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Die meisten Radspuren auf Berliner Fahrbahnen sind zu schmal.
© Sebastian Raabe/Fotolia

Fahrradunfälle in Berlin: Wie Unfallforscher Radfahren sicherer machen wollen

Drei Fahrradfahrer waren am Wochenende in schwere Unfälle verwickelt. Dabei hätte es Möglichkeiten gegeben, die zu verhindern.

Für drei Radfahrer endete eine Fahrt am Sonntag mit schweren Verletzungen im Krankenhaus. In zwei Fällen fuhren Radler gegen sich öffnende oder offenstehende Autotüren. Im dritten Fall verunglückte eine 70-Jährige, als sie einem entgegenkommenden Fahrradfahrer (82) ausweichen wollte.

Nach Polizeiangaben stürzte sie am Nachmittag im Zehlendorfer Ortsteil Wannsee, als sie mit dem Vorderrad gegen den erhöhten Rand des Radweges kam. Diese Kanten wurden früher zur optischen Trennung von Rad- und Gehwegen eingebaut. Über die Jahre dürften hunderte Radler ein Opfer dieser Stolperfallen geworden sein. In einigen Straßen wurden die Kanten bereits beseitigt, an der Königstraße in Wannsee nicht.

Auch die beiden anderen schweren Unfälle hätten leicht vermieden werden können. Um 14 Uhr fuhr ein 52-Jähriger auf der Fahrbahn der Schönhauser Straße in Pankow gegen die geöffnete Fahrertür eines dort ordnungsgemäß geparkten VW. Der 52-Jährige stürzte und erlitt schwerste Verletzungen. Die Tür soll offen gestanden haben, während der Fahrer am Kofferraum stand. Laut Polizei gilt er als alleiniger Verursacher des Unfalls – von einer offenen Tür darf keine Gefahr ausgehen. Wieso allerdings der Radfahrer die Gefahr nicht bemerkte, ist unklar.

Unfall-Klassiker: offene Autotür

Der zweite Tür-Unfall ist der Klassiker – Autofahrer reißt Tür auf, Radfahrer hat keine Chance mehr auszuweichen. So geschah es gegen 19 Uhr in der Straße Alt-Biesdorf in Marzahn. Hier war es die Beifahrerin eines ordnungswidrig auf dem Gehweg abgestellten Wagens, die unvermittelt die Tür aufstieß.

Eine 31-jährige Frau fuhr gegen die Tür und stürzte. Ein hinter ihr radelnder 37-Jähriger musste stark abbremsen, verlor die Kontrolle und geriet gegen einen parallel fahrenden Pkw. Nur durch ein Ausweichmanöver dieses VW-Fahrers konnte ein Zusammenstoß mit der am Boden liegenden Gestürzten verhindert werden. Die Frau kam mit schweren Verletzungen in eine Klinik. Der 37-Jährige hatte viel Glück und wurde bei der Berührung mit dem Auto nicht verletzt.

Jeder 13. Unfall führt zu einer schweren Verletzung

Vor zwei Monaten war ein Radfahrer getötet worden, als ein Autofahrer die Tür aufriss. Der Unfall in der Neuköllner Hermannstraße hatte Schlagzeilen gemacht, auch weil der Verursacher als Diplomat juristisch nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Solche Unfälle gehören zu den Horrorvorstellungen aller Radfahrer – zu Recht, wie Unfallforscher Siegfried Brockmann sagt.

Der Chef der Unfallforschung der Versicherer (UDV) hatte kürzlich eine Studie dazu veröffentlicht. Demnach sind derartige Unfälle „vergleichsweise selten, aber häufig sehr schwer“. Eine Auswertung der eigenen Unfalldatenbank habe ergeben, dass in sieben Prozent der erfassten Unfälle ein Radler mit einer sich öffnenden Autotür kollidiert war. Jeder fünfte Unfall hatte schwere Verletzungen zur Folge. „Meist sind es Kopfverletzungen und Verletzungen der Beine (je 40 Prozent)“, schreibt Brockmann in der Studie.

Insgesamt wurden im Jahr 2016 nach Polizeiangaben bei 7500 Unfällen mit Radbeteiligung 583 Menschen verletzt. Jeder 13. Unfall führt statistisch also zu einer schweren Verletzung. 4673 Menschen wurden leicht verletzt. Tür-Unfälle finden sich in der Statistik in der Rubrik „Verkehrswidriges Verhalten beim Ein- und Aussteigen“. 2016 gab es 579 solcher Vorfälle.

Unfallforscher wollen technische Lösung

Die Unfallforschung der Versicherer und der Fahrradclub ADFC plädieren für technische Lösungen, die den aussteigenden Autofahrer nicht nur warnen, sondern das Öffnen der Türen kurz vor und während des Vorbeifahrens eines Radfahrers verhindern. „Nach unseren Berechnungen würden die Türen nur sehr kurz blockiert werden“, sagt Brockmann. „Das wäre Autofahrern angesichts des Sicherheitsgewinns für Radfahrer durchaus zuzumuten.“

Immerhin elf Meter vorher müsste ein Radler, der mit Tempo 20 unterwegs ist, bemerken, dass die Tür aufgeht, um noch zum Stillstand bremsen zu können. Berlin sei als Großstadt deutlich stärker betroffen als kleinere Städte, da es wenig Platz, aber viele Autos gibt.

In Holland gibt es einen simplen Trick, um solche Unfälle zu vermeiden: Die Fahrertür soll mit der rechten Hand geöffnet werden, dadurch dreht sich der Oberkörper automatisch nach hinten. Natürlich können Radfahrer ausreichend Abstand halten, dies ist sogar vorgeschrieben. Der ADFC empfiehlt 1,5 Meter.

Fast alle Radspuren in Berlin zu schmal

Doch dazu bedarf es eines „gewissen Mutes“, wie Brockmann formuliert. Radfahrer kennen es, dass sie gerade in engen Straßen angehupt werden, wenn sie mitten auf der Fahrbahn fahren – einfach um nicht in die bei Radaktivisten so genannte „Dooring-Zone“ zu geraten. Als großes Problem gilt, dass fast alle der in Berlin markierten Radspuren auf der Fahrbahn viel zu schmal sind und es nur selten eine Sicherheitszone zu parkenden Autos gibt, was auch der Volksentscheid Fahrrad massiv kritisiert hat. „Berlin hat das Problem selbst geschaffen“, sagt Brockmann.

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