Komödie "Willkommen bei den Hartmanns": Das ist unser Flüchtling
In Simon Verhoevens Kinokomödie „Willkommen bei den Hartmanns“ erlebt eine Münchner Familie den Clash der Kulturen.
Deutschland sucht den Superflüchtling. Zumindest Familie Hartmann tut das. Er soll nicht zu alt sein, wirklich verfolgt, keine Großfamilie anschleppen, schon ein bisschen Deutsch sprechen und, um Gerhart Polt zu zitieren, „nicht schmutzen“. Seit die Kinder ausgezogen sind, ist die Villa in München-Grünwald sehr groß und sehr leer geworden. Deshalb veranstaltet Mutter Angelika Hartmann, eine pensionierte Studienrätin, gespielt von der echten Grünwald-Bewohnerin Senta Berger, ein Flüchtlings-Casting in ihrem Wohnzimmer. Zu gewinnen gibt es eine rustikale Souterrainunterkunft mit Dusche im Durchgang zum Garten. Ein Bewerber ist gar kein Flüchtling, einer taucht mit verschleierten Ehefrauen auf, und einer ist eher 80 als 18.
Aber Diallo aus Nigeria, der scheint ideal zu sein. Knopfäugig, ein bisschen schüchtern und überaus höflich. „Danke für die Tee“, sagt er am Ende des Gesprächs, worauf Frau Hartmann ihn gleich verbessert: „Den Tee“. Warum er nach Deutschland gekommen ist? „Ich liebe Manuel Neuer“, antwortet er, um gleich hinterherzuschieben: „Ist bloß Spaß.“ In Wirklichkeit hat Diallo die Hölle hinter sich, seine Familie wurde von der islamistischen Terrormiliz Boko Haram ausgelöscht. Trotzdem soll sein Asylantrag abgelehnt werden. Widersprüchliche Auskünfte bei den Interviews, Ärger im Flüchtlingsheim. Ist kein Spaß mehr.
Abschied von der Leitkultur
Von einer „deutschen Leitkultur“, in die sich alle Fremden möglichst bald zu integrieren hätten, ist wieder viel die Rede, seitdem spätestens mit den Kölner Silvesterübergriffen in der öffentlichen Wahrnehmung aus der Flüchtlingseuphorie des Spätsommers 2015 eine Flüchtlingskrise geworden ist. Simon Verhoevens Film „Willkommen bei den Hartmanns“, der als „erste deutsche Flüchtlingskomödie“ beworben wird, zeigt hingegen, wie komisch es sein kann, wenn verschiedene Kulturen aufeinanderstoßen. Denn am Anfang eines guten Witzes steht meist ein Missverständnis. Und Missverständnisse gibt es viele zwischen den Einheimischen und den Dazugekommenen.
Seine besten Momente hat „Willkommen bei den Hartmanns“ immer dann, wenn das Staunen der Protagonisten in der Fassungslosigkeit endet. Das Staunen erwächst daraus, dass die Fremden, die ins Land der Hartmanns kamen, ganz anders sind als angenommen. Ein Muslim zum Beispiel muss kein Feind der Aufklärung sein. Stammelnd versucht die Familie ihrem Gast zu erklären, dass es in Deutschland nicht verboten ist, schwul zu sein. Worauf Diallo, der von dem belgischen Schauspieler Eric Kabongo gespielt wird, entgegnet: „Ich bin nicht schwul.“ „Haben wir auch nicht behauptet“, sagen die Hartmanns nun. „Wir meinen nur: In Deutschland ist es vollkommen okay, schwul zu sein.“ Diallos Antwort: „Aber ich bin nicht schwul.“ Was die Hartmanns endgültig aus dem Konzept bringt: „Macht doch nichts. Kann doch jeder machen, was er will. Geht auch.“
Andererseits muss sich Sophie Hartmann, die von Palina Rojinski dargestellte Familienversagerin, von Diallo fragen lassen, wo denn ihre Kinder seien. Sophie: „Ich habe keine Kinder.“ Diallo: „Aber du bist doch schon alt.“ Sophie: „31“. Diallo: „Eben“. Vorurteile machen weder vor In- noch vor Ausländern halt, und man kann sie nur überwinden – das ist die Botschaft des Films – wenn man miteinander redet.
Nachrichten als Witzvorlage
Simon Verhoeven, übrigens der älteste Sohn von Senta Berger, hatte mit der Arbeit am Drehbuch auf dem Höhepunkt der Willkommenskultur begonnen und musste danach den Ereignissen hinterherschreiben. Das Bedürfnis, die Tagesnachrichten unmittelbar komödiantisch verarbeiten zu wollen, ist dem Film durchaus anzusehen. Schnell kann daraus eine ZDF-„heute-show“ fürs Kino werden.
Ja, ein islamistischer Bombenleger kommt vor, die augenrollende Karikatur eines Fanatikers mit Prophetenturban, der in Diallos altem Flüchtlingsheim festgenommen wird. Und ja, auch die besorgten Bürger von Pegida und AfD fehlen nicht. Nach einer überlauten Begrüßungsparty formieren sich befackelte Anwohner der Villa zu einer Mahnwache und skandieren: „Sich-er-heit!“
Aber die Gutbürger kommen nicht besser weg als die Wutbürger. Eine Hippietante, wohl 1968 auf einem Trip hängen geblieben, triumphiert bereits, dass der Westen angesichts der globalen Migrationswellen nun „endgültig untergeht“. Ähnlich naiv die Reaktion einer Bäckerin, der beim Einkaufen Diallo mit den Worten „Das ist unser Flüchtling“ vorgestellt wird: „Mei, ist der liab.“ Sie erwarteten Kuscheltiere, aber Menschen kamen.
Leider verliert sich „Willkommen bei den Hartmanns“ immer wieder in den Routinen der Familienkomödie. Da geht es um die Midlife-, besser gesagt: Endlifecrisis des Familienvaters, eines Chefarztes im Rentenalter, der sich mehr dafür interessiert, wie er die Falten aus seinem Gesicht kriegt, als dafür, wie er seine in den Alkohol flüchtende Frau wieder glücklich machen kann. Wenn sich der von Heiner Lauterbach gespielte Patriarch von Uwe Ochsenknecht als schmierlappigem Schönheitschirurgen Botox in die Stirn spritzen lässt, ist das alte Traumpaar aus Doris Dörries’ Beziehungskomödie „Männer“ wiedervereint. Und Ulrike Kriener, damals die Ursache ihres Hahnenkampfes, verkörpert die Hippieveteranin mit Weltumarmungs-Dachschaden.
Bauchlandung eines Überfliegers
Manchen Handlungsstrang meint man schon aus anderen Komödien zu kennen. Florian David Fitz, der ganze Stolz der Familie, versucht als Überfliegerjurist zwischen klischeehaften Vorstandssitzungen in Singapur den Kontakt mit seinem Sohn per WhatsApp-Mitteilungen zu halten, erleidet am Flughafen einen Nervenzusammenbruch und landet in einer noch klischeehafteren Heilanstalt. Und Familientochter Palina Rojinski muss dringend mit Elyas M’Barek zusammengebracht werden, der als Assistenzarzt mit ihrem Vater überkreuz liegt. Beide sind seit ihrer Kindheit füreinander bestimmt. Komödien steuern meist auf ein Happy End zu. Das wirkliche Leben hoffentlich auch.
„Willkommen bei den Hartmanns“ startet am Donnerstag in 20 Berliner Kinos.
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