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Zeitz Mocaa und Silo Hotel teilen sich einen Empfangsbereich.
© The Silo

Kunst in Kapstadt: Afrikanische Moderne

Street-Art an einer Nähfabrik, Ölgemälde im Hotel, Skulpturen im Silo: Der gesamte Kontinent schaut auf die Kunst in Kapstadt.

Dass Kapstadt einmal Zentrum der Kunstwelt werden könnte, dagegen sprach vieles. Vor allem die Kunstproduktion selbst. Zeitgenössische südafrikanische Maler oder Bildhauer arbeiteten nach dem Ende der Apartheid in Johannesburg, dem Wirtschaftszentrum des Landes. Auch die wichtigsten Galerien gründeten sich dort, zudem ist die Stadt Wohnort der meisten Sammler und dank des internationalen Flughafens bestens mit dem Rest der Welt vernetzt.

Der Wandel vollzog sich spätestens 2014. Kapstadt trug für ein Jahr den Titel „Design-Hauptstadt der Welt“, verliehen von der World Design Organization. Am meisten überrascht über die Ehrung waren die Capetonians selbst. Die knapp vier Millionen Einwohner haben sich mal genauer umgesehen und gestaunt: Galerien öffnen in früher verschmähten Bezirken wie Woodstock, es gibt Guerillakunst in den Straßen. Die wirtschaftliche Entwicklung begünstigte ebenfalls den Aufstieg. Offiziell sank die Arbeitslosenquote in Kapstadt auf immer noch 21 Prozent, das ist die niedrigste im gesamten Land. Zum Aufschwung tragen die boomende Filmindustrie bei, die Landwirtschaft und der zunehmende Tourismus. Kapstadt wurde zu dem internationalen Hotspot, der Johannesburg gern sein wollte. Zu einer Stadt, in der Künstler und Galeristen ihre Infrastruktur schufen – und wo Kunst nun einen festen Platz im Gefüge hat.

In Museen

Es ist ein Jahr her, dass sich der Fokus der afrikanischen Kunstwelt endgültig nach Kapstadt verschoben hat. Im September 2017 eröffnete in einem umgebauten Getreidesilo am Hafen das Zeitz Museum of Contemporary Art, kurz: Mocaa. Jochen Zeitz, früherer Puma-Chef, stiftete seine Privatsammlung dem Museum, das diesen Grundstock nun erweitert. Vor der Eröffnung spaltete eine Kontroverse die Stadt: Dürfen ein weißer Sammler und ein weißer Kurator die Sicht auf das schwarze Afrika bestimmen? Es lief auf ein verhaltenes Vielleicht hinaus.

Inzwischen hat sich die Diskussion beruhigt, für die zumeist schwarzen Künstler bietet sich in dem spektakulären Bau die größte Plattform zeitgenössischer Kunst des gesamten Kontinents. Auf sieben Etagen mit 6500 Quadratmetern Ausstellungsfläche zeigen Künstler aus Benin, Kenia oder Südafrika, aber auch der afrikanischen Diaspora ihre Werke.

Beeindruckend ist die Drachenskulptur von Nicholas Hlobo aus Kapstadt, die zwischen den freigelegten Betonröhren des früheren Silos hängt und Besucher in der Eingangshalle begrüßt. Oder das barocke Fotoarrangement von Kudzanai Chiurai aus Simbabwe, der biblische Szenen mit einem Ensemble wie aus einem Rap-Video nachstellt. Bling-Bling und Maschinengewehre inklusive. An jedem ersten Freitag im Monat kostet der Eintritt nur die Hälfte, 95 Rand (etwa 5,50 Euro).

Ein halbes Jahr nach dem Mocaa eröffnete draußen in Steenberg das nächste Sammlermuseum, die Norval Foundation. Der Familie gehört eine der größten Immobilienfirmen des Landes. Hinter dem Tafelberg, vorbei an den Weinhängen, haben die Architekten einen Betonpavillon entworfen, in dem moderne Kunst aus Südafrika gezeigt wird.

