Schlag für Modestandort Berlin: Die Fashion Week zieht nach Frankfurt
Tschüss Berlin: Die Messen Premium und Neonyt gehen nach Frankfurt am Main. Dort soll 2021 die Frankfurt Fashion Week starten.
Die Modemessen Premium und die nachhaltige Messe Neonyt, die bisher im Rahmen der Berliner Fashion Week stattfanden, ziehen im nächsten Sommer nach Frankfurt am Main. Dort soll um die Messen herum eine „Frankfurt Fashion Week“ etabliert werden, berichtete die Textilwirtschaft am Montag in einer Eilmeldung. Die Stadt Frankfurt und das Land Hessen wollen das Vorhaben unterstützen, mit beiden seien die Organisatoren im Gespräch. Beide Messen und damit auch die gesamte Berliner Fashion Week mussten wegen des Verbots von Großveranstaltungen wegen der Coronakrise Ende Juni abgesagt werden, ebenso wie ein angedachter späterer Termin im September.
Das hat für Berlin als Mode-Standort weitreichende Folgen. Die Messen sind das wirtschaftliche Zugpferd, sie brachten pro Saison mehr als 70.000 Besucher in die Stadt. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft beziffert die zusätzlichen Einnahmen durch Übernachtungen, Gastronomie und andere Dienstleistungen auf 240 Millionen Euro.
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Die Modenschauen, die überwiegend unter dem Dach der Mercedes-Benz Fashion Week stattfinden, sind eher ein Rahmenprogramm. Ob dieses ohne die Zugkraft der Messen funktionieren kann, ist fraglich. Zumal die Modebranche gerade mit ganz anderen Problemen zu kämpfen hat, die durch die starken Umsatzeinbrüche infolge des Shutdowns entstanden sind.
Viele Konzepte wurden überdacht – in diesem Jahr werden fast alle internationalen Fashion Weeks digital ausgetragen. Für die Berlin Fashion Week wurden bisher keine neuen Konzepte von den Veranstaltern der Mercedes-Benz Fashion Week vorgestellt.
Für die Neonyt ist der Umzug nach Frankfurt nicht überraschend, die Messe gehört zur Messe Frankfurt, die die Berliner Vorgängerveranstaltung „Green Showroom“ schon 2011 übernahm und später mit der Pariser Ethical Fashion Show zur Neonyt zusammenlegte. Bei der Premium sieht das allerdings anders aus: Im Januar 2003 fand sie zum ersten Mal im ungenutzten U-Bahn-Tunnel unter dem Potsdamer Platz statt.
Später kauften Anita Tillmann und ihr damaliger Geschäftspartner den ehemaligen Postbahnhof am Gleisdreieck und bauten ihn zu Veranstaltungshallen aus. Im Januar 2018 verkaufte Anita Tillmann die Premium-Gruppe, zu der die Modemesse Seek gehört, an den Londoner Eventausrichter Clarion.
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Schon im Januar hatte sich die Chefin der Premium-Gruppe Anita Tillmann im Tagesspiegel zur unbefriedigenden Situation in Berlin geäußert: „Wir funktionieren, trotz, nicht wegen der Unterstützung der Politik.“
Aber auch die Standortfrage könnte eine Rolle gespielt haben. Das Gelände der Premium ist verkauft, die Messe hätte sich im Sommer auch in Berlin einen neuen Ausstellungsort suchen müssen. Die Neonyt hatte zuletzt auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof stattgefunden, allerdings zusammen mit der Messe Panorama, die im März Insolvenz anmelden musste. Für die Neonyt allein könnte der Standort zu groß geworden sein.
Die Stadt Frankfurt soll in die Fashion Week einbezogen werden
In einer Pressekonferenz am Montagmorgen ging es mit keinem Wort um Berlin. In einer Halle der Frankfurter Messe hatten sich der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann, der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir und zwei Vertreter der Stadt mit Anita Tillmann und Detlef Braun, dem Geschäftsführer der Messe Frankfurt, zusammengefunden, um über die Zukunft zu sprechen.
Die Messen sollen ab Sommer 2021 auf dem Messegelände stattfinden. Auch die Stadt soll in die Frankfurt Fashion Week einbezogen werden, zum Beispiel mit dem Event „Längster Laufsteg der Welt“ in der umsatzstärksten Einkaufsstraße Frankfurts, der Zeil.
Der Messechef Braun hat dazu klare Vorstellungen: Er erwartet ungefähr 2000 Designer und 120.000 Besucher aus 100 Ländern. Die zwei zentralen Themen, Digitalisierung und Nachhaltigkeit, waren auch in den vergangenen Jahren für Berlin schon die wichtigsten Schlagwörter.
Oberbürgermeister Peter Feldmann gibt zwar zu, dass Frankfurt in Sachen Mode „noch ein unbeschriebenes Blatt ist“, aber er weiß schon, wie es wird: „Sicherlich eine der coolsten Ausstellungen in einer der coolsten Städte Europas.“
Für Berlin ist der Weggang der Messen ein schwerer Verlust
Berlin bleibt im Januar nur noch, mit einer letzten Veranstaltung Abschied von der Fashion Week zu nehmen. Es gibt dann keine Modemesse mehr in der Stadt. Schon im März hatte Betreiber Jörg Wichmann für die Messe Panorama Insolvenz angemeldet. Dieses Schicksal teilt sie mit der Bread&Butter von Karl-Heinz Müller, der ehemals größten Messe der Stadt, die 2003 zusammen mit der Premium die neue Ära der Berliner Fashion Weeks begründete.
„Wir sind dankbar dafür, dass wir in der Stadt wachsen und dort groß werden durften. Wir müssen unsere Konzepte entwickeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben“, sagt Anita Tillmann. Für Berlin ist der Weggang der Messen ein schwerer Verlust. Viele Dienstleister und Agenturen sind davon finanziell abhängig. Über die Jahre hat sich eine lebendige Modeszene entwickelt, die auch international anerkannt ist.