zum Hauptinhalt
Erst auf Tagesspiegel-Anfrage wurden die Einladungen verschickt.
© Kitty Kleist-Heinrich

Gespräche zum Antidiskriminierungsgesetz: Wie Justizsenator Behrendt Polizeiverbände brüskiert

Berlins Justizsenator Behrendt (Grüne) versprach Gespräche mit Polizei-Berufsverbänden zum Antidiskriminierungsgesetz. Daraus wurde eine diskriminierende Posse.

Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) hat mit seinem Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz in der Polizei viel Unmut ausgelöst. Jetzt will er mit den Gewerkschaften und Berufsverbänden reden – aber nicht mit allen.

Der Fall verdeutlicht, welch schwieriges Verhältnis Behrendt, der neben Innensenator Andreas Geisel (SPD) Chef eines Verfassungsressorts ist, zur Polizei hat. Und er wirft die Frage auf: Diskriminiert Behrendt, der auch Senator für Antidiskriminierung ist, am Ende selbst einzelne Verbände in der Polizei? 

Behrendts Gesetzentwurf war vom Senat im Juni beschlossen worden. Derzeit befasst sich das Abgeordnetenhaus damit, Ende Oktober steht eine Anhörung im Rechtsausschuss an. 2020 soll es in Kraft treten. Weil sich die vier Gewerkschaften und Berufsverbände in der Berliner Polizei gegen den Entwurf ausgesprochen haben, versprach Behrendt im August über seinen Sprecher, Gewerkschaftsvertreter zu einer Runde mit dem Justizsenator eingeladen, um die Sorgen vor dem Gesetz zu zerstreuen. Auch im Abgeordnetenhaus sagte er ein Treffen zu.

Tatsächlich war vor wenigen Wochen die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zu einer Runde mit Behrendt eingeladen worden, so wie auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) oder die Bildungsgewerkschaft GEW. Das Gespräch wurde für Mittwoch, den 23. Oktober, anberaumt. Die übrigen drei Gewerkschaften und Berufsverbände bei der Berliner Polizei wurden aber nicht eingeladen. Das sind die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG), der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) und der Berufsverband „Unabhängige in der Polizei“ (UPol).

Unterscheidet Behrendt bei Gewerkschaften und Berufsverbänden?

Der Tagesspiegel hatte am Freitag bei der Justizverwaltung angefragt, ob Behrendt zu dem versprochenen Gespräch eingeladen hat. Die Antwort der Verwaltung kam um 14.03 Uhr per Email: „Zu einem Treffen wurde eingeladen. Es findet zeitnah statt.“ Bereits am Vormittag hatte der Tagesspiegel auch bei den vier Gewerkschaften und Berufsverbänden nachgefragt. Das Ergebnis: Behrendt macht offenbar Unterschiede zwischen den Gewerkschaften und Berufsverbänden.

Denn außer der GdP hatte Behrendt keine der anderen Gewerkschaften und Verbände eingeladen – jedenfalls bis der Tagesspiegel am Freitag bei der Verwaltung um Auskunft bat. DPolG-Landeschef Bodo Pfalzgraf sagte am Mittag: „Wir sind zu diesem Gesetz gegen den öffentlichen Dienst nicht angehört worden. Wir sind auch nicht eingeladen worden.“ Die DPolG habe vor einigen Wochen über den Deutschen Beamtenbund (DBB) eine Stellungnahme abgegeben. „Aber Herr Behrendt ist da an einer Auseinandersetzung mit uns nicht interessiert. Das passt ins Bild.“

Auch BDK-Landeschef Daniel Kretzschmar hatte zunächst „keine derartige Einladung erhalten“. Behrendt und die Justizverwaltung hätten sich entgegen der Ankündigung des Senators „weder schriftlich noch mündlich an uns gewandt“, sagte Kretzschmar. „Offenbar besteht seitens des Senators kein Interesse, hier einen Ausgleich mit allen Polizeivertretungen herbeizuführen. Das ist bedauerlich, denn das Grundanliegen, dass Diskriminierung abzulehnen ist, teilt der BDK uneingeschränkt.“

Auch die „Unabhängigen“ wurden nicht eingeladen. Deren Sprecher Jörn Badendick sagte: „Der Justizsenator hat vollmundig den Dialog angekündigt, an welchen er sich offenbar nicht mehr gebunden fühlte. Es sind Fragen der persönlichen Integrität des Justizsenators und was sein Wort in der politischen Debatte überhaupt noch wert ist.“

Verwaltung behauptete, Einladungen seien verschickt worden

Offenbar wurde der Justizverwaltung am Freitag klar, welch ein Fehler ihr unterlaufen ist. Doch anstatt den Fehler gleich einzugestehen, behauptete die Verwaltung einfach, neben der GdP seien auch DPolG und BDK eingeladen worden. Das erklärte ein Sprecher am Freitag um 14.19 Uhr. Eilig wurden dann doch noch Einladungen an andere Berufsverbände verschickt – nach mehreren Anfragen des Tagesspiegel. Um 14.29 Uhr bekam der BDK die Einladung per Email. Die Geschäftsstelle der DPolG war bereits geschlossen.

