Rüstungslobby in Berlin: Wo Politik, Kunst und Waffen aufeinandertreffen
Pariser Platz und Unter den Linden: Hier sitzen Rüstungsunternehmen, um die Bundespolitik zu beeinflussen. Ein lobbykritischer Stadtrundgang zeigt ihre Büros.
Zwischen Touristenattraktionen, Kunstaustellungen und politischen Institutionen am Pariser Platz und Unter den Linden befinden sich die Büros der größten Rüstungsunternehmen Deutschlands. Obwohl Berlin zwar kein Hauptstandort der Waffenproduktion ist, nimmt die Hauptstadt eine zentrale Rolle im Rüstungshandel ein. Hier versuchen Lobbyisten, die Weichen für politische Entscheidungen zu stellen und die Waffenproduktion und -exporte zu ihrem Gunsten zu regeln.
Wie arbeiten Rüstungslobbyisten in Berlin? Das Kunstprojekt "Up in Arms" will die Verbindungen zwischen dem Rüstungshandel und der Hauptstadt sichtbar machen. Das Projekt gewann den diesjährigen Wettbewerb "Kunst im Untergrund" der neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (nGBK), der Kunstprojekte in oder in unmittelbarer Nähe von U-Bahnhöfen auszeichnet. Die zusätzliche Ausstellung kann man bis zum 15. Dezember im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien besuchen.
Gemeinsam mit der NGO LobbyControl bot das Kunstprojekt von September bis November eine Stadtführung über den internationalen Rüstungshandel aus Lobby-Perspektive an. Das ganze Jahr über bietet die NGO lobbykritische Stadtführungen an. Der Andrang für diese spezielle Tour sei aber besonders groß gewesen, sagt Führungsleiter Martin Jähnert von LobbyControl. Insgesamt gab es 18 Touren - alle seien nach kurzer Zeit ausgebucht gewesen.
Eine Teilnehmerin erzählt, dass sie anderthalb Monate auf der Warteliste gestanden habe, bevor sie an der Führung teilnehmen konnte. Sie sei über das Kunstprojekt "Up in Arms" auf die Stadtführung aufmerksam geworden. Da diese Tour so viel Andrang gefunden habe, plane LobbyControl eine ähnliche Tour im nächsten Jahr wieder anzubieten.
Zu Beginn stellt Martin Jähnert klar, dass LobbyControl den Lobbyismus nicht verbieten wolle – Unternehmen sollen das Recht haben, ihre Interessen zu vertreten. Dennoch entstünden zwei große Probleme beim Lobbying. Ein Problem sei die Intransparenz: Lobbyisten und Politiker müssten ihre Treffen nicht veröffentlichen, da es in Deutschland kein verpflichtendes Lobbyregister gibt. Daher könne die Bevölkerung auch nicht nachvollziehen, welche politische Entscheidungen, zu wessen Gunsten getroffen werden.
Mehr Geld bedeutet stärkeren Einfluss auf die Politik
Das zweite Problem sei das Machtungleichwicht zwischen den Interessensvertretungen. Unternehmen und Konzerne hätten meistens mehr Geld, sind besser organisiert und besitzen wertvolle Kontakte zu Politikern. Das verschaffe ihnen in der Regel größeren Einfluss auf politische Entscheidungen.
In der Rüstungslobby seien diese Grundprobleme besonders stark, sagt Jähnert. In der Verteidigungspolitik sei Geheimhaltung notwendig - daher wisse die Öffentlichkeit wenig über den Austausch zwischen der Rüstungsindustrie und der Politik. Rüstungsunternehmen investieren auch besonders viel Geld in die Lobbyarbeit. Da ihre Zielgruppe in der Regel die Regierungen und keine Privatpersonen seien, fallen die Kosten für Marketing und PR weg.
Starken Gegenwind gegen Rüstungsindustrie gebe auch es nicht: Kontrahenten der Rüstungslobby sind meistens kleine pazifistische NGOs oder Friedensgruppen. Diese haben weder das Netzwerk an politischen Kontakten noch genug Geld, um sich ein Büro am Pariser Platz leisten.
