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Ein Wohnungsneubau in Kreuzberg,
© Bernd von Jutrczenka/dpa

Silke Gebel im Interview: "Wir brauchen ein Bündnis mit privaten Bauherren"

Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel fordert im Interview mehr Wohnungsbau und eine schnellere Digitalisierung.

Frau Gebel, wie ist der Zustand der rot-rot-grünen Koalition?

Wir haben keine bundespolitischen Verhältnisse. Die Koalition hat schon viel aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, es steht noch einiges an. Da sind wir Grüne auch ungeduldig und können nachvollziehen, wenn es anderen auch so geht.

Welche Themen machen Sie ungeduldig?

Wir erwarten nach der Sommerpause die Vorlage von mehreren Maßnahmenpaketen. Es geht vor allem um bezahlbaren Wohnraum, um Wohnungsbau. Das bewegt doch die Berliner. Und wir müssen sichere Radwege zügig umsetzen. Nach Verabschiedung des bundesweit einmaligen Mobilitätsgesetzes werden dem nun Taten auf der Straße folgen. Die Digitalisierung der Verwaltung geht schleppend voran. Das betrifft die Bürgerdienste, die KfZ-Zulassungsstellen. Und wir brauchen deutlich mehr Personal in den Bildungseinrichtungen. Daher ist ein Personalentwicklungskonzept bis spätestens Ende 2018 und ein Maßnahmenplan für Effizienz- und Modernisierungsmaßnahmen in der Verwaltung so wichtig.

Sie waren bei der weitgehend ergebnislosen Senatsklausur dabei. Mit dem Bau der meisten der fast 42 000 Wohnungen in 14 Stadtquartieren soll erst ab 2021 begonnen werden. Sind Sie damit zufrieden?

Die Stadtquartiere sind ein wichtiger Baustein in der Wohnungspolitik. Wir freuen uns darauf, dass Frau Lompscher am Ende des Sommers ein Maßnahmenpaket zum Wohnungsbau und bezahlbaren Mieten präsentiert. Unsere Erwartung ist, dass das von Innenstadtverdichtung durch mehr Dachgeschossausbau über schnellere Baugenehmigungen bis hin zu bezahlbarem Wohnraum durch Support von Genossenschaften und Baugruppen reicht.

Und welche Maßnahmen schlagen Sie vor?

Es ist klar, dass die 14 Neubauquartiere wichtig sind. Aber wir brauchen zusätzlich ein Bündnis mit privaten Bauherren und Wohnungsbauunternehmen – auch als Spekulationsbremse. Auch die Genehmigungsverfahren müssen schneller werden. Wir müssen wieder zu einer One Stop Agency der Verwaltung hinkommen. Wir brauchen eine Anlaufstelle für alle Genehmigungsverfahren. Beim Dachgeschossausbau können wir uns eine gezielte Förderung vorstellen. Senatorin Lompscher macht ja schon einiges, aber das muss einfach stärker gebündelt werden. Wir brauchen alle Akteure, die für bezahlbaren Wohnraum im Sinne des Gemeinwohls stehen. Dazu zählen auch Genossenschaften. Es gibt viele, die Neubau unterstützen würden. Da müssen wir die Türen öffnen.

Ein weiterer Aufreger in der Koalition ist das Besetzungsverfahren für eine zentrale Abteilungsleiterstelle in der Bauverwaltung. Trotz fachlich kompetenter Bewerber soll die Position nun Sandra Obermeyer, die parteilose, aber für die Linke eingesetzte Jugendstadträtin von Mitte, erhalten. Was sagen Sie dazu?

Ich kann das Verfahren nicht bewerten und Personalentscheidungen stehen den Senatoren frei. Klar ist: Wir brauchen für diese zentrale Abteilung für Wohnungspolitik in Berlin eine Person, die aus dem Stand arbeiten kann. Auf diese Position muss eine Person, die im Stoff steht. Da gibt es bei Frau Obermeyer wenigstens Anknüpfungspunkte beim Zweckentfremdungsverbot und der Bekämpfung illegaler Ferienwohnungen in Mitte.

Ein anderes Thema ist die nicht bürgerfreundliche Verwaltung. Wie soll wie geplant die Um-, Ab- und Anmeldung von Kfz ab 2019 online erfolgen, wenn jetzt per Telefon noch nicht einmal Termine innerhalb von zwei Monaten vergeben werden?

Das komplette Verfahren muss dort geändert werden. Die reine Digitalisierung wird nicht reichen. Es sollten zunächst nur noch Einzelpersonen Termine erhalten, keine Händler, die Termine für Privatpersonen blocken. Ein nicht haltbarer Zustand ist es auch, wenn zum Beispiel Termine weiterverkauft werden. Da muss die Politik darauf reagieren.

Wie soll die Situation in einzelnen Standesämtern verbessert werden, wo man kaum Termine für eine Geburtsanmeldung oder Hochzeit erhält?

Die Verwaltungsmodernisierung hat höchste Priorität. Es gibt vier zentrale rot-rot-grüne Projekte: Bürgeramt, Schulbau, Unterbringung von Wohnungslosen und Mobilität. Bei den Standesämtern gibt es das Problem, dass sie untereinander noch nicht digitalisiert sind. Wir brauchen eine Software für alle Verwaltungen. Die Verwaltungen der Bezirke und des Landes müssen entsprechende Verträge mit unserem IT-Dienstleister ITDZ bis spätestens nach dem Sommer schließen, um einen einheitlichen Berlin-PC für alle Behörden zu erhalten.

Die Grünen fahren Ende August auf Fraktionsklausur nach Hamburg. Welche Themen wollen sie dort diskutieren?

Wir wollen in Hamburg ein grünes Städtenetzwerk mit den Stadtstaaten Hamburg und Bremen gründen, um uns besser auszutauschen. Wir werden uns Projekte wie „Schulbau Hamburg“, eine eigens gegründete Gesellschaft, ansehen. Wir werden uns Verkehrsprojekte anschauen - und eine Besichtigung des Hafens gehört natürlich auch dazu.

Silke Gebel, 34, ist Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus und Abgeordnete aus Berlin-Mitte. Sie ist Sprecherin für Europa und Mitglied der Europa- Union.

Sabine Beikler

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