Brache in der Cuvrystraße: Zeltstadt statt Guggenheim-Lab
Das Guggenheim Lab eröffnet am Pfefferberg. Auf der zuvor als Standort auserkorenen Brache in Kreuzberg campieren jetzt Aussteiger und Touristen.
An der Stelle, wo das umstrittene Denklabor BMW Guggenheim Lab ursprünglich seinen Platz finden sollte, steht jetzt ein Tipi. Davor sitzt ein hünenhafter Mann, der gerne „Flieger“ genannt werden will, auf einem Klappstuhl. Seit zwei Monaten campiert er auf jener Brache in der Cuvrystraße in Kreuzberg. Die New Yorker Guggenheim-Stiftung hatte den Standort aufgegeben, nachdem Linksextreme gegen die Nutzungspläne mobilisiert und Gewaltaktionen nicht ausgeschlossen hatten. Das Projekt war daraufhin wegen Sicherheitsbedenken nach Prenzlauer Berg verlegt worden. Am Freitag eröffnet das Guggenheim Lab am Pfefferberg, und der anfängliche Widerstand ist auch hier größtenteils gespannter Erwartung gewichen.
Von Protest will auch Flieger nichts wissen. „Ich bin hier hergekommen, weil ich allein sein wollte, weil mich meine Wohnung erdrückt hat“, sagt er. Daraus wurde nichts. Etwa 40 Menschen haben sich ihm mittlerweile angeschlossen und zelten auf der Brache direkt an der Spree. Einige nennen ihn den Häuptling. Er sorgt für Ordnung und schickt Krawallmacher vom Platz. „Ich habe Verständnis für linke Aktivisten und Gentrifizierungsgegner, aber ich will sie hier nicht haben.“ Erst nach und nach hat Flieger erfahren, wie politisch aufgeladen sein Zufluchtsort ist. Etwa, dass im März die Pläne des Guggenheim Labs, das mit verschiedenen Veranstaltungen Themen der Stadtentwicklung diskutieren möchte, in Kreuzberg gescheitert waren. Linksextreme fürchteten, dass die neue Attraktion den Kiez weiter aufwerten und die Mieten steigen lassen könnte, und riefen zu Gegenwehr auf.
VIDEO: Kurz vor der Eröffnung des Labs sind die Fronten noch verhärtet:
Von all dem will Flieger nichts gewusst haben. Er halte den Platz auch nicht besetzt. Die kleine Kommune sei dankbar für jeden Tag, den der Eigentümer des Grundstücks ihnen erlaube zu bleiben, auch wenn der davon wohl nichts weiß. Für die Touristen, von denen immer mehr ihre Zelte bei Flieger aufschlagen, ist er dennoch zum Symbol dafür geworden, wie man sich Freiräume in der Großstadt „zurückerobern“ kann.
Fernab von Fliegers Lager soll über eben solche Themen nun auch im Guggenheim Lab diskutiert werden. Das temporäre Denklabor, selbst mehr Zelt als Bauwerk, steht auf einer Brache in Prenzlauer Berg. Vor einigen Wochen hingen rund um das Areal noch Protestplakate. Jetzt hängt da nur noch ein Transparent der Guggenheim-Stiftung. Ein Paar aus Steglitz liest die Aufschrift und wundert sich: „Öffentliche Verkehrsnetze in Kunst verwandeln“, steht da. Die beiden wissen nicht, was das bedeuten soll, die Aufregung verstehen sie aber nicht: „Miteinander reden; das kann ja erst mal nicht schaden.“ So sieht man das mittlerweile auch im Kiez. Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung, Jens-Holger Kirchner (Grüne), hat von keinem weiteren Protest gehört. „Wir sind gespannt. Jetzt müssen sie zeigen, was sie können“, sagt Kirchner.
Der Protest gegen das Guggenheim-Lab - und die Reaktionen auf den Rückzug:
Das Hauptproblem der Lab-Gegner, nämlich zu teurer Wohnraum, soll aber erst ab der dritten Lab-Woche eine Rolle spielen. Kuratorin Corinne Rose will dann Grundstücke, die vom landeseigenen Liegenschaftsfonds für eine hochwertige Wohnbebauung angeboten werden, anfahren und dort mit Anwohnern ins Gespräch kommen. Kritikern ist das nicht genug. Die Bürgerinitiative „Leute am Teute“ startet deshalb am Samstag eine Gegenveranstaltung zum Thema Gentrifizierung. „Dafür brauchen wir kein Schicki-Micki“, heißt es auf ihrer Website.
Flieger hätte sich über so ein Lab übrigens gefreut. „Dann hätten wir es hier überdacht, und sie könnten uns in ihrem Museum ausstellen.“ Schließlich seien er und seine kleine Gemeinschaft die letzten echten Kreuzberger.
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