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Marke von Welt. Ab 15. Juni gastiert Guggenheim im Pfefferberg.
© Mike Wolff

Lab-Projekt im Pfefferberg: Guggenheim, das Museum Ihres Vertrauens

Der Guggenheim-Konzern hat den klingenden Namen des New Yorker Hauses lange in alle Welt verkauft. Jetzt aber reisen die Guggenheimer auch mit einer temporären Kunsthalle durch die Lande. Am Wochenende eröffnet das umstrittene Lab in Berlin im Pfefferberg.

Hätte man vor fünf Jahren Museumskritiker gefragt, wie man das mächtigste Museum der Welt reformieren müsse, wäre die polemische Antwort vielleicht das BMW Guggenheim Lab gewesen. Jahrelang hatte die Solomon R. Guggenheim Foundation unbeirrt neue Expansionspläne bekannt gegeben.

Auch wenn viele der globalen Zweigstellen und internationalen Kooperationen nie zustande kamen oder der Erweiterungsbau am East River, eine 120 Meter hohe, 950 Millionen Dollar teure gigantische Lamettawolke von Frank Gehry schon 2002 unbezahlbar geworden war, galt und gilt die New Yorker Stiftung doch als der einzige wahrhaft globale Museumskonzern.

Direktor Thomas Krens war umstritten, vielerorts sogar verhasst, hatte aber in seiner Amtszeit von 1988 bis 2008 das Stiftungsvermögen um 98 auf 118 Millionen Dollar vermehrt. Vor allem hatte er die Rezeptur gefunden, mit der sich in Museumskellern verstaute Kunst über Nacht in eine Tourismusmaschine verwandeln ließ.

Mit einem von Immobilienhändlern beherrschten Stiftungsrat hatte sich das Museum selbst in einen Immobilienentwickler verwandelt. Städten, die sich die teure Lizenzgebühr leisten konnten, verlieh die Guggenheim Foundation ihren Markennamen und versprach mehr Tourismus und Prestige.

Wer dieses System in seinen Grundfesten angreifen wollte, hätte Krens als Erstes abverlangen müssen, sich von seinem Stararchitekten Gehry zu trennen, mit dem er an der spanischen Atlantikküste die Bilbao-Formel erfunden hatte. Gehry hatte mitten in der Provinz eine gleißende Hülle gebaut, die man dann mit den überreichlich vorhandenen Guggenheimbeständen belieh, um jährlich mehr als eine Million Besucher anzuziehen. Als Zweites aber hätte er fordern müssen, die weltweit verstreuten Dependancen in Denklabore zu verwandeln, um wieder den Kuratoren, Künstlern und Experten das Wort zu überlassen.

Sehen Sie hier ein Video zum umstrittenen Guggenheim-Projekt in Berlin:

So lange die Franchising-Einnahmen flossen, waren lokale Debatten für die Museumsmarke allerdings ebenso schädlich wie für einen globalen Autokonzern. Wer globalisiert, standardisiert. Guggenheim war der Marktführer kultureller Normung. Für Denklabore vor der Haustür im Kiez nebenan war da noch kein Platz. Statt glitzernder Aluminiumpaläste mal einen temporären Pavillon bescheiden in eine Baulücke quetschen? Die Guggenheim-Führung hätte über so viel Weltfremdheit nicht einmal gelacht.

Dass der kulturelle Weltkonzern nach New York nun auch in Berlin eine Art universalen Stadtteilladen installiert, der wie eine spöttische Vision langjähriger Thomas-Krens-Kritiker wirkt, ist nicht ohne Komik. Wie in Kreuzberg gab es schon in New York erboste Stimmen, die das Labor als Treiber der Gentrifizierung sahen, über die in ihm diskutiert werden sollte. In einem Blog stellte ein Anwohner süffisant fest, hier errichte der weiße Mittelstand ein Labor, debattiere darin und übernehme auch gleich noch den wütenden Protest dagegen, weil die eigentlich Betroffenen sich das Protestieren sowieso nicht mehr leisten könnten.