Montags ist der Eintritt frei, kostenlose Führungen gibt es jeden Tag um 14 Uhr. Im Skulpturengarten knipsen Besucher postindustrielle Fotomotive: Stahlgebilde vor Naturkulisse. Achtung: Sonnencreme benutzen. Auch wenn der Wind vom Meer kühlt, brennt die Sonne.

Der Stadtteil Woodstock hat sich zum Treffpunkt von Künstlern, Designern und Kaffeeliebhabern entwickelt.
Der Stadtteil Woodstock hat sich zum Treffpunkt von Künstlern, Designern und Kaffeeliebhabern entwickelt.
© Cape Town Tourism

In der Lobby

Mangels größerer Museen haben manche Kapstädter Sammler ihre Kunst gern in Fünf-Sterne-Hotels ausgestellt. Daraus hat sich in der sogenannten „Mother City“ eine Tradition begründet. Auf das Mocaa haben die Architekten noch einen fünfgeschossigen Neubau mit konkaver Glasfassade gesetzt: das Silo Hotel. Die Privatsammlung der Besitzerin, Liz Biden, hängt in Zimmern, Fluren und in der Lobby, im Keller hat sie außerdem eine Galerie eingerichtet, zu der nur Hotelgäste Zutritt haben.

Das ebenso exklusive Ellerman House, ein Boutiquehotel in einer Villa über dem Meer, hat einen eigenen Art Guide angestellt, der Führungen durch die Kunstsammlung des Hauses anbietet – von älteren Gemälden aus der Kolonialzeit zur südafrikanischen Pop-Art. Eher klassische Sammlungen haben das Twelve Apostles im schicken Camps Bay und das Belmond Mount Nelson im Stadtzentrum. Ölbilder aus dem 19. und 20. Jahrhundert schmücken deren Wände. In beide Häuser können Gäste problemlos hinein, um die Kunst in den Fluren zu besichtigen. Der Afternoon Tea im Mount Nelson ist auch für Kapstädter eine willkommene Entschuldigung zur Völlerei, bei der man zu Tee und viel Gebäck so tut, als befände man sich im viktorianischen Empire. Das Twelve Apostles ist wegen seiner Terrasse mit Ozeanpanorama beliebt. Ein Gin Tonic zum Sonnenuntergang – natürlich nach dem Studium der Kunst.

In Lagerhallen

Das östlich vom Zentrum gelegene Viertel Woodstock hat einen erstaunlichen Wandel hinter sich. Erst war es koloniale Hafenstadt im 19. Jahrhundert, dann ein von Verbrechen gebeutelter Stadtteil zu Apartheid-Zeiten, und nun gilt es als aufregende Kreativzelle. Bunt getünchte viktorianische Reihenhäuser stehen neben umgebauten Lagerhallen, in die Galerien und Geschäfte eingezogen sind.

Zu den Galeristen der ersten Stunde zählt Michael Stevenson. Er öffnete 2003 im damals noch rauen Viertel (160 Sir Lowry Road). Inzwischen nimmt er an renommierten Messen wie der Art Basel Miami Beach oder der Frieze New York teil, und es gibt einen Ableger in Johannesburg. In dem umgebauten Industriegebäude zeigt Stevenson zeitgenössische Kunst in drei großen Räumen, von großformatigen Gemälden bis hin zu kubistischen Installationen.

Ein paar Häuser weiter sitzt der Platzhirsch: die Goodman Gallery (176 Sir Lowry Road). Sie wurde einst in Johannesburg gegründet und hat nun eine Zweigstelle am Kap, die dem Mutterhaus den Rang streitig macht. Auch hier gibt es zeitgenössische Kunst zu sehen. Einfach mit dem Aufzug in die dritte Etage hinauffahren, wo ein freundlicher Mitarbeiter die Tür aufschließt.

