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Qualitätswettbewerb unter Krankenkassen? Bisher fehlt es dafür an Transparenz.
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Mehr Transparenz beim Krankenkassenvergleich: „Wir beliefern bisher einen Datenfriedhof“

Versicherte sollten erfahren, wie oft ihre Krankenkasse Leistungen ablehnt, sagt Reinhard Brücker, Vorstandsvorsitzender der Krankenkasse Viactiv.

Reinhard Brücker ist Vorstandsvorsitzender der Betriebskrankenkasse Viactiv mit Hauptsitz in Bochum. Die Kasse hat bundesweit 700.000 Versicherte.

Herr Brücker, Ihre Krankenkasse hat eine große Transparenzinitiative angekündigt, um den Versicherten mehr Daten für einen Kassenvergleich zur Verfügung zu stellen. Welche Daten veröffentlicht die Viactiv, die über das hinausgehen, was andere Kassen zur Verfügung stellen, also zum Beispiel die Höhe des Beitragssatzes und die freiwilligen Zusatzleistungen?
Bereits seit zehn Jahren hat der Spitzenverband der Krankenkassen die gesetzliche Pflicht, ein Benchmarking zum Vergleich der Leistungs- und Qualitätsdaten der Krankenkassen aufzubauen. Passiert ist seitdem aber nichts. Deshalb haben wir und einige wenige andere Krankenkassen …

… beispielsweise die Siemens-BKK und die IKK Südwest …
… nun die Initiative ergriffen, Daten zu veröffentlichen, vor allem zum Leistungsgeschehen, also zu den Ausgaben für bewilligte Leistungen, zur Zahl der Leistungsanträge, zur Bewilligungsquote und zu der Anzahl von Widersprüchen von Versicherten gegen nicht genehmigte Leistungen.

Hinzu kommen Angaben zu Beratungen, etwa, wie viele Anfragen wir bearbeitet haben und wie lange die Bearbeitungszeit dauerte. Uns geht es dabei um die klare Botschaft, dass Beitragssatz und Zusatzleistungen, wie sie die meisten Verbraucherportale derzeit für einen Kassenvergleich nutzen, keine ausreichende Orientierung für die Kassenwahl ermöglichen.

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Es gibt doch schon Daten, die alle Krankenkassen melden müssen.
Das stimmt, alle Kassen sind gesetzlich verpflichtet, solche Daten wie die Widersprüche an das Bundesgesundheitsministerium zu melden. Doch diese Daten sind nicht öffentlich zugänglich. Damit geschieht gar nichts, geschweige denn, dass versucht würde, sie für einen Kassenvergleich aufzubereiten. Die Daten werden gemeldet – und Ende. Das ist ein Datenfriedhof.

Nun hat sich im vergangenen Jahr auch die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Schmidtke, des Themas angenommen und im September alle Krankenkassen angeschrieben und unter anderem Zahlen zu Widersprüchen abgefragt. Die Ergebnisse sind bis auf den heutigen Tag leider noch nicht veröffentlicht.

Aber mich als Versicherten würde doch eigentlich viel mehr interessieren, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine bestimmte Leistung bewilligt wird. Also wäre eine Angabe, wie hoch die Bewilligungsquote ist, für den Kassenvergleich doch sinnvoller. Würden Sie auch solche Zahlen veröffentlichen?
Ja, das würden wir auch tun. Und für Reha, wo es um die Bewilligung beispielsweise von Mutter-Kind-Kuren geht, tun wir das auch schon jetzt. Ebenso gehört zur Transparenz auch der Umgang mit Anträgen auf Heil- und Hilfsmittel.

Ist es nicht so, dass trotzdem die meisten Menschen immer noch mit dem Blick auf den Zusatzbeitrag die Kassenwahl treffen?
Diese Haltung nimmt ab. Davon bin ich fest überzeugt. Wir registrieren schon jetzt immer mehr Kassenwechsel zu uns, weil die Versicherten mit dem Service oder den Leistungen ihrer ursprünglichen Kasse nicht mehr zufrieden waren. Der Trend weg vom bloßen Beitragsvergleich ist da – und doch benötigen wir die Unterstützung der Politik, diesen Trend zu verstärken. Indem die Kassen allgemein mehr Daten veröffentlichen müssen.

Nun geht Ihre Kasse mit diesem Fast-Alleingang ein Risiko ein. Da die Interessenten keinen Vergleich haben, sehen sie erst einmal nur, dass die Zahl der Widersprüche bei der Viactiv vermeintlich hoch sind und wählen dann eine andere Kasse. Wie gehen Sie mit diesem Risiko um?
Wenn man die Zahl der Leistungsanträge – die wir ja auch veröffentlichen – mit denen der Widersprüche ins Verhältnis setzt, dann sieht man, dass das eine relativ niedrige Zahl ist. Aber ja, es fehlt den Versicherten der Vergleich.

