Vonovia und Deutsche Wohnen: Wie sich der Mietendeckel auf Aktienkurse auswirkt
Die Börsenkurse der großen Immobilienkonzerne schwanken heftig. Das liegt nicht zuletzt an der Wohnungspolitik des Berliner Senats.
Nun geht es wieder kräftig nach oben. Die Aktien von Deutsche Wohnen und Vonovia, die beiden Schwergewichte unter den börsennotierten Immobilien-Gesellschaften, legten am Donnerstag um mehr als zwei Prozent zu. Vonovia hatte da fast schon wieder die deftigen Verluste ausgeglichen, die der Berliner Senat ihr zuletzt beschert hatte: mit der Ankündigung, dass der Deckel drauf kommt, auf alle Mieten in der Hauptstadt, fünf Jahre lang – und dazu noch eine allgemeine Mietobergrenze für alle Wohnungen kommt.
So eine Meldung lässt die gern zitierte „Börsen-Phantasie“ zum Horrortrip werden. Denn für Aktiengesellschaften wie die Deutsche Wohnen und Vonovia sind steigende Mieten der Stoff, aus dem die Erzählung ihrer Vorstände ist. Genüsslich wird jede Nachricht über den Erwerb eines neuen „Wohnungs-Pakets“ mit genau solchen Phantasien verbreitet: Die Mieten betragen 5,60 Euro je Quadratmeter im Durchschnitt des Bestandes, das Potenzial beträgt 6,10 Euro.
Keine Mieterhöhungen, keine Modernisierung, keine Aufwertung
Kein Potenzial mehr nirgends, für fünf Jahre mindestens – das ist die Botschaft des Mietendeckels. Denn der Deckel verbietet nicht nur grundsätzlich jede Art von Mieterhöhung, sondern schränkt auch Modernisierungen so ein, dass wohl keiner mehr eine durchführt. Und Modernisierungen waren der zweite Hebel zur „Aufwertung“ von Wohnungsbeständen.
Denn anders als bei der Instandhaltung von Immobilien, also die ordentliche Reparatur und Wartung von Wohnungen und Häusern, können Eigentümer acht Prozent der Kosten einer Modernisierung auf die Mieter umlegen. Und dieses zusätzliche Potenzial für Mieterhöhungen nutzten die Firmen systematisch aus.
Weil der Deckel nun beides verbietet, brach die Aktie der Deutschen Wohnen zunächst brutal ein: von über 42 Euro auf 36 Euro. Dass die Firma bis heute so viel härter getroffen ist als die Vonovia, liegt daran, dass sie besonders viele Wohnungen in Berlin besitzt, wo die Deutsche Wohnen der größte private Eigentümer überhaupt ist.
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„Yeah! Einmischen gegen Verdrängung!“ las man daher als Kommentar auf Twitter am Donnerstag mit dem Verweis auf den Kurseinbruch – „Kaufen Sie jetzt Deutsche-Wohnen-Aktien, die sind massiv unterbewertet“ , posteten andere in den sozialen Netzwerken.
Der Kurseinbruch zeigt: Der Deckel wirkt
So oder so – der Kurseinbruch zeigt: Der Mietendeckel zerstört das gegenwärtige Geschäftsmodell auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Hohe Profite waren bisher aus zwei Gründen möglich: Weil die Zahl der Bewohner schneller wächst als die Zahl der Wohnungen – und das den Mangel an Wohnraum verschärft. Und wenn es an einer Ware mangelt, dann steigt deren Preis, hier also die Miete.
Die zweite Tatsache: Langjährige Mieter bezahlten nur die Hälfte bis zu einem Viertel der Miete für ihre Wohnungen als die neu in dasselbe Haus eingezogenen Nachbarn. Wer ein Haus mit vielen Altmietern erwirbt, darf also darauf spekulieren, dass mit jedem Auszug sprunghaft mehr Miete zu erzielen ist und damit der Wert der Immobilie entsprechend stark steigt.
Kurzum, der Kurseinbruch zeigt, der Mietendeckel wirkt. Erstmals überhaupt ist ein wirksames politisches Instrument zur Zügelung des Marktes gefunden. Das beweist auch die heftige Reaktion der Ratingagentur „Moody’s“. Deren deutsche Statthalter hatten in einer gewundenen Sprachregelung vor einer „sozialen Spaltung in Berlin“ gewarnt, falls der Mietendeckel kommt. Dabei droht eben diese Spaltung nach übereinstimmender Meinung von Experten aller politischen Lager wegen der steigenden Mieten – die Gefahr geht also, anders als Moodys erklärt, von der Spekulation aus, die den Wohnungsmarkt erfasst hat.
Ähnlich irrlichternd auch die zweite Warnung von Moody’s vor dem Mietendeckel: nämlich dass die Immobilienkonzerne ihre Investitionen für die Modernisierung zurückfahren würden. Nicht die Konzerne würden Investitionen zurückfahren, die Politik verbietet ihnen mit dem Mietendeckel die teuren Modernisierungen. Beabsichtigt ist das, weil dieses Instrument die Mieten überhaupt erst derart schnell steigen lässt.
Welches Spiel treibt die Ratingagentur?
Das eigentliche Motiv für Moody’s Warnung nannten die Marktfürsprecher eher beiläufig: dass vor allem die Deutsche Wohnen und ADO Properties, in deren Portfolio besonders viele Berliner Wohnungen sind, sich auf geringere Gewinnmargen einrichten müssten.
Moody’s fiel nicht zum ersten Mal mit Warnungen auf: Vor einigen Monaten hatten die Analysten aus den USA mit Niederlassung in Frankfurt am Main schon eine Herabstufung des Ratings vom Land Berlin heraufbeschworen, weil Senat und Bezirke systematisch Wohnungen vom Markt zurückkaufen, um die Mieten zu bremsen. Was für jede Investmentfirma der Normalfall ist, Immobilien oder Gesellschaften auf Pump zu kaufen, soll für Tochterfirmen des Landes plötzlich ein Risiko sein?
Ratingagenturen sind eben kein Markt-Orakel, wozu sie gerne mal verklärt werden – sondern machen eben selbst auch Politik. Vor einigen Jahren hatte sogar der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der als CDU-Mitglied ebenso wenig populistischer oder sozialistischer Motive verdächtig ist, den Aufbau unabhängiger kontinentaler Ratingagenturen gefordert, als Moody’s sich in die Eurokrise eingemischt hatte. Und nicht nur er, die „Vormachtstellung“ von Moody’s und Standards & Poor wollte damals sogar die FDP brechen.