Staatsoper-Affäre in Berlin: Wowereit wollte "Oper des 21. Jahrhundert"
Der Untersuchungsausschuss zur Staatsopern–Affäre befragte Ex-Kultursenator Thomas Flierl und den früheren Intendanten Peter Mussbach. Flierl gibt Wowereit die Schuld an dem Kostendebakel.
Oper ist natürlich immer Luxus. Teurer und aufwändiger ist keine Kunstform, ohne Solisten, Chor und Orchester, ohne Dutzende helfende Hände hinter den Kulissen geht in diesem Genre gar nichts. Die Frage ist nur: Was für eine Hülle ist nötig, um Musiktheater auf Hauptstadtniveau zu präsentieren?
Mehr als fünf Stunden hat der „Untersuchungsausschuss Staatsoper“ des Abgeordnetenhauses gestern wieder versucht, durch die Befragung wichtiger Akteure ein paar weitere Mosaiksteinchen zusammenzutragen, aus denen sich bis zum kommenden Mai hoffentlich ein klares Bild ergeben wird. Aus dem dann abzulesen ist, wer die Schuld an dem Skandal um die Lindenoper trägt. Kosten in Höhe von über 400 Millionen Euro statt der ursprünglich bewilligten 239 Millionen, eine Bauzeit, die sich von drei auf sieben Jahre verlängert hat – das rechtfertigt durchaus 12 Monate akribischer Detailrecherche durch die Volksvertreter.
Linke-Politiker Thomas Flierl, Berliner Kultursenator von 2002 bis 2006 sowie Peter Mussbach, Staatsopernintendant von 2002 bis 2008 waren am Freitag vorgeladen. Und eigentlich auch noch der langjährige Geschäftsführer des Hauses und heutige Generaldirektor der Opernstiftung, Georg Vierthaler – doch den mussten die Parlamentarier aus Zeitmangel auf die nächste Sitzung am 27. November vertrösten.
Wowereit wollte vergrößerte Bühne sowie luxuriösen Probenraum
Wolfgang Brauer von den Linken, der den Vorsitz im Untersuchungsausschuss hat, resümierte anschließend gegenüber dem Tagesspiegel, die Sitzung habe gezeigt, dass man bei der Planung zwei Phasen unterscheiden müsse: Thomas Flierl habe in seiner Amtszeit die Überzeugung vertreten, dass es für Berlin ausreiche, wenn das größte Haus – also die Deutsche Oper – für das ganz große Repertoire geeignet sei. Danach hätte für die Staatsoper eine Grundsanierung ausgereicht – unter der Voraussetzung einer künstlerischen Beschränkung auf die vor Richard Wagner entstandenen Stücke.
Erst Klaus Wowereit habe dann aus politischen Gründen beschlossen, Unter den Linden die „Oper des 21. Jahrhunderts“ entstehen zu lassen, mit einer vergrößerten Bühnenfläche, einem luxuriösen Probenzentrum und einem Tunnel, durch den die Dekorationen vom Intendanzgebäude zur Bühne transportiert werden können.
Die Grünen-Politiker Sabine Bangert und Oliver Schruoffeneger stimmen Brauer in dieser Einschätzung zu: „Auf Basis der ursprünglichen Planungen hätte die Staatsoper für 115 Millionen Euro saniert werden können.“ Erst durch Wowereits politisch motivierte Neuplanung, „die bis dahin nicht vorbereitet worden war“, seien folglich „Kostentreiber“ in die Planung aufgenommen worden. Auch Ex-Intendant Mussbach sprach davon, die Ziele der Sanierung seien „vollkommen diffus“. Wowereit habe mit seiner Entscheidung „den Einzelinteressen der Staatsoper nachgegeben“, so Bangert und Schruoffeneger: „Diese politische Fehlentscheidung hat faktisch auch die Funktion der Opernstiftung – eine unterschiedliche Profilierung der Häuser – ausgehebelt.“