zum Hauptinhalt

50 Jahre Hipgnosis: Die Coverstory

Für die Scorpions klebten sie Kaugummi an Brüste, für Pink Floyd zündeten sie einen Menschen an. Hipgnosis-Mitbegründer Aubrey Powell verrät die Ideen hinter den Bildern.

The Nice, Elegy

Als wir Hipgnosis Ende der 60er gründeten, faszinierten uns Künstler wie Magritte, Dalí oder Buñuel. „Elegy“ war 1971 unser erstes eigenes surrealistisches Werk: weiter Himmel, breite Landschaft. Den Entwurf habe ich in einem Restaurant auf eine Serviette gemalt. Keith Emerson war begeistert. Also fuhren wir mit Koffern voller Plastikbälle nach Marokko, ich habe sie in den Dünen platziert und dann mit einem Besen meine Spuren beseitigt. Geometrische Formen waren fortan eines unserer Markenzeichen. Wir fingen an, Skulpturenbilder zu machen, und aus der Coveragentur wurde ein Künstlerhaus.

Wishbone Ash, Argus

In den 70ern fielen die Kontaktmöglichkeiten zwischen Fans und Stars sehr begrenzt aus. Also war es die Aufgabe des Covers, zu erzählen, wer die Band ist. Wir hatten den Job, diese Geschichten zu entwickeln. Am liebsten mysteriöse, so wie hier 1972. Ein Soldat starrt in den Nebel, in dem sich, wenn man das Cover aufklappt, eine fliegende Untertasse versteckt. In unseren Bildern sind häufig Menschen von hinten zu sehen, weil wir schlicht keine Porträts mochten. Das war damals Standard. Außerdem kam so keiner auf die Idee, es handele sich um eines der Bandmitglieder im Kostüm.

Led Zeppelin, Presence

Die Collage war eine Technik, mit der wir gern und oft gearbeitet haben. In diesem Fall verbanden wir ein Foto von einer Bootsausstellung mit einer Studiofotografie und malten schließlich das schwarze Objekt auf. Wir hatten zwar ein echtes Modell aus Holz und Glasfaser gefertigt, aber es sollte zweidimensional und dadurch noch befremdlicher wirken. Die Idee war, Led Zeppelins damalige Allgegenwärtigkeit zu visualisieren. So kombinierten wir den Monolithen aus „2001“ mit Marcel Duchamps Konzept des Readymades. Die Originalplastik habe ich übrigens immer noch.

Pink Floyd, Wish you were here

Digitale Bildbearbeitung gab es nicht, als wir 1975 dieses Cover konzipierten. Wir mussten also tatsächlich einen Stuntman anzünden. Doch dadurch hat das Bild eine Atmosphäre und Emotion, die es nicht hätte, wäre es mit Photoshop bearbeitet worden. Es berührt, weil man an seiner gebeugten Haltung sehen kann, dass der Mann tatsächlich Angst hat. Das Motiv ist ein Symbol für die Musikindustrie, von der das Album erzählt. Die Manager in ihren Anzügen interessiert nur Geld, man schließt Deals, mancher verbrennt sich dabei. Auch der Stuntman übrigens. Aber da hatten wir das Bild schon im Kasten.

XTC, Go 2

Hipgnosis arbeiteten wie Andy Warhols Factory.

Jeder konnte Ideen einbringen. Manchmal lagen die jahrelang rum, weil niemand sie wollte. Das Cover hier ist so ein Fall. Wir hatten XTC ein paar Entwürfe gezeigt, die sie nicht mochten, dann entdeckten sie es an der Wand. „Für wen ist das? Das wollen wir.“ Der Text ist sarkastisch, aber es ging nicht darum, sich lustig zu machen. Dafür haben wir unsere Arbeit viel zu ernst genommen. Wir haben bis zu 16 Stunden täglich gearbeitet. Wir waren Getriebene, wir waren brutal – zu uns und unseren Mitarbeitern. Es hat einen Grund, warum ich fünfmal verheiratet war.

Scorpions, Lovedrive

So ein Cover könnten wir heute nach #MeToo nicht mehr machen. Aber Ärger gab es auch 1979 schon. In Amerika wurde es zensiert. Dabei ist es eigentlich kein sexuelles Bild, der Kaugummi ist ein Symbol für die Anspannung in der Beziehung. Leider hat das kaum einer verstanden. Auch unser Cover für Led Zeppelins „Houses of the Holy“, bei dem nackte Kinder einen Berg hochklettern, wird heute oft kritisiert. Wir haben da ganz unschuldig eine Idee aus Arthur C. Clarks „Childhood’s End“ umgesetzt. Wer da an Sex denkt, ist krank. Wahrscheinlich war es einfach eine weniger komplizierte Welt damals.

Edgar Broughton Band, s/t

Unsere Entwürfe entstanden oft unabhängig von Musik oder Texten. Hier war das anders. Die Edgar Broughton Band kämpfte für die Arbeiterklasse und unser Bild illustriert den niemals endenden Kreislauf der Lohnarbeit: aufstehen, Fabrik, Fernsehen, am nächsten Tag von vorne. Die Plattenfirma hat das Bild gehasst, aber da wir uns immer nur von den Bands engagieren ließen, war uns das egal. Die Musiker bezahlten gerne. Das große Zeitalter der Coverkunst beendeten erst der Punk mit seiner DIY-Attitüde, die winzigen CDs und die Musikvideos. Also hörten wir 1982 auf – und wurden eine Filmfirma.

Aubrey Powell.
Aubrey Powell.
© Hipgnosis – Das Gesamtwerk, Edel Verlag

Zur Startseite