Deshalb fordern wir von der Politik, dass hier mehr gemacht werden muss, als ein schönes Wettbewerbsgesetz zu verabschieden, wie in der vergangenen Woche mit dem Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz geschehen. Auch dieses enthält wieder keine Vorgaben für eine transparente Datenveröffentlichung.

Reinhard Brücker, Vorstandsvorsitzender der Viactiv
Reinhard Brücker, Vorstandsvorsitzender der Viactiv
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Sie beschwören die Transparenz. Doch auf Ihrer Homepage habe ich diese Angaben nicht gefunden. Wo werden sie veröffentlicht?
Wir haben diese Zahlen für das Jahr 2018 im Oktober des vergangenen Jahres in unserer Mitgliederzeitschrift veröffentlicht. Die 2019er Zahlen werden wir dort auch in einem größeren Artikel aufbereiten.

So erreichen Sie nur Ihre Bestandsmitglieder. Aber ist es nicht das Ziel, dass die Krankenkassen gerade für diejenigen, die sich eine Kasse suchen müssen, besser vergleichbar werden? Wäre es dafür nicht geeigneter, wenn die Daten auf Ihrer Homepage zu finden wären?
Die Daten werden wir auch auf unserer Website prominenter veröffentlichen, voraussichtlich ab Mai. Und wir geben die Zahlen auch jetzt schon bereitwillig an Vergleichsportale heraus.

Sie sagten, dass die Zahlen für 2019 für die Veröffentlichung noch aufbereitet werden. Können Sie schon jetzt ein paar Zahlen nennen?
Im vergangenen Jahr sind zum Beispiel im Bereich der Krankenversicherung 3572 Widersprüche eingegangen. Fast alle konnten wir im vergangenen Jahr bearbeiten, nur 78 – also rund zwei Prozent – davon mussten in das Jahr 2020 übernommen werden. 1415 Widersprüche konnten durch eine sogenannte Abhilfe in der Fachabteilung gelöst werden, also nach nochmaliger Beratung im Konsens von Fachabteilung und dem Widersprechenden.

Bei weiteren 1212 wurde ein formelles Widerspruchsverfahren durchlaufen, an dessen Ende ganze drei Bescheide zugunsten des Widersprechenden korrigiert werden mussten. Von den übrigen wurden 142 Bescheide durch eine Klage vor einem Sozialgericht angefochten.

Sind diese Ergebnisse im Vergleich zu anderen Krankenkassen gut, durchschnittlich oder schlecht?
Ich würde sagen, wir sind richtig gut. Das liegt daran, dass wir eben nicht gleich einen formalen Widerspruchsbescheid mit einer Ablehnung des Antrags losschicken, wenn in dem Antrag zum Beispiel bloße Formfehler vorliegen oder ein Dokument im Antrag fehlt, das man einfach nachfordern kann.

Denn das erzeugt ein hohes Maß an Frustration. Unsere Mitarbeiter suchen stattdessen erst das Gespräch mit dem Versicherten. Aber wie gut wir hier sind, das kann ich so genau gar nicht sagen. Denn es gibt ja nur eine Handvoll Kassen, die ähnliche Daten veröffentlichen. So lange die Kassenstatistiken im Gesundheitsministerium unter Verschluss sind, kann ich auch keinen Durchschnitt als Benchmark definieren, an dem sich gute Daten von weniger guten scheiden.

Es klingt personalintensiv, was Sie tun. Heißt das also, dass eine Kasse, die Qualitätstransparenz anstrebt, das nur mit einem hohen Beitragssatz erreicht?
Sicher ist der Aufwand an Personal und deren Schulung höher. Aber so sehr ins Geld geht das gar nicht. Unsere Verwaltungskosten sind mit weniger als fünf Prozent vergleichsweise moderat. Vieles kann man mit moderner Technik gut und kundenfreundlich regeln, indem man zum Beispiel bei der Antwort auf einen Bescheid Datenbanken zuschaltet, die helfen, die Antwort individuell, verständlich und informativ zu erstellen.

Es geht vor allem darum, wie gut man die Leute schult, welche Motivation für ein kundenfreundliches Verhalten man ihnen vermittelt. Transparenz bekommt man also auch für normales Geld.

Steckt hinter Ihrer Transparenzoffensive das Ziel, neue Mitglieder zu gewinnen?
Selbstverständlich. Weil wir sagen, Transparenz ist ein Wert an sich. Und Qualität ist ein Wert an sich. Den wollen wir herausstellen und damit natürlich auch im Wettbewerb mit anderen Kassen punkten.

Haben Sie seitdem mehr Mitglieder gewonnen?
Wir haben zwar einen positiven Mitgliedersaldo, aber das würde ich jetzt noch nicht darauf zurückführen. Wir können ja überhaupt keine Reklame machen mit unseren Daten, weil wir keine Vergleichsdaten haben. Deshalb fordern wir von unseren Mitbewerbern: Stellt euch einem Qualitätswettbewerb und veröffentlicht eure Daten.

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