Streit um Berliner Gesetz: Justizsenator begrüßt Debatte über Diskriminierung in Polizei
Die Polizei findet das Antidiskriminierungsgesetz von Justizsenator Behrendt überflüssig. Der freut sich, dass Behörden „ihr bisheriges Verhalten reflektieren".
Die von Senator Dirk Behrendt (Grüne) geführte Justizverwaltung sieht keinen Grund für die Sorgen bei der Polizei vor dem neuen Antidiskriminierungsgesetz. Behrendts Sprecher sagte dem Tagesspiegel am Mittwoch zur breiten Kritik in der Polizei am Gesetzentwurf: „Wir freuen uns, wenn ein Gesetzentwurf dazu führt, dass verschiedene Verwaltungen ihr bisheriges Verhalten auf mögliche Diskriminierung hin reflektieren.“
Neben einer Anhörung im Abgeordnetenhaus zum Gesetz würden Gewerkschaftsvertreter zu einer Runde mit dem Justizsenator eingeladen, um die Sorgen vor den neuen Regelungen zu nehmen. Eine telefonische Anfrage an die Verwaltung von Innensenator Andreas Geisel (SPD) blieb unbeantwortet.
In der Berliner Polizei hat sich breiter Widerstand gegen das geplante Antidiskriminierungsgesetz geregt. Der Entwurf war von Behrendt vorgelegt und vom Senat im Juni beschlossen worden. Derzeit befasst sich das Abgeordnetenhaus damit, es wurde vor zwei Wochen in einer erster Lesung im Plenum behandelt, 2020 soll es in Kraft treten.
Der Gesamtpersonalrat der Polizei Berlin hat sich einmütig gegen den Gesetzesentwurf gestellt. Das Gesetz könnte „erhebliche Auswirkungen auf das polizeiliche Handeln haben“. Besonders heikel ist eine im Gesetzentwurf vorgesehene Vermutungsregelung: Demnach müssen öffentliche Stellen einen Diskriminierungsverdacht widerlegen. Dies gilt etwa für das Verbot von Diskriminierung aufgrund rassistischer Zuschreibungen, ethnischer Herkunft, Religion, Geschlecht aber auch von Behinderungen oder chronischer Krankheiten.
Zugleich gilt die Beweislastumkehr für das Maßregelungsverbot. Demnach darf niemand benachteiligt werden, nur weil er für sich oder andere das Antidiskriminierungsgesetz in Anspruch nimmt. Es reicht nach dem Gesetz aus, dass Tatsachen glaubhaft gemacht werden, die das „Vorliegen eines Verstoßes“ nach dem Diskriminierungsverbot und Maßregelungsverbot „wahrscheinlich machen“. Dann muss die Polizei den Verdacht entkräften. Betroffene können sogar Schadensersatz und Entschädigungen einklagen. Vorgesehen ist darüber hinaus die Schaffung einer Ombudsstelle, sobald das Gesetz beschlossen ist.
Der Gesamtpersonalrat warnt davor, dass Behörden und Justiz lahmgelegt werden: „Betrachtet man die Diskussionen um das sogenannte ,Racial Profiling‘ aus den letzten Jahren, schafft man mit diesem Gesetz eine Grundlage für Massenklagen.“ Es liege „in der Natur der Sache, dass sich Betroffene von polizeilichen Maßnahmen regelmäßig ungerecht behandelt fühlen“. Eine vermutete Diskriminierung sei schnell angenommen.
Hinzu kommt noch ein Verbandsklagerecht. Es macht Verbänden den Weg dazu frei, per Klage auch für Einzelpersonen eine Diskriminierung gerichtsfest feststellen zu lassen. Sie sollen „strukturell wirkendes und diskriminierendes Verwaltungshandeln“ unterbinden können.
Behrendt selbst rechnet nicht mit einer Klageflut. Das Ziel sei eine diskriminierungsfreie Verwaltung. Christian Oestmann, Landeschef der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen, twitterte: „Antidiskriminierung ist richtig, aber nicht der radikalste Vorschlag ist der wirksamste und rechtssicher.“
Benjamin Jendro, Sprecher von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sagte, Behrendt zeige mit dem neuen Gesetz, „dass er dem öffentlichen Dienst mehr misstraut als der organisierten Kriminalität“. Das Gesetz sei überflüssig, auf Bundesebene gebe es bereits das Gleichbehandlungsgesetz. Statt eines Ombudsmanns wäre zunächst ein Polizeibeauftragter angebracht. In Praxis gebe es die Beweislastumkehr schon, die Beamten müssten sich bei Diskriminierungsvorwürfen bereits umfangreich rechtfertigen.
Zugleich warnte der GdP-Sprecher vor dem wachsenden Verwaltungsaufwand infolge des neuen Gesetzes. „Dutzende Kollegen, die dann an anderer Stelle wie der Kriminalitätsbekämpfung fehlen“, sagte Jendro. „Insbesondere der Justizsenator sollte wissen, dass seine Staatsanwälte schon jetzt über lange Wartezeiten bei Ermittlungsergebnissen und die Zuarbeit der personell unterbesetzten Polizei klagen.“
Jörn Badendick, Sprecher des Berufsverbands „Unabhängige“, wies auf die jüngst von Innensenator Geisel und Polizeipräsidentin Barbara Slowik gestartete Imagekampagne der Polizei unter dem Titel „Wir können Hauptstadt“ hin. „Der Innensenator und die Polizeipräsidentin versuchen, mit Image- und Wertschätzungskampagnen den Ruf der Polizei zu verbessern, und der Justizsenator reißt alles – salopp gesagt - mit dem Hintern wieder ein.“
Behrendt öffne mit dem Gesetz „Tür und Tor für ungerechtfertigte Anschuldigungen“, sagte der „Unabhängige“-Sprecher. Damit werde die im Grundgesetz geschützte Unschuldsvermutung ausgehebelt. „Wer zukünftig in den Bereich polizeilicher Maßnahmen kommt, kann schlichtweg Rassismusvorwürfe erheben und der einschreitende Beamte trägt anschließend die Beweislast“, sagte Badendick. Als Beispiel nannte er Einsätze gegen Drogendealer – meist Migranten – im Görlitzer Park
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) kritisiert vor allem die Beweislastumkehr. „Diskriminierung ist immer abzulehnen, eines gesetzlichen Generalverdachts gegen den gesamten öffentlichen Dienst bedarf es nicht“, erklärte der BDK. „Auch rechtmäßiges staatliches Handeln wird von der Adressatin oder dem Adressaten nicht immer als solches empfunden“, so der BDK.
FDP-Innenexperte Marcel Luthe, sagte: „Die Vermutungsregelung führt dazu, dass auch objektive Tatsachen nicht mehr zur Grundlage polizeilichen Handelns werden können.“ Der Gesetzentwurf des Senats falle Innensenator Andreas Geisel (SPD) im Kampf gegen arabische Clans in den Rücken. „Die Clans könnten sich zukünftig auf dieses Gesetz berufen“, sagte Luthe.