Weihnachtsausflug: 48 Stunden München
Glöckchen klingeln, Feuer prasseln: Wenn das Christkindl kommt, wachsen in Bayerns Hauptstadt nicht nur die Krippenfiguren über sich hinaus.
8.00 Uhr
Adventszauber und Weihnachtsgeklingel – das ist eine Herausforderung, die München gerne annimmt. Halleluja. Oder wie der Engel Aloisius, die berühmte Figur von Ludwig Thoma, sagen würde: „Luja sog i!“ Stimmung ja, aber bittschön keine Gefühlsduselei. Der Münchner ist ein Grantler, der sich dem kommerziellen Weihnachtskitsch gern verweigert. Deshalb beginnt die Tour nicht auf dem berühmten Christkindlmarkt, sondern nebenan auf dem Viktualienmarkt, wo der Kaffee beim Bäckereistand Karnoll schmeckt wie ein Gebräu aus tausend Geschichten über diese Stadt. Und wo der Verkäufer muffelt: Mogst a Brezn oder an Lebkuchen? Auf dem Maibaum glühen tausende Lämpchen und tauchen die Obst- und Gemüsestände in ein unwirkliches Licht. In der Morgendämmerung auf dem Viktualienmarkt ist München eine weihnachtlich stimmungsvolle Stadt, ganz ohne Klingeling, einfach aus sich heraus. Die Besitzerin vom Fischladen montiert ein paar goldene Sterne an ihre Theke. Schau, da vorn, da laufen die Drei Heiligen Könige vorbei und kaufen noch schnell Weihrauch und Myrrhe.
11.00
Jetzt erst mal einen Überblick gewinnen, was in der Innenstadt an WeihnachtsAction läuft. Das geht nirgends besser als in der „Christkindl-Tram“, einer ausnahmsweise guten Erfindung des Tourismusamts, das normalerweise vor keinem Herzl- und Dirndl-Klischee zurückschreckt. Die weiß-blaue Christkindl-Tram fährt in 25 Minuten einmal an ungefähr allen Toren, Plätzen und herrlich geschmückten Fassaden vorbei, die Münchens Innenstadt zu bieten hat. Einfach dasitzen und dem Trubel zuschauen – Plätzchen und Glühwein gibt’s natürlich auch. Start- und Endpunkt ist der Sendlinger-Tor-Platz.
12.00
Es hilft ja nichts, jetzt muss es sein. Eintauchen in die Kitschorgie des Christkindlmarktes auf dem Marienplatz. Glühweinduft zieht in Schwaden durch die Gassen der Marktstände, benebelnd wirkt auch der Weihrauch der „Räuchermandl“, traditionellen Figuren, aus deren Innerem es würzig qualmt. Zwischendrin: Engelchen mit Silberhaar und Glöckchen aus Porzellan und grüne Frösche als Deko für den heimischen Weihnachtsbaum. Dass all dieses Zeugs aus Taiwan und Korea stammt – geschenkt, nur humorlose Traditionshuber regen sich darüber auf. Für Menschen mit Weihnachtsgefühl ist dieser Markt ein Paradies. Auf der riesigen Fichte zwischen Rathaus und Fischbrunnen strahlen nicht weniger als 2500 Lampen. Dann gibt es noch den Stand mit den pausbäckigen Musiker-Engeln aus dem Erzgebirge, von denen wir Tante Leni jedes Jahr einen geschenkt haben, so lange, bis ihr himmlisches Orchester auf dem Wohnzimmerklavier aus fünf Posaunisten und drei Dirigenten bestand.
14.00
Ach so, gegessen haben wir noch nichts. Die Bratwurst auf dem Christkindlmarkt ist okay, aber nichts Besonderes. Einheimische gehen lieber in den Rathaus-Innenhof, wo aus einem Fenster des neugotischen Gebäudes wunderbare alpenländische Spezialitäten herausgereicht werden: Speck- oder Schmalzbrot, Kaminwurzn, Zwiebelkuchen und dergleichen. Dazu gibt es – Überraschung! – Glühwein. Aber was für einen. Den besten der Stadt. Sagen alle, die dauernd hingehen. Ein Becher bereits am Nachmittag versetzt jeden Besucher in diesen angenehm toleranten Zustand, der selbst die zuckersüße Adventsmusik, dargeboten von der Blaskapelle auf dem Rathausbalkon (wo normalerweise der FC Bayern seine Meisterschaft feiert), erträglich macht.
16.00
Auf jeden Fall braucht’s jetzt mal etwas Bewegung. Dazu ist nichts besser geeignet als der „Münchner Eiszauber“, die Schlittschuhbahn am Karlstor. Man kann sich die Schlittschuhe ausleihen und herrlich ein paar Runden drehen – und wenn man dazu keine Lust hat, von der Holzempore aus den Leuten zuschauen, wie sie sich als dilettierende Eistänzer versuchen. Auf der Eisfläche spiegeln sich die Lichter aus Läden, Kinos, Kaufhäusern und die bunte Deko der umliegenden Stände („Schmankerlhüttn“), daneben brodelt der Verkehr auf dem Stachus, der in den 70er Jahren als verkehrsreichster Platz Europas galt. Das waren die Zeiten, in denen man auf solche Superlative stolz war. Danach regierte im Rathaus das längste rot-grüne Bündnis in Deutschland – seitdem ist die Innenstadt verkehrsberuhigt und am Straßenrand lauern die Politessen.
