Barcelona: Die besten Tipps von einem „Wiederholungstäter“
Meeresbrise, knarzende Beats, Shrimps mit grünen Bohnen: Unser Autor reist seit Jahren in die Hauptstadt Kataloniens und entdeckt sie immer wieder neu.
Offene Stadt
Diese Stadt öffnet sich zum Meer. Die Boulevards führen ans Wasser, im Viertel Barceloneta weht ein scharfer salziger Wind, selbst im Februar kann man bei Sonnenschein auf der Kaimauer liegen und sich ein bisschen wie im Sommer fühlen. Den besten Blick auf die Weite des Mittelmeers haben Tagesvertrödler von der Terrasse des Cafés „Buenas Migas“ (Plaça del Mar 1), wo das Arbeiterviertel auf den Strand trifft. Ich kaufe mir eine salame dulce, einen gesalzenen Kalten Hund, tunke ihn in eine Portion Naturjoghurt und setze mich auf einen Stuhl. Dort laufen sie alle vorbei: die Skater, Familien, Taschendiebe, Surferboys und Touristen. Mehr Theater geht nicht.
Versteckte Plätze
Barcelona wird von Touristen überrannt. 30 Millionen sollen es vergangenes Jahr gewesen sein. Legen die Kreuzfahrtschiffe an, schieben sich Menschenmassen an der Kathedrale vorbei. Und doch gibt es in der Altstadt ruhige Orte. Zur Plaça de Sant Felip Neri bin ich dank der Hilfe eines Freundes gelangt, denn nur zwei krumme Gassen führen auf diese „kleine Lichtung inmitten des Gassengewirrs des gotischen Viertels“, wie Carlos Ruiz Zafón den Platz in seinem Bestseller „Der Schatten des Windes“ schreibt. Unter Tipubäumen kann man auf der Caféterrasse ein Glas Tee trinken, dem Plätschern des Brunnens zuhören – und die grimmige Geschichte nachlesen, wie 1938 die Faschisten Bomben auf das widerständige Barcelona abwarfen und eine davon die barocke Kirche traf, in der sich 42 Menschen versteckt hielten, darunter viele Kinder der nebenan gelegenen Schule.
Verborgene Schichten
Gótico war einst das Zentrum der Stadt, das Viertel Born der östliche Rand mit Hafen und Kaufmannshäusern. Als Arbeiter vor 20 Jahren damit begannen, die Markthalle von Born zu renovieren, entdeckten sie Fundamente einer längst vergangenen Zeit. So gut waren die Überreste erhalten, dass die Stadt sich entschloss, aus der Halle eine überdachte Ruinenstätte zu machen. Auf erhöhten Stegen wandern Besucher nun über die alten Straßen und Kanäle von Born, lernen auf Schautafeln etwas über die Geschichte des frühen 18. Jahrhunderts, als Barcelonas Hoffnung auf einen katalanischen Staat endgültig zerstört und die Stadt dem spanischen Reich einverleibt wurde. Der Eintritt zur Haupthalle ist frei, für die angegliederten Ausstellungen und eine Führung durch das Ruinenfeld muss man ein Ticket lösen.
Auf einen Cocktail
In Barcelona feiern die Menschen genauso intensiv, wie sie über die katalanische Unabhängigkeit von Spanien diskutieren. Eine Institution ist die kleine Bar „Boadas“ (Carrer Tallers 1) in der Nähe der Rambla. In einem Raum nicht größer als ein Späti servieren livrierte Barkeeper altmodische Cocktails. Und das seit 1933. Angeblich sollen Ernest Hemingway und Joan Miró an derselben Stelle ihre Drinks genossen haben, an der ich meist einen Gin Tonic nehme. Das erste Mal stand noch die Besitzerin in feinem Abendkleid an der Kasse, trotz ihrer mehr als 80 Jahre Lebenserfahrung. Leider ist sie vor einiger Zeit verstorben. Ihre Erben haben nun die Aufgabe, die vielen Stammkunden mit einem ebenso herzlichen Service zu halten.
