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Ein Kind wächst heran - und in Deutschland wird es ein eigenes sein. Leihmutterschaft ist hierzulande verboten.
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Streit über Leihmutterschaft: Das Tabu ist kaum zu rechtfertigen

Kinder entstehen heute auf vielen Wegen, und fast alle sind inzwischen auch legalisiert. Nur in der Frage von Leihmutterschaft regiert die Sitte. Ein Einspruch.

Wie viele Eltern kann ein Kind haben? Manche sieben. Einen Samenspender, eine Eizellspenderin, eine Leihmutter plus ein Ehepaar mit Kinderwunsch, dass den Anstoß zu der Operation geliefert hat. Macht fünf. Und weil Leihmutterschaft in Deutschland und vielen anderen Ländern verboten ist, kommt das Neugeborene zu Pflegeeltern, den Eltern sechs und sieben. Das lässt sich weiter variieren, per sogenannter reziproker In-vitro-Fertilisation. Eine entkernte Eizelle wird mit dem Erbgut einer anderen Frau bestückt und, mit Spendersamen befruchtet, in eine Gebärmutter nach Wahl gepflanzt. Lesbische Paare können sich so mit Doppelmutterschaft beglücken; eine genetisch, die andere biologisch. Seid fruchtbar und mehret euch und füllt die Erde. Ob Gott das vorausgesehen hat?

Das OLG erlaubt einer Frau, ihr Kind zu adoptieren

Das Recht tut sich schwer, hier zwischen Sorgepflichten, Kinderwünschen und Erbansprüchen die richtigen Zuordnungen zu schaffen. Nicht zu vergessen das Grundrecht, zu wissen, von wem man abstammt. Aber unmöglich ist es nicht. Jetzt hat das Oberlandesgericht Frankfurt/Main einen Rubikon überschritten von den vielen, die in diesem Grenzbereich fließen. Es erlaubt einer Frau, ihr Kind zu adoptieren (Az.: 1 UF 71/18). Das Kind war von einer ukrainischen Mietmutter ausgetragen worden, gezeugt mit der Eizelle der Frau und dem Samen ihres Mannes. Die gekaufte Leihmutterschaft sei laut Bürgerlichem Gesetzbuch eine „gesetzeswidrige Vermittlung“ von Kindern, hatte die Vorinstanz noch geurteilt – und die Adoption demnach nur zulässig, wenn es das Kindeswohl unbedingt erfordert. Doch da es einen Vater hat, könne es als Stiefkind der Mutter auch ein schönes Leben führen.

Eine bemerkenswert familienfeindliche Perspektive. Das höhere Gericht nimmt eine andere ein: Zwar sei Leihmutterschaft verboten, jedoch nicht die Vermittlung einer Anbieterin oder die Inanspruchnahme ihrer Dienste.

Es wird ein Pragmatismus sichtbar

Das Geschäft mit der Ukrainerin, die nach deutschem Recht als Mutter gilt, war adoptionsrechtlich damit nicht zu beanstanden. Die Annahme eines Kindes ist dann bereits zulässig, wenn es von der (Leih-) Mutter in sorgende Hände anderer Eltern gegeben wird. Hier wird ein Pragmatismus sichtbar, den auch die Vorstellungen der Justizministerin für ein neues Abstammungsrecht prägt. Demnach soll es neben der leiblichen automatisch eine „Mit-Mutter“ geben, wenn ein Kind in eine gleichgeschlechtliche Frauen-Ehe hineingeboren wird. Auch für Kinder aus Samenbanken wird der Einstieg ins Familienleben erleichtert.

Es geht also voran. Nur die Leihmutter bleibt ein Tabu. Zu rechtfertigen ist das kaum. Die Weggabe von Kindern ist erlaubt, Frauen steht es frei, ihren Körper zu verkaufen, und das Abstammungsrecht kann man regeln. Doch Gesetze helfen nicht, wo die Sitte regiert.

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