Kuren durch das Müttergenesungswerk: „Fürsorge geht nur, wenn man auch für sich selber sorgt“
Pflegende Angehörige und Väter wissen oft nichts von den Möglichkeiten des Müttergenesungswerks. Dabei können nicht nur Mütter Kuren beantragen.
Der Name „Müttergenesungswerk“ (MGW) klingt altmodisch, aber der Gedanke, der dahintersteckt, ist hochaktuell. Und die Aufgaben werden immer größer. Das wurde deutlich bei einem Gespräch, das die Frau des Bundespräsidenten, Elke Büdenbender, als Schirmherrin mit Berliner Beratern aus verschiedenen Bezirken beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) im Wedding führte. Längst geht es nicht mehr nur um Kuren für Mütter, die angesichts der vielfältigen Anforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, überlastet sind.
Dank einer „Zustiftung Sorgearbeit“ können unter dem Dach des MGW die Wohlfahrtsverbände auch Vätern und pflegenden Angehörigen helfen. Das war noch nicht abzusehen, als Elly Heuss-Knapp, die erste First Lady der Bundesrepublik, das MGW 1950 gründete. Der Ansatz war, wie Elke Büdenbender sagte, sehr modern: „Fürsorge für andere geht nur, wenn man auch für sich selber sorgt.“
Beratung spart Folgekosten
Rund 135 000 Beratungen gibt es jährlich bundesweit, sagte MGW-Geschäftsführerin Anne Schilling. Der Bedarf wäre aber erheblich höher. Viele Mütter und Väter leiden unter ständigem Zeitdruck, unter beruflicher Belastung, Trennungen vom Partner, finanziellen Problemen, erfahren die Beraterinnen. Nur wissen viele gar nicht, dass sie einen Anspruch auf eine Kur hätten. Manchmal werden sie im Internet fündig und schaffen es sogar telefonisch bis in eine der Beratungsstellen, die bei den freien Wohlfahrtsverbänden angesiedelt sind.
Eine Beraterin aus Lichtenberg sagte, dass Wartezeiten oft mehr als einen Monat betragen. In der Zwischenzeit springen manche wieder ab. Das betrachtet Elke Büdenbender als besonders beklagenswert. Deutlich wurde, dass die Beraterinnen nicht nur beim Roten Kreuz, sondern auch beispielsweise bei der AWO selber schon am Limit arbeiten. Es fehlt schlicht an Kapazitäten. Aus Büdenbenders Sicht muss nun rasch geklärt werden, wie man die Leute früher in die Beratungen bringt und wie man schneller an Termine herankommt. Es sei auch ökonomisch sinnvoller, die Beratung auszuweiten, weil dadurch erhebliche Folgekosten gespart würden.
Neue Angebote für pflegende Angehörige
Die Beraterinnen haben alle eine große Bandbreite an Erfahrungen. Sie wissen, was zu tun ist, wenn ein Zwölfjähriger alle Formulararbeiten für seine analphabetische Mutter erledigen soll, und auch, wie man es verhindert, dass ein getrennt lebendes Elternteil die Kinder aus einer Mutter-Kind-Kur herausholt.
Vergleichsweise neu sind die Angebote für pflegende Angehörige. Auch sie haben einen Anspruch auf Kuren, wenn sie vor Erschöpfung und Überforderung gesundheitliche Probleme bekommen, und der wird auch durchgesetzt, obwohl es komplexe Aufgaben gibt, zum Beispiel die Organisation einer Kurzzeitpflege.
Damit solche Kuren nachhaltige Effekte haben, lassen viele Kliniken die Kurenden einen Brief an sich selber schreiben. In dem können gute Vorsätze stehen, zum Beispiel regelmäßig gemeinsam mit dem Partner essen zu gehen oder einen Abend pro Woche den Freunden zu widmen. Den Brief schicken die Kliniken dann einige Wochen nach der Kur den Schreibern zu. So können sie die positiven Effekte der Kur auch in ihren anstrengenden Alltag holen.
Elisabeth Binder