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Schwierige Verkehrswende. Autos und Parkplätze nehmen den größten Raum ein. Fahrrad- und Fußwege sind nicht immer gut ausgebaut. Foto: imago
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Infrastrukturatlas 2020: Zu viele Autos, zu wenig Kitaplätze

Infrastrukturen sind lebensnotwendig. Eine neue Studie zeigt, wo es hapert bei Verkehr, Versorgung und Kommunikation in der Hauptstadtregion.

Infrastrukturen bilden die Grundlagen unseres Zusammenlebens, sowohl in wirtschaftlicher als auch in sozialer und politischer Hinsicht. Dennoch galt das Thema lange Zeit als abstrakt und interessierte nur wenige Experten. Durch die Pandemie hat sich das verändert.

Denn die Krise zeigte, wie abhängig unser Leben von reibungslos funktionierenden Lieferketten und Institutionen ist. Inzwischen arbeiten viele Menschen ganz selbstverständlich in digitalen Kommunikationsnetzen, die erst durch den Ausbau des Telekommunikationsnetzes ermöglicht wurden.

Die Böll-Stiftung hat die jüngste Entwicklung zum Anlass genommen, um die Infrastrukturen in Deutschland genauer zu betrachten. Der aktuelle Infrastrukturatlas 2020 soll zeigen, wie es um Verkehr, Versorgung und Kommunikation bestellt ist, aber auch um Kitas, Krankenhäuser oder Schwimmbäder. An einigen Stellen wird die Hauptstadtregion thematisiert. Nicht immer kommt diese dabei gut weg.

Die Kosten für Bahn und Bus sind in der Hauptstadt vergleichsweise hoch. Eine Monatskarte kostet 84 Euro. Damit liegt Berlin auf dem vierten Platz hinter Hamburg (111,20 Euro), Köln (101,90 Euro) und Frankfurt am Main (91,80 Euro). Besonders günstig ist der ÖPNV in München: 55,20 Euro.

Das Sozialticket ist in Berlin am erschwinglichsten. Während es in Hamburg 89 Euro kostet, werden in Berlin nur 27,50 Euro im Monat fällig, also weniger als ein Drittel. Ein Drittel der Bewohner deutscher Großstädte besitzt laut Studie eine Zeitkarte für den öffentlichen Nahverkehr.

Pendler fahren meist Auto

Auf dem Land sind die Verbindungen meist nicht sehr gut. Nur 60 Prozent der Landbevölkerung steht laut Studie ein gutes Angebot zu Verfügung. Darunter verstehen die Autoren eine Haltestelle, die per Fuß zu erreichen ist und mindestens 20-mal am Tag von einem Bus oder einer Bahn angefahren wird.

Weil das selten der Fall ist, bleibt das Auto für Pendler das wichtigste Fortbewegungsmittel. Von bundesweit etwa 18,4 Millionen Pendlern fuhr 2016 eine Mehrheit von 68 Prozent regelmäßig mit dem eigenen Auto, nur 14 Prozent nutzte den ÖPNV.

Als Alternativen für den ländlichen Raum nennt der Infrastrukturatlas Mitfahr-Apps, Bürgerbusse oder selbstorganisierte Sharing-Angebote wie „PotsAb“ im Potsdamer Norden. Dort haben sich Bürger zusammengetan, um Mitfahrgemeinschaften zu organisieren. Spontane oder regelmäßige Mitfahrten können online gesucht und gefunden werden.

Radwege nehmen viel weniger Raum ein als Straßen für Autos.
Radwege nehmen viel weniger Raum ein als Straßen für Autos.
© dpa

Doch auch in der Metropole gestaltet sich die Verkehrswende schwierig. In Berlin nehmen Straßen für den Autoverkehr deutlich mehr Platz ein als die Wege für alle anderen Fortbewegungsmittel zusammen. Insgesamt stehen Autofahrern 48,15 Quadratkilometer Fläche zur Verfügung, davon sind 8,04 Quadratkilometer Parkplatz. Im Gegensatz dazu nehmen Schienenwege nur 8,29 Quadratkilometer ein und Fahrradwege 4,66 Quadratkilometer.

Das steht in einem deutlichen Missverhältnis zur Nutzung. Denn die Berliner legen nur etwa ein Viertel ihrer Wege mit dem Auto zurück (25,9 Prozent). Auf der Schiene findet 26,9 Prozent der Mobilität statt, das Fahrrad wird für 17,6 Prozent der Wegstrecken verwendet. Den größten Teil macht in der Hauptstadt allerdings der Weg zu Fuß aus: 29,6 Prozent der Wege werden so zurückgelegt.

Die Wirtschaft braucht Kitaplätze

In der Coronakrise hat sich auch gezeigt, wie wichtig Kindertagesstätten für das Funktionieren der Wirtschaft sind. Die Studie macht zudem deutlich, dass das langfristig vor allem berufstätige Frauen betrifft. Im Jahr 2006 wurden 37,8 Prozent der Berliner Kinder unter drei Jahren in einer Kita betreut. 2018 lag ihr Anteil bei 43,9 Prozent. Im selben Zeitraum stieg auch der Anteil der berufstätigen Mütter von 26 Prozent auf 34,1 Prozent.

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Die Studienautoren schlussfolgern: „Ein gut ausgebautes Angebot an Kita-Plätzen hat positive Effekte auf die berufliche Karriere von Müttern.“ Wenn der Kitaausbau systematisch gefördert werde, arbeiteten immer mehr Mütter mit Kindern. Im Frühjahr 2020 waren in Deutschland 35 Prozent der Kinder unter drei Jahren in einer Kindertagesbetreuung und 92,5 Prozent der Kinder zwischen drei und sechs Jahren.

In Ostdeutschland waren es jeweils 20 Prozent mehr als in den westlichen Ländern. Bereits seit der Wiedervereinigung gibt es diese Kluft. Allerdings holt der Westen langsam auf.

Wenn es zu wenig Kitaplätze gibt, trifft das vor allem berufstätige Frauen.
Wenn es zu wenig Kitaplätze gibt, trifft das vor allem berufstätige Frauen.
© Sebastian Gabsch PNN

Infrastrukturleistungen werden vom Bund, Ländern, Landkreisen und Gemeinden erbracht. Das meiste stellen die Kommunen bereit: „von der Geburtsstation im Kreiskrankenhaus bis zum Gemeindefriedhof“, besagt die Studie. Häufig sind mehrere staatliche Ebenen in einem Netzwerk verbunden.

Nur wenige Kommunen können ihre Ausgaben allein durch die Abgaben und Steuern finanzieren, die sie einnehmen. Sie benötigen Fördermittel von Land und Bund. Länder mit einem hohen Schuldenstand sind im Nachteil: sie können weniger investieren.

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