Der Traum vom eigenen Hotel: Die goldenen Regeln fürs Bed & Breakfast
Das eigene Zuhause zum Hotel machen, davon träumen nicht nur Gemma und Michelle. Karen Thorne holt in einem Kurs die Schwärmer auf die Erde zurück.
Hopton House in Hopton Heath, ein Dorf ohne Kern, aber mit Bahnanschluss, in Shropshire, Englands Mittelwesten. Ein sommerliches Wochenende, eigentlich viel zu schön, um drinnen zu hocken. Am liebsten würde man es wie die Hühner machen: den ganzen Tag durch den Garten stolzieren und ein bisschen gackern dabei. Die illustren Tiere, rare Arten, hat Karen Thorne sich zum eigenen Vergnügen angeschafft. Aber sie erhöhen natürlich auch den Idylle-Faktor ihres Betriebs. Und legen die Zutaten für die Eggs Benedict.
An den lustigen Hühnern haben die Gäste, die jetzt im Frühstückszimmer sitzen, gerade kein Interesse. Es geht schließlich um ihr Leben. Die Teilnehmer des Wochenendseminars haben nur Ohren und Blicke für ihre Kursleiterin.
Wer mit 20 kein Kommunist ist, hat bekanntlich kein Herz. Wer mit 40 noch nicht davon geträumt hat, ein Café oder ein Bed & Breakfast zu eröffnen, hat keine romantische Ader. Adé Büro und raus aufs Land, ein hübsches Cottage, von blühenden Rosen überwuchert, reizende Gäste mit selbstgebackenem Kuchen erfreuen und mit ihnen vor dem Kamin anregende Gespräche führen ...
Und was ist mit Waschen, Einkaufen, Putzen? Morgens früh aufstehen, den halben Tag auf die Gäste warten, Grantler bei Laune halten, Fremden nachts beim Gang zum Klo begegnen? In ihrer „Bed & Breakfast Academy“ holt Karen Thorne die Träumer auf die Erde zurück. Die preisgekrönte Wirtin gibt den Kollegen in spe ein paar goldene Regeln an die Hand.
Die Warumfrage klären
Überlegen Sie sich genau, warum Sie ein B & B eröffnen, rät Karen, klein, blonder Pagenschnitt, Kulleraugen.
„Um mein eigener Boss zu sein,“ sagt Sheena, die mit Mann und Kind in Südengland wohnt und gern in ihre schottische Heimat zurückkehren würde, zurück in die Natur. „Ich liebe Menschen.“
„Ich will ans Meer, ein besseres Leben führen, das Optimum aus den eigenen Fähigkeiten machen“, sagt IT-Beraterin Michelle, die schon einige Selbstfindungsseminare absolviert zu haben scheint. Ihr Mann Vince, Bauleiter für eine Gartenfirma, ist die stressige Pendelei nach London leid. Die beiden möchten mehr Zeit miteinander haben.
Gemma hat eine gescheiterte Ehe hinter sich, ihren Job als Journalistin verloren, einen neuen Partner gefunden, und der hat sie ermuntert: Lebe deinen Traum! Wobei im Laufe des Wochenendes die Zweifel wachsen, ob das wirklich das ist, wovon sie träumt.
Wunschgäste definieren
Lage, Lage, Lage! Das ist nicht nur das Mantra der Immobilienentwickler, sondern auch der Pensionswirte. Erst mal die Gegend recherchieren, empfiehlt Karen, wer dahin kommt und warum. Zur Haussuche, zum Hochzeitfeiern, Wandern, Shoppen, Geschäfte machen? Dann heißt es aussieben. Das hat Kate schnell gelernt: Man kann es nicht allen recht machen. Jägern und Vegetariern, Paaren, die sich auf ein romantisches Wochenende freuen, und Familien mit krähenden Kindern, Hundebesitzern und Allergikern. Also konzentriert man sich auf jene, die man gern bei sich haben möchte. „Suchen Sie sich Nischen.“ Sie selbst zum Beispiel hat ein hundefreundliches Zimmer, nimmt aber keine kleinen Kinder mehr auf. Karen stellt sich konkrete Leute vor, die sie Alex und Dan genannt und für die sie Profile entworfen hat: Sie wandern gern, aber nicht länger als zwei, drei Stunden, essen und trinken mit Genuss, mögen das Land, lieben Hunde. So kann sie ihr Marketing besser steuern. Alex und Dan hat Karen auch im Kopf, wenn sie twittert und bloggt, Newsletter an ihre Stammkunden schickt (die zwei Drittel ihrer Gäste ausmachen), die Website aktualisiert. Die sozialen Netzwerke wollen permanent gefüttert werden.
