Geschlechtergerechte Sprache: Wird Gendern im Rathaus Lichtenberg bald Pflicht?
Die Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg will eine geschlechtsneutrale Sprache vorschreiben. Das bringt vor allem die AfD in Bedrängnis.
„Bei all unseren Vorhaben sollen die Bürger*innen Lichtenbergs noch stärker beteiligt werden,“ schreibt der am Donnerstag neu gewählte Bürgermeister des Bezirks, Michael Grunst, in einer Mail. Ja, er schreibt „Bürger*innen“. In der Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung (BVV) könnte eine solche gegenderte Sprache bald zur Pflicht werden. SPD, Linke und Grüne, die zusammen die Mehrheit haben, sind dafür. Dies wäre berlinweit bislang einmalig.
Einen entsprechenden Antrag brachte die SPD-Fraktion in die Versammlung ein: alle Anträge, Anfragen und Kenntnisnahmen sollen nur noch in zugleich weiblicher und männlicher Form formuliert werden. In der BVV-Geschäftsordnung soll künftig stehen: „In der Tagesordnung können nur Drucksachen behandelt werden, welche eine gegenderte Sprache beachten. Drucksachen, die beispielsweise nur die männliche oder nur die weibliche Form benutzen, können nicht Bestandteil der Tagesordnung einer BVV sein. Das gilt auch bei der Einreichung von dringlichen Drucksachen."
„Natürlich werden wir durch unseren Antrag nicht die Ungerechtigkeit zwischen Mann und Frau aufheben, aber vielleicht dafür sensibilisieren“, sagt der SPD-Fraktionschef Kevin Hönicke. Bislang habe man dies auf freiwilliger Basis versucht, das habe nicht geklappt. Wie genau „gegendert“ wird, soll allerdings nicht festgeschrieben werden – ob also „Bürgerinnen und Bürger“, „Bürger*innen“ oder noch eine andere Form verwendet wird. Diese Offenheit begründet Hönicke damit, dass auch in der Wissenschaft noch keine abschließende Festlegung stattgefunden habe.
AfD stünde vor einem Problem
Der SPD-Antrag liegt inzwischen beim BVV-Ausschuss für die Geschäftsordnung. Dort soll er nochmal beraten und dann von der BVV beschlossen werden. Besonders der AfD dürfte es schwerfallen, sich an die neue Sprachregel zu halten. „Die AfD lehnt das ab. Dieser Antrag ist ideologisch und fernab der Realität“, sagt Vize-Fraktionschef Karsten Woldeit. Wenn der SPD-Antrag durchkommt, stünde die AfD vor einem Problem: Auf einem Bundesparteitag hatte sie beschlossen, bei dem „Genderwahn“ nicht mitzumachen. Ist die neue Regelung aber erstmal in Kraft, könnte die AfD keine Anträge mehr einreichen, ohne gegen parteiinterne Beschlüsse zu verstoßen.
Auch die CDU-Fraktion ist nicht angetan: „Wir brauchen in Lichtenberg Lösungen für dringend anstehende Fragen“, heißt es. Ob Schulplätze, wachsende Stadt, kaputte Infrastruktur oder wirtschaftliche Entwicklung sowie die Sicherung lokalen Grüns, alles sei wohl entscheidender als der „Zwang zu gendergerechten Anträgen. „Der Antrag der SPD löst kein einziges Problem und schafft mehr Bürokratie. Darüber hinaus besteht noch ein hoher Forschungsbedarf, welche Formulierung nunmehr gendergerecht zu bewerten ist“, so Fraktionsvorsitzender Gregor Hoffmann. Er empfiehlt, über den Antrag im Gleichstellungsausschuss zu diskutieren. In der jetzigen Form begrenze er „demokratische Teilhabe und wäre von uns abzulehnen“.
„Quotierte Frau/Mann-Redeliste"
Bürgermeister Michael Grunst jedenfalls will das Gendern unterstützen: „Wenn es uns ernst ist mit Gendergerechtigkeit, dann sollte der Politikbetrieb es auch vorleben, in dem er sich selbst bindet.“ Er könne sich auch weitere neue Regelungen in der Geschäftsordnung vorstellen, beispielsweise eine „quotierte Frau/Mann-Redeliste".
Unter dem neuen Bürgermeister Grunst würde es die AfD ohnehin nicht leicht haben. „Rechtspopulistische Parteien arbeiten mit radikalen Codes und Provokationen“, sagte er am Donnerstag während der BVV-Sitzung.
Robert Klages