Am östlichen Rand des Stadtzentrums sieht es nicht mehr nach altem Barcelona, sondern nach jungem New York aus. Die Bar „Libertine“ (Gran Via de les Corts Catalanes 700), nahe dem Triumphbogen im Stadtteil Eixample, hat vor ein paar Jahren in einem schummrigen Innenhof eröffnet, vorbei am kleinsten Buchladen der Stadt, einem aufklappbaren Schaufenster im Durchgang. An der Decke drehen sich Ventilatoren, junge Menschen strecken sich auf gemütlichen Ledersofas in Überlänge, und der DJ beschallt den meterhohen Raum mit knarzenden Beats.
Geheimnisumwoben: Der Bau in der Calle Bailen 70
Ins Gewimmel
Richtig ausgehen will ich weder an der Rambla noch in Eixample, dafür ziehe ich lieber in den Norden, nach Gràcia. Vor knapp 100 Jahren war das Viertel noch ein eigenes Dorf, aus jener Zeit haben sich die Bewohner ihren Starrsinn bewahrt. Aus vielen Fenstern wehen katalanische Fahnen. Das Dorf beginnt, wo der Boulevard Passeig de Gràcia endet. Einfach in das Straßengewirr abbiegen und den Menschenströmen folgen. Beinahe automatisch gelange ich immer an den Rathausplatz, auf dem abends die Kinder Fußball spielen und die Erwachsenen ein Bier trinken. Danach in der Calle Verdi flanieren, wo Cafés, Bars und das einzige Kino des Viertels um Vergnügungswillige konkurrieren. Um die Ecke liegen meine liebsten Restaurants, vorneweg das „Pepita“ (Carrer de Còrsega 343) mit modernen Tapas-Variationen. Reservieren geht leider nicht, dafür darf sich jeder Gast mit Edding an der Wand verewigen und schon mal neidisch auf die Shrimps mit grünen Bohnen gucken, die der Kellner gerade vorbeiträgt. Gibt es keinen freien Platz mehr, geht es ins „Pepa Tomate“ (Plaça Revolució de Setembre 1868 17), zehn Minuten zu Fuß durch die Gassen. Die Gerichte sind traditioneller, Patatas Bravas, frische Kroketten, dafür kostet das Essen weniger.
Verrücktes Gebäude
Einen viertelstündigen Fußmarsch entfernt von Gràcia liegt Barcelonas exzentrischstes Gebäude: die unvollendete Kathedrale Sagrada Família, erdacht von Antoni Gaudí. Sie ist wirklich kein Geheimtipp, doch so irre, dass ich immer wieder zu ihr zurückkehren muss wie zu einer schrulligen Tante. Der Anblick erinnert mich an ein Märchenschloss, erdacht von einem Durchgeknallten, der Weihnachtsbäume und Heilige gleichwertig an der Fassade erbauen ließ. An der Kirche wird seit 1882 gebaut, seit einem Jahr sind die gezackten Türme mit den bunten Mosaiken fertig. Klappt alles, ist der gesamte Bau in zehn Jahren vollendet. Man kann einige Türme bereits besteigen, spätestens seit dem Barcelona-Werbefilm „Vicky Cristina Barcelona“ von Woody Allen empfiehlt sich eine Online-Anmeldung. Eine bessere Sicht auf die Stadt haben Touristen von der Kirche Sagrat Cor auf dem Tibidabo. Dieser weiße Bau wacht auf 512 Metern über die gesamte Stadt, von der Kirchentreppe geht der Blick über das Beton- zum Mittelmeer. Besonders zum Sonnenuntergang gibt es keinen romantischeren Ort.