Simplify
Karen Thorne war 38, als sie 2004 ihren Job in der Verwaltung von British Airways aufgab und ihr B & B eröffnete, um sich ihren Wunsch vom selbstbestimmten Leben auf dem Land zu erfüllen und ganz viel kochen und backen zu können. Nun stand sie morgens um sechs auf, um den Gästen ein exquisites Frühstück zuzubereiten, anschließend Check-out, Zimmer putzen, Bettzeug waschen und bügeln, einkaufen und backen und auf die Neuankömmlinge warten. Dann ließ sie sich mit diesen zur Teatime nieder, sprang auf, Dinner kochen. Spülen, ins Bett fallen und wieder aufstehen.
Es hat vier Jahre gedauert, bis sie dachte: Halt! Ein 18-Stunden-Tag für weniger als den Mindestlohn? Seitdem stellt sie den Gästen selbstgebackenen Zitronenkuchen aufs Zimmer. Heißwasserkocher, Tassen und Tee gehören eh zur Grundausstattung jeder britischen Pension. Und Schluss mit dem mehrgängigen Menu. Wer keine Lust hat, zum Essen auszugehen, kann sich vorher eine Käseplatte mit allerlei Schmankerln bestellen. Simplify!, rät sie den Seminarteilnehmern.
Jetzt serviert sie ihnen Bananenkuchen mit Zimt, einer ihrer Klassiker. Ein super Rezept, wie sie sagt, für das sie einfach alle Zutaten in die Kitchen Aid schmeißt, zwei Minuten später ist der Teig fertig. Sheena, Michelle, Vince und Gemma nicken mampfend. Wollen sie unbedingt in ihr Repertoire aufnehmen.
Wobei, was den Gästen offenbar inzwischen am allerwichtigsten ist, das ist was anderes: Ladestation und Wifi. „Wichtiger als frischer Luft.“
Die Küche ist für ihre Besucher tabu
Outsourcen
Was kann man gut, was hasst man? In Karens Fall: Putzen. Also hat sie sich Hilfe dafür geholt. Ihre Bettwäsche leiht sie bei einem professionellen Service, der sie schmutzig abholt und frisch gemangelt zurückbringt. Damit die Wäsche nicht zu oft gewechselt werden muss, verlangt sie einen Mindestaufenthalt, zwei Nächte.
Das Saubermachen, warnt Karen, verschluckt die meiste Zeit. „Man muss viel mehr tun als zu Hause!“ Praktisch jeden Tag Frühjahrsputz. Dafür hat sie allein drei verschiedene Staubsauger.
„Ich weiß nicht“, sagt Sheena, die Schottin, „ob ich den Mist von jemand anderem aufräumen will.“
Grenzen ziehen
Von der Küche in Hopton House haben die Besucher sich fernzuhalten; wenn doch jemand reinstürmt, wird er freundlich wieder rausgeschickt. „Privatsphäre ist elementar!“ Und bloß nicht denken, man gewöhnt sich schon dran. „Was einen jetzt stört, wird einen in einem Jahr noch viel mehr nerven.“
„Ein B & B ist kein Hotel mit Service rund um die Uhr.“ Darum hat sie feste Zeiten eingeführt, Check-out morgens um halb elf, Check-in zwischen 16 und 19 Uhr. Ausnahmen sind möglich, aber nur nach Ansage. Karen ist Frühschläferin. Sie fällt am liebsten um neun ins Bett.