Erneut damit konfrontiert, dass Gewerkschaften und Berufsverbände bei den Einladungen nicht gleich behandelt werden und erst die Tagesspiegel-Anfrage die Justizverwaltung zu einer Korrektur bewegt hat, sagte der Sprecher: „Offenbar handelt es sich dabei um ein Büroversehen.“

Ob es nur ein Versehen war, daran bestehen erhebliche Zweifel, wie ein weiterer Vorgang zeigt. Nach seiner Ankündigung, sich mit Gewerkschaften treffen zu wollen, meldete sich auch Mirko Prinz bei der Justizverwaltung. Prinz ist Vorsitzender der „Unabhängigen“ - aber auch Vorsitzender des Gesamtpersonalrates der Berliner Polizei. Mit ihm im Vorstand sind dort Vertreter von DPolG und BDK. Als Verbandschef schrieb er dem Senator im September, als Unabhängige „nehmen wir Ihr Gesprächs- und Aufklärungsangebot zum Entwurf des Landesantidiskriminierungsgesetzes dankend an und bitten um Mitteilung eines Termins.“

„Dass Dirk Behrendt uns nicht einlädt, sehen wir sportlich“

Für die Antwort brauchte das Büro des Justizsenators 28 Tage. Am 10. Oktober, als die Einladungen an GdP und GEW für das Gespräch am 23. Oktober offenbar längst verschickt war, erhielt der Vorsitzende der Unabhängigen eine Absage. Behrendts Assistentin schrieb Prinz: „Der Terminkalender des Senators gibt leider für absehbare Zeit keine Möglichkeit eines Treffens.“ Dabei findet in wenigen Tagen das Treffen mit den anderen Gewerkschaften statt. 

Der Berufsverband erklärt nun dazu: „Dass Dirk Behrendt uns nicht einlädt, sehen wir sportlich. Wir appellieren an die Fraktionen im Abgeordnetenhaus, den berechtigten Einwänden der Belegschaft der Berliner Polizei eine Stimme zu verschaffen. Die Alleingänge von Dirk Behrendt nach Gutsherrenart sind in der Sache nicht hilfreich.“

Der Gesamtpersonalrat der Polizei hatte sich bereits einmütig gegen den Gesetzesentwurf gestellt, ebenso die Gewerkschaften und Berufsverbände in der Polizei. Das Gesetz könnte „erhebliche Auswirkungen auf das polizeiliche Handeln haben“, erklärte der Personalrat der Polizei.

Besonders heikel ist eine im Gesetzentwurf vorgesehene Vermutungsregelung: Demnach müssen öffentliche Stellen einen Diskriminierungsverdacht widerlegen. Dies gilt etwa für das Verbot von Diskriminierung aufgrund rassistischer Zuschreibungen, ethnischer Herkunft, Religion, Geschlecht aber auch von Behinderungen oder chronischer Krankheiten.

Es reicht nach dem Entwurf aus, dass Tatsachen glaubhaft gemacht werden, die das „Vorliegen eines Verstoßes“ nach dem Diskriminierungsverbot „wahrscheinlich machen“. Dann muss die Polizei den Verdacht entkräften. Betroffene können sogar Schadensersatz und Entschädigungen einklagen.

Gesamtpersonalrat warnt vor Massenklagen

Vorgesehen sind auch eine Ombudsstelle und ein Verbandsklagerecht. Verbände dürfen damit per Klage für Einzelpersonen eine Diskriminierung vor Gericht feststellen lassen. Behrendt selbst rechnet nicht mit einer Klageflut. Das Ziel sei eine diskriminierungsfreie Verwaltung. Der Gesamtpersonalrat warnte davor, dass Behörden und Justiz durch Massenklagen lahmgelegt werden. Es liege „in der Natur der Sache, dass sich Betroffene von polizeilichen Maßnahmen regelmäßig ungerecht behandelt fühlen“. Eine vermutete Diskriminierung sei schnell angenommen.

Die Gewerkschaften und Verbände befanden, Behrendt zeige mit dem neuen Gesetz, „dass er dem öffentlichen Dienst mehr misstraut als der organisierten Kriminalität“. Der Senator hebele die im Grundgesetz geschützte Unschuldsvermutung aus. Wer von polizeilichen Maßnahmen betroffen sei, wie etwa Dealer im Görlitzer Park, meist Migranten, könne künftig einfach Rassismusvorwürfe erheben, die Beamten trügen dann die Beweislast.

Zur Startseite