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Grün ist die Farbe der Hoffnung. Der Berliner Designer William Fan swill auch nach dem Wegzug der Modemessen am Standort Berlin festhalten.
© Jens Kalaene/dpa

Trotz Fashion Week in Frankfurt: "Die Berlin Fashion Week findet weiterhin statt"

Nach dem Verlust der Modemessen sucht die Branche neuen Sinn: Ein „Haus der Mode“ böte eine Perspektive. Und: Die Berlin Fashion Week soll es weiterhin geben.

Die Nachricht vom Umzug der Modemessen Premium und Neonyt von Berlin nach Frankfurt kam für alle überraschend. Selbst bei der Mercedes-Benz Fashion Week, dem Veranstalter der Modenschauen in Berlin, war nicht bekannt, dass ein wichtiger Teil der gemeinsamen Berlin Fashion Week Pläne für einen Neuanfang in Frankfurt am Main schmiedete. „Die Nachricht haben wir mit Überraschung aufgenommen. Berlin hat sich in den vergangenen Jahren als Modemetropole etabliert und bietet ideale Voraussetzungen für die Inszenierung und Emotionalisierung von Mode in einem sehr kreativen Umfeld. Die Berlin Fashion Week findet weiterhin statt“, sagt Marcus Kurz, Geschäftsführer von Nowadays, der Agentur, die die Mercedes-Benz Fashion Week ausrichtet.

Und er dreht das Ganze sogar noch positiv: „Ohne die Messen können die Modenschauen ab Sommer 2021 zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden, der sich nicht mit den Modenschauen in Paris überschneidet.“ Es wird also ab 2021 zwei Fashion Weeks geben. Wobei im kommenden Januar noch eine Abschiedsveranstaltung der Messen in Berlin geplant ist. Das ist für die Stadt eine gute Nachricht. Immerhin gibt es hier eine kreative Modeszene, von der Frankfurt nur träumen kann. Die Messen waren ein Motor für die Entwicklung des Standorts Berlin. Vielleicht wird in Zukunft am Main Wirtschaft getrieben, während der Hauptstadt das Schaulaufen bleibt.

Auch, wenn die Modeszene nicht geschlossen nach Frankfurt auswandert, geht Berlin erst einmal eine Menge Geld verloren. 3,1 Milliarden Euro wurden in den vergangenen 13 Jahren umgesetzt – und zwar nicht etwa mit Ordergeschäften auf den Messen. Sie kamen direkt der Stadt durch Dienstleistungen zugute. Dagegen nehmen sich die zehn Millionen Euro gering aus, die der Senat in 13 Jahren ausgab, um den Standort zu fördern.

Zehn Millionen Euro ist genau die Summe, die das Land Hessen und die Stadt Frankfurt jetzt für die nächsten drei Jahre für verschiedenste Maßnahmen im Bereich Standortmarketing, Nachwuchsförderung und Handelskonzepte zur Verfügung stellen. Mode soll das solvente, aber dröge Image der Stadt aufpulvern und mit einer kreativen Szene versorgen, die ihr noch fehlt.

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Die Politik in Berlin handelte gegensätzlich, nämlich so gut wie gar nicht. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) macht die aktuelle Situation für den Wegzug verantwortlich: „Die Corona-Pandemie verschärft die ohnehin angespannte Situation der Modewirtschaft. Dass geschäftliche Entscheidungen stark durch finanzielle Anreize motiviert sind, ist in solch schwierigen Zeiten nachvollziehbar, der Wegzug der Premium für Berlin ist dennoch bedauerlich“, ließ sie sich am Montag nach Bekanntgabe des Wegzugs zitieren. Was sie nicht sagt: Die ersten Verhandlungen zwischen den Messen und der Stadt Frankfurt gab es schon im vergangenen Dezember.

Die Aufforderung der Messeveranstalter an Ramona Pop, sich zusammenzusetzen, stammt sogar aus dem November 2018. Damals schrieb der Fashion Council Germany einen Brandbrief an die Wirtschaftssenatorin, in dem auf drastisch sinkende Besucherzahlen und die Veränderungen in der Branche hingewiesen wurde. Auch mögliche Maßnahmen, um dem entgegenzuwirken, wurden aufgezählt, etwa Unterstützung bei der Kommunikation und ein Informations- und Einladungsmanagement für Fachbesucher, wie es in allen wichtigen Modestädten längst praktiziert wird.

Laut dem Fashion Council gab es von Ramona Pop keine Antwort auf die Bitte um ein Gespräch. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft verweist darauf, dass es auf unterer Ebene mehrere Arbeitstreffen gab, bei denen unter anderem besprochen worden sei, Prospekte an Einkäufer aus aller Welt zu versenden. Mittlerweile dürfte der Wirtschaftssenatorin klargeworden sein, dass allein das kreative Image Berlins nicht ausreicht, um wirtschaftlich denkende Unternehmen zu halten. „Wir sind im Austausch mit Stakeholdern und Veranstaltern, mit welchen zusätzlichen Formaten der Modestandort und die Berlin Fashion Week gestärkt werden kann“, wurde sie am Dienstag in einer Pressemitteilung der Agentur Nowadays zitiert.