Persönliches bieten
Früher ging man in Privatunterkünfte, um Geld zu sparen. Heute sind sie so beliebt, weil die Leute mehr als ein Bett wollen, nämlich ein Erlebnis. Das ist einer der Gründe, warum Airbnb so boomt. Ein B&B deluxe, wie Karen es betreibt, ist oft teurer als ein Hotel. Weil es etwas Besonderes ist. Wie der Schaukelstuhl von Karens Schwiegervater. „Der persönliche Touch ist extrem wichtig.“ In einer solchen Herberge erwarten die Gäste mehr als Toast und Speck. Heute American Pancakes mit Blaubeeren, morgen Eggs Royale. Dazu Gespräche mit richtigen Menschen statt Dienstleistern, persönliche Empfehlungen. Viele Leute, so Karens Erfahrung, wissen nicht so recht, was sie unternehmen sollen, sind dankbar für Vorschläge.
Um zu entspannen, muss sie wegfahren
Den Schimpansen zähmen
Auf den Schimpansen kommt die Lehrerin immer wieder zu sprechen. Sie schwört auf das Buch „The Chimp Paradox“ von Steve Peters, hat durch ihn gelernt, das impulsive, emotionale Ich – den Schimpansen in sich – etwas zu zähmen, nicht permanent auf das Gedankenkarussell aufzuspringen, das sich tagelang im Kreis dreht. Karen hat viele schlaflose Nächte gehabt. Denn der Schimpanse, so ihre Erfahrung, ist fünf mal so stark wie der Verstand. Eine einzige schlecht gelaunte Bewertung lässt 50 gute vergessen. Grrh. Ihr Rat: Wenn ein Gast auf Tripadvisor einen bösen Kommentar abgibt, die Antwort, die der schäumende Schimpanse geben würde, auf einen Zettel schreiben – und ihn anschließend wegschmeißen. Stattdessen eine rationale, diplomatische Antwort formulieren und posten. Aber unbedingt antworten! Nicht wegen des verärgerten Besuchers, sondern wegen der potenziellen Gäste, die sich die Seite angucken.
Keine Dumpingpreise
Als studierte Mathematikerin kann Karen mit Zahlen umgehen. Auch wenn die Zimmer nicht ausgebucht sind: Nie würde sie diese zum halben Preis verschleudern. „Dafür lohnt sich die Arbeit nicht.“ Sie rät, für sich selbst einen Mindestpreis festzulegen. „Drei große Räume für je 100 Pfund sind besser als sechs Zimmer à 50 Pfund.“ Die drei machen halb so viel Arbeit, und man hat weniger Ausgaben, für Wäsche oder Essen.
Booking.com hält sie für eine zwiespältige Angelegenheit. Einerseits bietet die Plattform selbst kleinen Betrieben die Möglichkeit, gefunden zu werden. Andererseits kassieren sie, laut Karen, 15 Prozent der Einnahmen plus Mehrwertsteuer. Und: „Die Leute, die über Booking.com kommen, sind nicht deine Gäste, sondern die von Booking.com.“ Sie will lieber solche, die gezielt zu ihr reisen. „Mit einer eigenen Website kann man das besser steuern.“
Sich selber pflegen
Als wäre es noch nötig zu sagen: „Unterschätzen Sie nicht das Ausmaß der Arbeit und emotionalen Belastung. Die meisten Gäste kommen ja erstmal gestresst an. „Es ist elementar, sich um sich selber zu kümmern.“ Genau wie im Flugzeug, wo die Stewardess den Passagieren auch einschärfe, sich erst selbst die Sauerstoffmaske anzulegen, bevor man anderen dabei hilft. „Achten Sie auf Auszeiten. Nach dem Haus sind Sie der zweitwichtigste Posten des Geschäfts.“ Mindestens eine halbe Stunde versucht Karen jeden Tag spazieren zu gehen, sie meditiert, fotografiert und strickt. Bestimmte Zeiten werden im Buchungskalender für die Familie geblockt, mit ihrem Mann macht sie regelmäßig Urlaub, möglichst weit weg. Denn so schön der weitläufige Garten, der Blick in die Hügel ist: Um zu entspannen, muss sie wegfahren. Zu Hause ist Karen immer im Dienst.
Hopton House, Hopton Heath, Craven Arms, Shropshire, Tel. +44/1547/530885, Doppelzimmer ab 130 Euro. Die Wochenendseminare (280 Euro) finden einmal im Monat statt. shropshirebreakfast.co.uk
Mehr Infos zu B & Bs in Großbritannien: visitbritain.com.
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