Jung ist die Whatiftheworld Gallery (1 Argyle Street) in der Nähe der beliebten Old Biscuit Mill, auf deren Gelände samstags der Wochenmarkt stattfindet. Die Galerie befindet sich in einer früheren Synagoge. Nicht von der geschlossenen Tür abschrecken lassen: Entweder vorher einen Termin ausmachen oder kurz anrufen, wenn man angekommen ist.

Da Woodstock brummt, trocknet das alte Galerienviertel im Stadtzentrum etwas aus. Rund um die Bree Street konzentrieren sich kleine Kunstvermittler, die international noch nicht mit den Goodmans konkurrieren: 99 Loop, Lutge oder Ebony. Ihren Zulauf steigern sie mit einer cleveren Initiative, dem First Thursday. Jeden ersten Donnerstag im Monat haben die Galerien – und alle umliegenden Boutiquen, die sich für ähnlich kreativ halten – bis spätabends auf und laden zu kleinen Vernissagen, Konzerten oder Pop-Up-Events. Die Bürgersteige sind dann brechend voll, die Stimmung schwankt zwischen Straßenfest und Wochenendbesäufnis. Am Heritage Square öffnet an den Abenden ein Flohmarkt, auf dem junge Designer und Künstler eigene Kreationen verkaufen.

Die Kunstversessenheit erreicht auch das Umland

Street-Art im Stadtteil Woodstock.
Street-Art im Stadtteil Woodstock.
© Daniel Fernandez Campos

An Mauern

Hinter einer zum Kreativzentrum umgebauten Nähfabrik, der Woodstock Exchange (66 Albert Road), haben Dutzende Street-Art-Künstler ihre Spuren hinterlassen. Ist das Will Smith im blauen Krankenhausdress, der auf der Rückseite des Gebäudes prangt? Behaupten jedenfalls die Verkäufer in der Exchange. Prachtvoll schiebt sich ein buntes Nashorn an der Wand viktorianischer Häuser entlang, mächtig ragt ein riesiger Zeigefinger auf die Straße herunter, futuristisch wirken die Comic-Figuren an manchen Wänden, und alles vor der Kulisse des Tafelbergs.

Der sichtbare Unterschied zu Europa: Sicherheitsleute bewachen das Straßenkarree und sollen potenzielle Taschendiebe abschrecken. Die Kriminalität ist im Vergleich zu europäischen Großstädten hoch. Geführte Gruppentouren durch das Woodstock der Open-Air-Kunst bietet Coffeebeans Routes an (coffeebeansroutes.com), vier Stunden kosten etwa ab 100 Euro pro Person.

Im Studio

Ansonsten ist es nicht einfach, auf einen Künstler in Kapstadt zu treffen – außer man bucht ihn. Diesen besonderen Service bietet das Belmond Mount Nelson Hotel an. Dort gibt Cyril Coetzee Zeichenunterricht und porträtiert Kurzentschlossene. Der 59-Jährige hat jahrelang in Johannesburg gelebt, wo er einige Berühmtheit erlangte, weil er das offizielle Porträt von Nelson Mandela malte. Dem ehemaligen Präsidenten folgten etliche Minister, die ihrem Vorbild nicht nachstehen wollten. Das Einkommen war für Coetzee so lange gesichert, bis selbst der ehrgeizigste Beamte seinen Ölschinken besaß.

Nun sind die Posten alle verteilt, und Coetzee zog vor einigen Jahren nach Kapstadt. In dem rosafarben getünchten Hotel arbeitet er als Künstler auf Abruf. Weiße Haare, weißer Bart, weißes Hemd, die Schwierigkeit, so erzählt Coetzee bei einem Kaffee im Garten, bestehe darin, den Gästen klarzumachen, dass eine mehrstündige Sitzung pro Tag nicht ausreiche. Schon gar nicht, wenn die vierköpfige Familie mit auf das Bild soll. Deshalb Zeit und Geld mitbringen. Ein Porträt kostet ab 15000 Rand (890 Euro), je nach Größe.