Wolfgang Joop hält den Weggang der Modemessen nach Frankfurt am Main für nachvollziehbar

Der Umzug der Messen erschüttert die Branche auch deshalb, weil in Berlin eine in Deutschland einmalige Modeszene entstanden ist, die es weiter zu fördern gilt. „Ich glaube fest, dass es hier weitergehen wird“, sagt William Fan. Der Designer gehört mit seinen Modenschauen an den unterschiedlichsten Orten der Stadt zu einem festen Bestandteil der Fashion Week. Er hat sich in den vergangenen fünf Jahren einen treuen, internationalen Kundenstamm aufgebaut, der ihm auch durch die Coronakrise half. Für ihn steht es außer Frage, dass Berlin auch weiterhin der richtige Ort ist, um Mode zu machen und sie hier zu zeigen. So sehen das auch Jale Richert und Michele Beil vom Label Richert Beil. Ihnen gebührt die Ehre, im März in einer Wäscherei die vorerst letzte Modenschau der Stadt präsentiert zu haben. Schon länger hatten sich die beiden Designer von der Fashion Week distanziert. Sie würden sich freuen, wenn es zusammen mit anderen Designern eine andere Art der Präsentation gäbe, die der hohen Qualität des Designs Rechnung trägt und den Kunden ermöglicht, das Gesehene sofort zu kaufen.

Modeschöpfer Wolfgang Joop aus der Nachbarstadt Potsdam hält den Weggang der Modemessen nach Frankfurt am Main hingegen für nachvollziehbar. „Frankfurt hat vielleicht wirklich was Pragmatisches. Es ist eine Business- und Bankenstadt wie Mailand“, sagte Joop der dpa. In Berlin habe vor allem Partystimmung in der Luft gelegen. „Aber das reicht eben heute nicht aus, wo Leute alles neu bedenken müssen und sich überhaupt überlegen müssen, wie es weitergeht“.

Aber es geht nicht nur um die zwei Termine im Jahr, sondern auch darum, wie die Designer hier gut arbeiten können. Das haben auch die Leiterinnen der Wirtschaftsförderung der Bezirke Mitte und Pankow festgestellt. Immer wieder suchten Designer Rat bei Beate Brüning und Nadia Holbe. „Wir wollen ein spezielles Angebot für diese Berufsgruppe schaffen, die über eine Gründungsberatung hinausgeht und langfristigere Angebote beinhaltet und auch Gewerke wie Schneider und den Handel einbezieht“, sagt Beate Brüning vom Bezirksamt Mitte. Im vergangenen Jahr hatten die beiden Bezirke beschlossen, sich zusammenzutun und gaben eine Studie in Auftrag, die den Bedarf der Modebranche analysieren sollte. Erste Ergebnisse liegen nun vor. Im Oktober wird eine Veranstaltung stattfinden, in der ein fundierter Zwischenbericht vorgestellt wird. Ein wichtiges Fazit ist aber bereits jetzt erkennbar: Die Designer brauchen ein „Haus der Mode“.

Wie konkret dieses aussehen kann, wird erst klar werden, wenn die Studie Ende des Jahres abgeschlossen ist. Wahrscheinlich ist, dass es ein physischer Ort sein sollte, an dem sich Arbeitsschritte bündeln lassen. „Im besten Fall könnte in so einem Haus alles zusammenkommen: Produktionsstätten, Ateliers, Raum für Workshops und konkrete Angebote für Vernetzung, Recherche, Vertrieb und Digitalisierung“, sagt Nadia Holbe vom Bezirksamt Pankow. „Uns geht es vor allem um die Förderung der regionalen Produktion und der Nachhaltigkeit, damit können wir uns in Berlin abheben“, sagt Beate Brüning.

Aus dem Abgeordnetenhaus kommt von der wirtschaftspolitischen Sprecherin Nicole Ludwig (Grüne) mit dem Fashion Hub eine ähnliche Idee. Auch hier geht es darum, einen konkreten Ort zu schaffen. „Berlin ist und bleibt der Hotspot für nachhaltige Mode in Europa. Wir kämpfen für eine weitere Stärkung des Modestandorts Berlin: Noch in diesem Jahr wird ein Fashion Hub für innovative und grüne Mode entstehen, das Modedesign und -produktion in der Hauptstadt stärkt und internationale Strahlkraft hat“, sagt Ludwig. Idealerweise kooperieren Fashion Hub und Modehaus.

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