20.00
Gibt es etwas Gemütlicheres, Glücklichmachenderes als ein Käsefondue an einem Winterabend im Advent? Natürlich nicht, und das erklärt den Erfolg der kleinen, großartigen „Gärtnerplatz Alm“, gelegen am idyllischen Gärtnerplatz. Der ist Herzstück eines Stadtviertels, das früher einmal ein Rückzugsgebiet für Schwule und Künstler war. Heute leben dort gut verdienende Familien, Hipster und unangepasste Millionäre – eine Art Prenzlauer Berg auf Speed. Man darf sich die Gärtnerplatz Alm deshalb nicht als gediegenes Restaurant vorstellen. Die Schweizer Alpen-Deko ist natürlich hochironisch gemeint, die Hirschgeweihe sind Zitate von Hirschgeweihen, und die supergut gelaunten Gäste haben meistens schon ein paar Cocktails aus den umliegenden Bars intus, bevor sie klassisches Fondue oder Fondue Provencale mit Kräutern bestellen. Dazu gibt’s Weißwein und gerne auch – Münchner Stil – den Champagner Moët Rosé für 135 Euro die Flasche.
Powershopping im Kaufhaus Beck
10.00
Zur bayerischen Weihnacht gehört die Krippe wie der süße Senf zur Weißwurst. Kaum jemand weiß, dass in München die bedeutendste Krippensammlung der Welt steht. Wo genau? Im Bayerischen Nationalmuseum, von dem aus man auch einen großartigen Blick auf das Maximilianeum genießen kann, den Sitz des bayerischen Landtags. Also nichts wie hin. Ein Vormittag im Museum passt zur alten Residenzstadt, die nicht nur für ihre Lebenslust, sondern auch für ihre Kunstschätze weltberühmt ist. In der Krippensammlung gibt es zum Beispiel 20 Krippeninszenierungen mit tausenden Figuren aus neapolitanischem Adelsbesitz zu bestaunen, aber auch weniger verspielte Exponate aus Bayern und Tirol. So eines steht auf dem Münchner Kripperlmarkt in der Theatinerstraße. Sie stammt von dem Oberammergauer Holzschnitzer Georg Lang. Kaufen und mitnehmen wird allerdings schwierig – die Figuren sind lebensgroß.
13.00
Mittagessen im Dürnbräu, einem der schönsten und ältesten Wirtshäuser der Stadt. Hier gibt es alle Münchner Klassiker, vom Sauren Lüngerl bis zum Ausgelösten Kalbskopf. Schmeckt besser, als es klingt! Am Vormittag des Heiligen Abends treffen sich hier Münchner Familien traditionell zum Weißwurstessen. Wer hin will, muss mindestens ein Jahr im Voraus reservieren.
15.00
Pause in St. Michael. Die katholische Jesuitenkirche (ohne Turm) war Vorbild für viele barocke Kirchen im deutschsprachigen Raum. Sie ist ein Ruhepol mit magischer Atmosphäre, mitten in der trubeligen Fußgängerzone. Deshalb sieht man oft erschöpfte Menschen mit Einkaufstüten in den Reihen sitzen. Jedes Münchner Kind lernt in der Grundschule die Geschichte des freitragenden Tonnengewölbes dieser Kirche. Im Jahr 1587 hatten die Baumeister noch größte Zweifel, ob es halten würde. Es hielt.
16.00
Powershopping. Wer nicht viel Zeit verlieren will, geht ins Kaufhaus Beck, das schönste und originellste Kaufhaus der Stadt, gleich am Marienplatz. Hier gibt es ausgefallene Mode, ein eigenes „Strumpfhaus“ und eine der bestsortierten Musikabteilungen Deutschlands. Wer kein Geschenk findet, ist selber schuld.
18.00
Es ist dunkel, das Glitzermünchen dreht auf, jetzt wird’s noch mal stimmungsvoll. Der zauberhafteste Weihnachtsmarkt des Planeten befindet sich in Schwabing, dem ehemaligen Künstlerviertel nördlich des Zentrums. Wenn man Glück hat, liegt Schnee, dann wirkt die Szenerie noch großartiger. Man muss ein paar Minuten durchs dunkle Gehölz des Englischen Gartens spazieren, und dann: Holzstände mit Kunsthandwerk, ein prasselndes Feuer, Glühweinduft, ein nostalgisches Kinderkarussell – und das alles mitten im Park, neben dem Chinesischen Turm. Mehr Romantik geht nicht. Dort, wo im Sommer in einem der schönsten Biergärten der Stadt das weiß-blaue Lebensgefühl zelebriert wird, fühlt man sich auch in der Weihnachtszeit wie der Münchner im Himmel.
Reisetipps für weihnachtliches München
ANREISE
Beinahe stündlich fliegen Air Berlin oder Lufthansa von Tegel nach München. Ticketpreise beginnen bei 90 Euro in der Economy-Klasse ohne aufgegebenes Gepäck. Nachteil: Der Flughafen liegt ziemlich außerhalb der Stadt. Mit der Deutschen Bahn kommen Reisende direkt im Zentrum an, dafür dauert die Fahrt sechs Stunden. Ohne Bahncard kostet die Fahrkarte ab 145 Euro Spartarif im Dezember.
ÜBERNACHTEN
Günstige Mittelklassehotels liegen rund um die Schwanthaler Straße, die nahe dem Hauptbahnhof beginnt. Wenig Chichi, vernünftiger Service.
MÄRKTE
Außer auf den oben erwähnten Christkindlmärkten lohnt ein Besuch des Schwabinger Weihnachtsmarktes nahe der Münchner Freiheit (Foto oben) oder dem alten Viehhof, auf dem ein Märchenbazar stattfindet. Kunsthandwerk gibt es auf dem Tollwood-Markt auf der Theresienwiese – wo im Herbst die Münchner das Oktoberfest feiern.
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