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Reise: Zwei auf einen Streich

Rom oder Barcelona, das ist keine Frage. Beim Metropolen-Hopping sieht man beide

Er will nach Rom. Nicht wegen des Papstes. Doch nach x-Jahren Lateinunterricht und einer damals verpassten Klassenfahrt an den Tiber soll es nun endlich zu den Stätten von Julius Cäsar, Brutus und Nero gehen. Sie hingegen steht nicht so auf „Trümmertourismus“. Außerdem kennt sie die ewige Stadt, hat sogar den Papst zu Gesicht bekommen. Sie will nach Barcelona. Flanieren auf den Ramblas, Gaudís Architektur bestaunen, die Atmosphäre einer Stadt am Meer genießen. So stellt sie sich ein langes Wochenende in einer europäischen Weltstadt im Süden vor. Nun, beiden kann geholfen werden. Selbst die Kosten halten sich in Grenzen, wenn man Rom und Barcelona geschickt kombiniert. Und eine Mini-Kreuzfahrt ist auch dabei.

Keine Frage, es lohnt sich, sowohl Rom als auch Barcelona ausführlich und mit viel Muße zu erkunden. Doch wer hat schon Geld oder Zeit, um sich eine Woche, zehn Tage lang durch zwei Städte treiben zu lassen, die wichtigsten Museen zu besuchen, auf Märkten Atmosphäre zu schnuppern, an lauen Abenden ein Gefühl für Stadt und Menschen zu entwickeln? Schwierig. Was oft bleibt, sind klassische Städtereisen, zwei, drei Tage, wie sie in unüberschaubarer Zahl von Veranstaltern angeboten werden. Manche richtig günstig, andere jenseits jeglicher Preisvorstellung. Doch in der Regel muss man sich für eine Stadt entscheiden, etwa Rom oder Barcelona.

Doch wie wär’s mit einer Kombination? Rom und Barcelona. In Eigenregie organisiert geht das auch zeit- und preislich relativ glimpflich ab: freitags abends nach Rom fliegen, den ganzen Sonnabend in der Stadt verbringen, am späten Abend aufs Schiff, nach 20 Stunden entspannender Seefahrt am Spätnachmittag Barcelona erreichen, den Abend und den Montag die Hauptstadt der Katalanen erkunden, dann abends per Flug zurück. Zugegeben, ziemlich intensiv. Doch in der Tat stellt sich am Ende der Reise ein Gefühl ein, als sei man wenigstens eine Woche lang von zu Hause ausgebüxt.

Was lässt sich an einem langen Sonnabend in Rom bewerkstelligen? Wie so oft im Leben: Es kommt drauf an. Rom-Kenner wird es zu ihren Lieblingsplätzen ziehen. Doch was ist mit „Rom für Anfänger“? Also, es gibt bestimmte Dinge, die man gesehen haben muss. Forum Romanum und Kapitol im Zentrum des alten Rom wird wohl niemand auslassen wollen. Ebenso wenig das nahe Kolosseum. Auch wenn es einem die Vielzahl anderer Besucher selten leicht macht – es ergibt sich schon eine eindrucksvolle Vorstellung von dem, wie sich das Leben dort einst abspielte.

An Vatikanstadt scheiden sich die Geister. Petersdom und Sixtinische Kapelle gehören eigentlich zum Basispaket einer Rom-Tour. Das Mindeste ist ein Blick von außen. Denn meist hat man Pech – die Warteschlangen sind ewig lang. Da zahlt es sich dann aus, wenn jemand organisiert reist und zu einer bestimmten Zeit garantiert eingelassen wird. Für Kurzbesucher gilt: nirgends anstellen! Man weiß nie, wie lange es dauern kann. Außerdem zu beherzigen: Disziplin beim Fotografieren! Eigentlich reizt in Rom fast jede Ecke dazu, sie lichtbildnerisch zu erfassen. Doch wer mehr sehen möchte, darf nicht zu sehr trödeln, sondern muss sich etwas sputen. Und dabei kann er getrost die Spanische Treppe sowie den Trevibrunnen links liegen lassen, zumal Anita Ekberg einst nur für den Film La Dolce Vita den Fluten der barocken Anlage entstieg und die Chance touristisch versiebt wurde, eine tägliche Vorführung zu etablieren. Außerdem birgt die Spanische Treppe eine ganz große Gefahr: Es soll schon vorgekommen sein, dass die exklusive Modemeile Via Condotti am Fuß der Freitreppe zu einer Art Bermuda-Dreieck für Frauen wurde. Wer also seine weibliche Begleitung schätzt, schützt sie und schlägt rasch ein Mittagessen vor.

Das darf schon etwas ausgiebiger ausfallen, auch zeitlich. Schließlich ist man ja in Italien. Da wird mittags über Antipasti und diversen (kleinen) Hauptgängen stundenlang schwadroniert. Das Wetter wird schon so sein, dass es sich lohnt, an der frischen Luft zu sitzen – und man sollte es genießen. Dass die Einheimischen sommers lieber in klimatisierten Räumen lunchen und tratschen, hat unter anderem den Grund, dass sie noch Bella Figura machen wollen, sollten sie tatsächlich ins Büro zurückkehren. Leicht angeschwitzt ginge das nämlich gar nicht.

