Unterkommen
Tower 23, Pacific Beach, Boutiquehotel direkt an der Promenade, DZ ab 280 Euro pro Nacht.
La Valencia, La Jolla, altes Grandhotel, in dem früher viele Hollywoodstars abstiegen, DZ ab 330 Euro pro Nacht.
Ocean Beach International, Hippie-Hostel, DZ ab 120 Euro pro Nacht.
Rumkommen
SUP Coronado bietet Kurse ab 50 Dollar an und vermietet Boards für 35 Dollar am Tag, supcoronado.com.
Surf Diva in La Jolla hat Gruppen- und Einzelunterricht im Programm, auch für Kinder, Preise auf surfdiva.com.
Ulf Lippitz
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