Kuriosität
Geheimnisumwoben ist der Bau in der Calle Bailen 70 – „der mysteriöse Tempel“, wie ihn mir ein Freund einmal beschrieb. Hinter Oleanderbüschen und Palmen versteckt sich ein pseudorömischer Tempel mit dicken Säulen und mächtigen Türen: das Parthenon Masriera. Es wurde 1882 von zwei Brüdern in Auftrag gegeben, die eine Kopie des Augustustempels erschaffen wollten. Ein Theatersaal soll sich unter anderem im Inneren befinden, das leider nicht öffentlich zugänglich ist. Auf 1000 Quadratmeter Fläche residiert im neoklassizistischen Bau nämlich heute ein Nonnenorden. Ich habe schon einige Male durch das schmiedeeiserne Gitter gelinst und mir vorgestellt, dass einige Figuren aus den Romanen von Carlos Ruiz Zafón hier Zuflucht finden könnten.
Ins Bett
Empfehlenswert sind die Praktik-Hotels, einfache Boutiquehotels mit zwei oder drei Sternen, von denen es in Barcelona inzwischen fünf Ableger gibt (ab 50 Euro pro Zimmer). Nur finde ich inzwischen geräumige Badezimmer essenziell. Die Gründer der Praktik-Kette haben den ehemaligen Hauptsitz des Verbandes der Baumwollindustrie übernommen, einen Prachtbau aus dem 19. Jahrhundert, und ihn in ein Designhotel umgewandelt. Wenn sich die Schiebetüren des Cotton House (Gran Via de les Corts Catalanes 670) surrend öffnen, atme ich aus. Vom achteckigen Empfangsraum geht es links zu einer eleganten Wendeltreppe, die bis in die sechste Etage führt und inzwischen selbst eine veritable Sehenswürdigkeit geworden ist. Rechts führt eine nicht weniger beeindruckende Marmortreppe hoch zum Restaurant und den Zimmern. Der Clou ist die tennisplatzgroße und üppig bepflanzte Terrasse. Ein Glas knackig kalten Verdejo für fünf Euro in dschungelartiger Kulisse genießen, das ist im Gegensatz zu den Übernachtungspreisen (ab 200 Euro) auch für Nachmittagseinkehrer erschwinglich. Wer mag, kann das Grün gleich ein bisschen länger genießen und bis zum Abend bleiben. Die charmanten Kellner machen es einfach, sie scheuen auch nicht vor Komplimenten zurück. Und die Aussicht auf den Abendhimmel ist ebenso verheißungsvoll wie der Gedanke, noch einen Tag länger zu bleiben.
Reisetipps für Barcelona
Hinkommen
Von Berlin aus mit Easyjet, Vueling, Eurowings oder Ryanair fliegen. Tickets gibt es ab 60 Euro aufwärts, bei atmosfair.de kann man das Gewissen mit Kompensationszahlungen beruhigen.
Unterkommen
Das Cotton House in Barcelona liegt an der Gran Via de les Corts Catalanes 670. Ab 200 Euro kann man ein Doppelzimmer unter hotelcottonhouse.com buchen. An der Bar werden rund um die Uhr Snacks serviert – eine Seltenheit in der spanischen Stadt. Im Hotel Praktik Bakery schläft man im ruhigen Teil von Eixample, Calle Provenca 279. Das Erdgeschoss beherbergt eine hauseigene Bäckerei, man wird vom Duft frischer Brötchen geweckt. Ab 50 Euro pro Zimmer, hotelpraktikbakery.com.
Rumkommen
Der öffentliche Nahverkehr ist hervorragend ausgebaut. Am besten ein sogenanntes Carnet für zehn Fahrten kaufen, es kostet 10,20 Euro und gilt in Metro, Bus und allen Straßenbahnen. Macht mehr Spaß: In den touristisch erschlossenen Vierteln haben mittlerweile Fahrradverleihstationen aufgemacht. Die Preise betragen etwa 15 Euro pro Tag und Rad. Besonders im Sommer lohnt sich damit die Fahrt an der Strandpromenade entlang.
Ulf Lippitz