Mietendeckel könnte kippen: Zu wenig Neubau und keine Besserung in Sicht
Berlin muss rasch mehr Wohnungen bauen, sonst hält der Mietendeckel nicht. Das sagt ein SPD-Fachausschuss. Der Bund macht gerade vor, wie das gehen könnte.
Die CDU lenkt im Zerren um die Bodenpolitik der großen Koalition ein – in der Nacht zu Freitag beschloss der Bund, die eigene Grundstücksgesellschaft auf den Bau von Wohnungen für Mitarbeiter zu trimmen und Bauflächen für Kommunen mit Wohnungsnot bereitzustellen.
Für Berlin ist das eine gute Nachricht. Die schlechte aber ist: Das wird bei Weitem nicht reichen, um den Wohnungsmarkt in Berlin zu entspannen. Und der Fachausschuss Soziale Stadt der SPD warnt nach einer Arbeitssitzung mit Verfassungsrechtler Ulrich Battis: Wenn der Senat kein „Wohnungsbau-Beschleunigungskonzept verabschiedet“, wird das Mietendeckel-Gesetz schnell wieder vom Verfassungsgericht kassiert werden. Denn zurzeit gehe beim Neubau zu wenig und das auch zu langsam.
In einem Brief an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) und SPD-Fraktionschef Raed Saleh mahnt der Vorsitzende des Fachausschusses Soziale Stadt der SPD, Volker Härtig, an: „Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Mietpreisbremse im Juli diesen Jahres darf ein derartiger Eingriff in das Privateigentum nur vorgenommen werden zur Abwehr einer – vorübergehenden – sozialen Schieflage.“
Härtig schreibt weiter: „Das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass mit dem Gesetz Maßnahmen angekündigt werden, die geeignet sind, diese Schieflage in absehbarer Zeit zu beseitigen.“ Das aber verlange: mehr bauen, und zwar schneller. Außerdem müssen durch die Ausweisung von mehr Bauflächen und mehr Wohnungen, beispielsweise in den vom Land geplanten „neuen Stadtquartieren“, die Voraussetzungen dafür geschaffen werden.
Keine Entspannung des Wohnungsmarkts in Sicht
Das sei blanke Theorie, meint Härtig. In der Praxis reiche ein Blick in den jüngst vom Senat verabschiedeten „Stadtentwicklungsplan Wohnen“, der die Grundlage für die Baupolitik des Landes sei: „Durch die dort vorgesehenen Maßnahmen ist der Wohnungsmarkt in fünf Jahren nicht wieder entspannt“, sagt Härtig. Und ohne dezidiertes „Wohnungsbaubeschleunigungsprogramm“ von Senat und Bezirken sei der auf fünf Jahre befristete Mietendeckel eben „eine Mogelpackung“: Keine gesetzlich zulässige „Notmaßnahme“, sondern eine auf dauerhaften Eingriff ins Eigentum angelegte Marktregulierung. Das aber sei unvereinbar mit der Verfassung.
Der Bund hat das – anders als der Berliner Senat – begriffen und änderte das „Bima-Gesetz“ am Freitag. Diese „Bundesanstalt für Immobiliendienstleistungen“ spielte auf dem Berliner Wohnungsmarkt bisher eine unrühmliche Rolle: Das „Dragoner-Areal“ hatte die Bima zunächst an einen Spekulanten verkauft, bevor auf politischen Druck von Berlin der Bundesrat das Geschäft stoppte. Massive Klagen wegen verschleppter Instandhaltungen bei zugleich kräftigen Mieterhöhungen erhoben viele der rund 5000 Berliner Mieter von früheren Alliierten-Wohnungen in Bundes-Bima-Eigentum.
Berlin geht leer aus
Das alles könnte durch die Gesetzesänderung ein Ende haben, meint der CDU-Bundestagsabgeordneten und frühere Berliner Senator für Justiz und Verbraucherschutz, Thomas Heilmann. „Erstens haben die Mieter jetzt keine unverhältnismäßig hohen Mieten mehr zu erwarten“ – diese werden auf zehn Euro netto kalt gedeckelt. Und zweitens seien „die Voraussetzungen für die verbilligte Abgabe von Grundstücken an Länder und Kommunen sowie deren mehrheitlich getragene Gesellschaften geschaffen worden“, sagt Heilmann.
Aktiv will die Bima auch selbst zur Entspannung des Marktes beitragen und für die eigenen Beamten bauen. Rund 2500 Wohnungen sollen, unter anderem in dem vom Senat ausgewiesenen Planungsgebiet rund um den Flughafen Tegel, in der Cité Pasteur entstehen. Berlin, das dem Bund Bauflächen abkaufen wollte, geht nun aber wohl leer aus.