Die erste Station der Stadtführung ist am Pariser Platz, direkt neben der Stiftung Brandenburger Tor. Hier befinden sich die Büros der Rüstungsunternehmen Rheinmetall, Krauss Maffei Wegmann, Diehl und German Naval Yards. Die Nähe zur Bundesregierung ist garantiert: von hier aus braucht man nur fünf Gehminuten bis zum Reichstag.
Nicht nur die Lobbyisten profitieren von der Nähe zur Politik – für die politischen Entscheidungsträger selbst winkt nach ihrer Amtszeit oft eine Position in der freien Wirtschaft oder in der Lobbyabteilung – meistens mit einem attraktiven Gehalt, da ausscheidenden Politiker noch wertvolle Kontakte besitzen.
Als prominentes Beispiel nennt Jähnert Dirk Niebel. Von 2009 bis 2013 war der ehemalige FDP-Politiker Entwicklungsminister. Während seiner Amtszeit erteilte der Bundessicherheitsrat eine umstrittene Vorabgenehmigung für Panzerexporte nach Saudi-Arabien. Nach dem Ausscheiden der FPD aus dem Bundestag wurde Niebel Cheflobbyist bei Rheinmetall.
Doch die Bundesregierung sei nicht die einzige Zielgruppe der Waffenlobby, sagt Jähnert. Auch die Abgeordneten seien im Visier der Lobbyisten, da der Bundestag unter anderem den Bundeshaushalt bestimmt. Daher organisieren Lobbyisten regelmäßig Veranstaltungen in der Nähe der nächsten Station der Tour, dem Matthias-Erzberger-Haus gegenüber vom Hotel Adlon, um sich mit Parlamentariern auszutauschen.
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In manchen Fällen werden Abgeordnete selbst zu Lobbyisten. Rund 30 Prozent der Abgeordneten gehen derzeit einer Nebentätigkeit nach. Das kann zu möglichen Interessenskonflikten führen, die man auch dem CSU-Abgeordneten Florian Hahn im Jahr 2016 unterstellte.
Hahn ist Mitglied des Verteidigungsausschusses und war im Aufsichtsrat des Unternehmens Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft (IABG), das auch in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik tätig ist. Ihm habe man unterstellt, dass er sich für Projekte eingesetzt habe, von denen die IABG direkt profitiert haben soll. Hahn wies diese Vorwürfe zurück, gab aber 2017 seinen Posten im Aufsichtsrat auf.
Wie Kunst und Rüstung in Verbindung stehen
Neben der Politik ist auch der Kunstsektor mit der Rüstungsindustrie verbunden. Darüber spricht Johanna Werner von der nGBK während der Stadtführung am Palais Populaire. Es ist der Ausstellungs- und Veranstaltungsort der Deutschen Bank und befindet sich Unter den Linden. Das offizielle Ziel der Deutschen Bank mit diesem Ort sei es „Kunst, Kultur und Sport“ zu verbinden. Was dabei nicht im Mittelpunkt stehe, sei die Tatsache, dass die Deutsche Bank Kredite in Milliardenhöhe an Rüstungshersteller vergebe wie Thyssen Krupp oder Lockheed Martin. Dass sich eine Bank im Kunstbereich engagiere, habe mehrere Gründe. In erster Linie bessere ihre Beteiligung ihr Image auf – und ihre Verbindung zur Rüstungsindustrie gerät in den Hintergrund.
Protest aber keinen Boykott
Die Kunstszene reagiert unterschiedlich auf die Beteiligung des Rüstungssektors. 2017 fand zum Beispiel die erste Ausstellung deutscher Künstler in Peking statt – die „Deutschland 8“. Sponsoren waren unter anderem das Auswärtige Amt und Rüstungshersteller Rheinmetall. Von dieser Beteiligung sollen die Künstler erst im Nachhinein erfahren haben. Darauf schrieb eine Gruppe von Künstlern einen offenen Protestbrief an die Veranstalter – boykottiert haben sie die Ausstellung aber nicht.
Einen erfolgreichen Protest der Kunstszene gab es in diesem Jahr im Whitney Museum in New York. Als bekannt wurde, dass dem Vizepräsidenten Warren B. Kanders Anteile am Rüstungsunternehmen „Safariland“ gehörten, haben acht Künstler gefordert, ihre Kunstwerke aus dem Museum zu nehmen. Nach starken Protesten, gab Kanders seinen Posten als Vizepräsident auf.
Lisa Kim Nguyen
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