Wer nach den antiken Höhepunkten und dem Mittagsmahl trotz der fortgeschrittenen Stunde noch ein wenig Kultur und dabei angenehme Luft schnuppern möchte, dem sei die Villa Borghese inklusive großer Parkanlage ans Herz gelegt. Wen das Grün nicht ausreichend entzückt, sollte die Villa selbst aufsuchen – Werke von Caravaggio, Leonardo da Vinci, Raffael, Rubens, Antonio Tempesta, Tizian und Veronese sowie Skulpturen von Bernini und Canova sind hier versammelt.

Rom an einem Tag, gewiss nur ein Schnuppern am Gebotenen. Gottlob legt die Fähre nach Barcelona erst spät abends ab. Von Roms Fährhafen Civitavecchia aus, der rund 70 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt liegt und vor allem vom Fährverkehr nach Sardinien, Sizilien, Spanien und Frankreich sowie einem stetig zunehmenden Kreuzfahrtgeschäft lebt. Die „Cruise Roma“ wartet schon. Die meiste Fracht ist schon unter Deck, Lkw-Auflieger werden aufs Schiff bugsiert, komplette Lkw rollen noch an Bord, um sich den Landweg auf die Iberische Halbinsel zu sparen. Doch Grimaldi Lines, die eine Reihe von Fährstrecken im westlichen Mittelmeer bedienen, setzen auch auf Passagiere. Ob an Deck, im Schlafsessel oder in einer komfortablen Kabine – an Bord wird jeder nach seiner Fasson (und seinem Geldbeutel) glücklich.

Nun haben die „Cruise Roma“ und ihr Schwesterschiff „Cruise Barcelona“ kaum etwas gemein mit Frachtfähren, die in einigen wenigen Kojen auch Passagiere mitnehmen. Immerhin 479 Kabinen unterschiedlichen Standards, Restaurants, Lädchen, Disco, Sauna und Fitnessstudio lassen schon eine Art Kreuzfahrtgefühl aufkommen. Gewiss, überbordende Büfetts, Animation und andere Merkmale üblicher Musikdampfer fehlen, doch dafür gibt’s einen Hauch guter alter Seefahrt, auf Schiffen, die keineswegs klein sind: 224 Meter lang und 30 Meter breit.

Ankunft in Barcelona. Es ist später Nachmittag und das Schiff fährt sozusagen mitten ins Herz. Nur ein paar Schritte sind es vom Fähranleger zum Kolumbus-Denkmal, dem Orientierungspunkt vieler, die hier den Weg verloren haben, und wo die Bummelmeile La Rambla aufs Meer zuläuft. Das pralle Leben entfaltet sich hier zwischen Passeig de Colon und Wasser. Und es sind wahrlich nicht nur Touristen unterwegs. Vor allem das junge Barcelona flaniert gern. Und der Neuankömmling hat die Qual der Wahl unter den unzähligen Restaurants, die an der Wasserlinie aufgereiht sind. Ja, ein wenig touristisch ist es hier schon – doch wer wollte sich da als Tourist ernsthaft beklagen?

Nach einer kurzen Nacht bleibt ein ganzer Tag auch in Barcelona. Jetzt gilt es, sich zu entscheiden: Wer mehr möchte, als nur Atmosphärisches aufzuschnappen, sollte sich einer geführten Tour anschließen. Mit etwas Glück ist der Stadtführer sogar besser als der Durchschnitt und vermittelt dem Gast auch anschaulich das gotische Viertel mit der alten Stadtmauer und Überresten früher Besiedlung. Oder die zahlreichen Bauten Gaudís mit den Höhepunkten Sagrada Familia und den Park Güell, der gespickt ist mit Kreationen des katalonischen Architekten und Designers.

Auch an gotischen Palästen mangelt es in der Stadt nicht, an Kirchen sowieso nicht. Wer daran Interesse und Freude hat, der muss länger bleiben oder wiederkommen. Ganz klar, so wie nach Rom.

Einheimische schwärmen hier mit Kennerblick aus, und auch für Besucher ist La Boqueria ein Muss. Die alte Markthalle unter 2500 Quadratmeter Stahl und Glas liegt am oberen Abschnitt der Rambla (Achtung, den Eingang kann man leicht übersehen). Hier zünden die Obst- und Gemüsehändler ein wahres Feuerwerk an Farben und Vielfalt. Und man wundert sich: Wo kommt nur all der Fisch her? So viele Arten, und die meisten sollen aus dem Mittelmeer sein. Dabei muss man bedenken: La Boqueria ist nur eine von 42 Markthallen der Stadt.

Aus und vorbei – die Uhr ist abgelaufen. Der Weg zum Flughafen ist zwar nicht weit, doch man kennt das ja: lieber eine Stunde zu früh als eine Minute zu spät. Also, er war froh in Rom, sie glücklich in Barcelona. Eine Überlegung: Beim nächsten Mal, die übernächste Fähre wieder zurück nach Rom zu nehmen …

Gerd W. Seidemann

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