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Natürlich wird sich an der New Yorker Mietpreis-Explosion und an den Wanderungsbewegungen der sozial Abgedrängten durch ein urbanistisches Plenum wenig ändern. Auch von bahnbrechenden Guggenheim-Lab-Debatten ist bisher nichts bekannt. Aber ging es überhaupt um die Bedürfnisgerechtigkeit unserer Städte in diesem amerikanischen Labor? Oder ist es nur Ausdruck der Suche eines Museumsgiganten nach einem neuen, krisenfesteren Geschäftsmodell, das sich schlank und öffentlich gibt?

Tatsächlich steckt die Solomon R. Guggenheim Foundation in einer tiefen Sinnkrise. 2008 ist das Guggenheim Hermitage Museum in Las Vegas (wie zuvor das Guggenheim Las Vegas) geschlossen worden, dem Jahr, in dem Richard Armstrong die Krens-Nachfolge antrat. Ende 2012 schließt die Deutsche Guggenheim, eine Berliner Kollaboration zwischen Deutscher Bank und Museum, nach 15 Jahren Laufzeit und 57 äußerst erfolgreichen Ausstellungen Unter den Linden. 2009 wurde das mexikanische Guggenheim Guadalajara abgesagt. Spielstätten in Taiwan, Singapore und Rio de Janeiro (mit Wasserfall und Unterwasseratrium) blieben Fiktion. Die Vilnius Guggenheim Hermitage wird nach finanziellem Streit auch weiterhin nicht eröffnet werden, und die pompöse Guggenheim-Dependance in Abu Dhabi hat vor allem durch Ausbeutung rechtloser Arbeiter auf der Großbaustelle und politische Anbiederung an das autoritäre Emirat von sich reden gemacht. Die Eröffnung ist auf 2017 verschoben. Und dann gab es auch noch das Debakel in Helsinki.

Dort hatten die New Yorker ein neues, ein reformiertes Bilbao versprochen. Für 140 Millionen Euro Nettobaukosten und 30 Millionen Euro Franchisinggebühr wurde den Stadtvätern ein Magnet für Russen und Asien-Touristen auf der Durchreise versprochen. Mithilfe einer 180-seitigen Machbarkeitsstudie wurden musterschülerhaft alle finnischen Kultureinrichtungen analysiert, um den Verdacht des Kolonialismus zu entkräften. Nur die Inhalte dieses Museumswunders wollten einfach keine Konturen gewinnen. Die Rede war von Design und Kultur als Basis finnischer Identität. Es sollte nun um „künstlerische Prozesse“ gehen, die das Museum darstellen müsse. Wir haben gelernt, riefen die Guggenheimer den Finnen zu: Wir sind nun ein Super-Labor, kein Kreditinstitut für Museumsleihgaben. Der Stadtrat von Helsinki aber lehnte das Projekt mit 7 zu 6 Stimmen ab, nachdem es in den Strudel der Lokalpolitik geraten war.

Sehen Sie hier eine Bildergalerie zum Protest gegen das Guggenheim Lab und andere Projekte:

„Wenn Sie einen BMW oder Mercedes kaufen, in einem Four Seasons absteigen oder den Louvre besuchen,“ so Krens 2006, „dann haben Sie eine ziemlich verlässliche Garantie dafür, dass Ihnen ein Qualitätserlebnis geboten wird.“ Eine „gute Marke“, fand Krens, wird „zu einem Artikel des Vertrauens“. Heute ist Krens aus dem Kulturbetrieb abgetaucht. Die Aktivitäten des Guggenheim-Konzerns werden mit Misstrauen beobachtet.

Jetzt will die Schweizer Großbank UBS der Guggenheim Stiftung mit einem 40 Millionen Dollar schweren Austauschprogramm das nächste Labor bezahlen. Das Museum verschickt Kuratoren und baut neue interkontinentale Netzwerke, diesmal ohne Flagship-Architektur. Doch die Zeiten haben sich schneller geändert, als ein Museumskonzern sich reformieren lässt. Nach Jahrzehnten von Luxusmarken-Konsum in den Guggenheim-Häusern fragt sich mancher Besucher, was Kunst außer Glamour eigentlich noch ist. Das neue Guggenheim, das darauf Antworten geben könnte, muss noch erfunden werden.

BMW Guggenheim Lab, Pfefferberg, Hof 3, 15. 6. – 29. 7.; Mi – So 14 – 22 Uhr.

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