Auf dem "Neighbourgoods Market" in der alten Keksfabrik verkaufen Kreative und Gastonomen ihre Produkte.
Auf dem "Neighbourgoods Market" in der alten Keksfabrik verkaufen Kreative und Gastonomen ihre Produkte.
© Hillary Fox

Am Tisch

Die goldene Regel jedes Künstlers: Lass dich von deinem Galeristen zu einem üppigen Mahl einladen. In Kapstadt am liebsten in das kürzlich eröffnete Janse (75 Kloof Street), ein Restaurant für gehobene Lokalküche, das fünf Minuten Fußweg vom alten Galerienviertel der Bree Street entfernt liegt. Man kann natürlich darüber reden, wie schwer es ist, den gebürsteten Stahl zu bearbeiten, aber will man nicht lieber über die Kreationen aus der Küche schwärmen? Über den Oktopus mit Erdbeeren, japanischen Salzpflaumen und Pfefferminze.

Oder die Hühnchenbresaola mit Fenchel und Rhabarber. Laden Sie doch einen Künstler ein, ein Fünf-Gänge-Menü kostet 585 Rand, das sind dank des günstigen Wechselkurses nur 30 Euro. Oder über den Rücken des Lion’s Head ins La Perla fahren (209 Beach Road), die einzige Entschuldigung für sonnenlichtscheue Künstler, mal an die Atlantikpromenade in Sea Point zu gehen. Das italienische Restaurant gehört Baylon Sandri, der auch die Smac Gallery betreibt. Künstler dürfen hier anschreiben, möglicherweise sogar mit Gemälden bezahlen, wenn man sich die Wände ansieht. Dafür nehmen sie den schnippischen Service in Kauf. Livrierte Kellner, die einem Gast das Gefühl geben, sie gehörten eigentlich eher an die Amalfiküste, aber doch nicht an dieses Ende der Welt.

Aus einem Getreidesilo am Hafen entstand mit dem Mocaa und dem aufgesetzten Silo Hotel ein neues Wahrzeichen.
Aus einem Getreidesilo am Hafen entstand mit dem Mocaa und dem aufgesetzten Silo Hotel ein neues Wahrzeichen.
© The Silo

Auf dem Land

Die Kunstversessenheit erreicht auch das Umland, die Weingüter mit ihren schnieken Resorts. La Residence in Franschhoek beeindruckt mit einer meterhohen Haupthalle voll üppiger Malereien. Normalerweise schalten Elton John und Richard Gere auf diesem Anwesen ab, für ein Mittagessen können sich Normalsterbliche den oberen 10000 nahe fühlen. Allerdings bitte vorher anmelden.

Auf halbem Weg dorthin liegt das Delaire Graff Estate in Stellenbosch. Das Gut ist neben dem beliebten Restaurant für seinen großzügig angelegten Skulpturengarten bekannt. Bronze-Geparden des Bildhauers Dylan Lewis zieren Weinberge, Park und Ausflugsterrasse. Am Fuße der schroffen Hottentots Holland Mountains die Statuen bewundern und einen Chardonnay probieren – es gibt schlechtere Plätze, um alle Sinne zu befriedigen.

Reisetipps für Kapstadt

Hinkommen

Von Berlin aus mit der Lufthansa über München, hin und zurück in der Economy ab etwa 700 Euro.

Unterkommen

Belmond Mount Nelson, Kolonialhotel mit Park und viel Kunst in Fluren, Doppelzimmer ab rund 400 Euro pro Nacht, belmond.com

Silo Hotel, Luxushotel über dem Zeitz Mocaa, mit Führungen durch die hauseigene Sammlung, Doppelzimmer ab 775 Euro, theroyalportfolio.com

Gegenüber dem Silo liegt das Cape Gracemit einer Sammlung von historischen Möbeln, Doppelzimmer ab 400 Euro, capegrace.com

Ohne Kunst, dafür mitten im Herzen der Stadt gelegen: das Three Boutique Hotel Zimmer ab 80 Euro, thethree.co.za

Ulf Lippitz

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